JudikaturOGH

9Ob53/22t – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*, vertreten durch Hasch und Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. E*, wegen 27.321,13 EUR sA, über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2021, GZ 14 R 48/21p-36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Rekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

3. Die Parteien haben die Kosten des Rekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt von der Beklagten 27.321,13 EUR sA und bringt vor, er habe eine vollstreckbare Forderung von 22.500 EUR samt Zinsen und Kosten, insgesamt den Klagsbetrag, gegen die Verlassenschaft nach M*. Die Beklagte schulde der Verlassenschaft nach M* aufgrund eines rechtskräftigen Urteils 46.486,01 EUR sA. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 12. 9. 2018, AZ 12 E 4211/18k, sei dem Kläger zur Hereinbringung seiner Forderung die Pfändung und Überweisung der Forderung der verpflichteten Partei, Verlassenschaft nach M*, gegen die Beklagte als Drittschuldnerin bewilligt worden. Die Beklagte habe weder eine Drittschuldneräußerung abgegeben, noch Zahlung geleistet.

[2] Die Beklagte bestreitet.

[3] Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger 26.492,85 EUR sA zu zahlen, das Mehrbegehren wies es ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, der Berufung des Klägers dagegen Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahingehend ab, dass es dem Klagebegehren zur Gänze statt gab.

[4] Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.

[5] Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche Revision“ der Beklagten wurde vom Erstgericht als Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs nach § 508 Abs 1 ZPO behandelt und dem Berufungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

[6] Das Berufungsgericht wies mit Beschluss vom 29. 11. 2021 den „Antrag der beklagten Partei auf Abänderung des Ausspruchs im Urteil des Oberlandesgerichtes Wien dahin, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde“, samt der Revision zurück. Der Wert des Streitgegenstands einer Drittschuldnerklage entspreche nur jenem Teil der vollstreckbaren Forderung gegenüber der verpflichteten Partei, der dem betreibenden Gläubiger überwiesen wurde, und nicht dem Gesamtbetrag der noch unberichtigten gepfändeten Forderung. Der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht im vorliegenden Fall entschieden habe, betrage daher nur 27.321,13 EUR. Damit sei ein Antrag auf nachträgliche Zulassung der Revision an das Berufungsgericht erforderlich, um eine zulässige Revision erheben zu können. Erhebe in einem solchen Fall eine Partei ein Rechtsmittel, so sei dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz auch dann vorzulegen, wenn es rechtsirrtümlich als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet und an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei. Da keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt werde, sei der Antrag zurückzuweisen.

[7] Gegen diesen Beschluss erhob die Beklagte Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit dem Antrag, den Beschluss des Oberlandesgerichts ersatzlos zu beheben und über die Zulässigkeit der Revision selbst zu entscheiden.

[8] Dieser Rekurs wurde vom Erstgericht zunächst mit Beschluss vom 24. 1. 2022 zurückgewiesen. Dem Rekurs der Beklagten gegen diesen Zurückweisungsbeschluss gab das Rekursgericht mit Beschluss vom 10. 5. 2022, GZ 14 R 52/22b-45, Folge und hob den Zurückweisungsbeschluss ersatzlos auf. Der Rekurs gegen den Beschluss vom 29. 11. 2021 sei nach Ermöglichung einer Rekursbeantwortung dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.

[9] Dem Kläger wurde der Rekurs zur Rekursbeantwortung am 18. 5. 2022 zugestellt, die Rekursbeantwortung wurde am 2. 6. 2022 mittels ERV eingebracht.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

[11] 1. Voranzustellen ist, dass nach Auskunft der Post der bekämpfte Beschluss aufgrund eines Nachsendeauftrags in T* am 20. 12. 2021 der Nichte der Beklagten übergeben wurde. Aufgrund der Fristenhemmung nach § 222 Abs 1 ZPO ist der Rekurs, der am 17. 1. 2022 zur Post gegeben wurde jedenfalls rechtzeitig.

[12] Die vierzehntägige Frist für die Rekursbeantwortung endete dagegen am 1. 6. 2022. Die Rekursbeantwortung vom 2. 6. 2022 war daher als verspätet zurückzuweisen.

[13] 2.1. Der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 ZPO betrifft nur Entscheidungen, mit denen das Berufungsgericht die Argumente des Antragstellers, es lägen doch erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor, prüft, sie aber nicht für stichhältig hält und deshalb den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO und die damit verbundene Revision zurückweist (RS0115271). Der Rechtsmittelausschluss gilt nur für die inhaltliche Beurteilung dieser Frage, nicht aber dafür, ob überhaupt ein Fall des § 508 ZPO vorliegt.

[14] 2.2. Bei Vorliegen eines richtigerweise als außerordentliche Revision zu deutenden Rechtsmittels beschränkt sich die Befugnis des Berufungsgerichts zwar auf die Zurückweisung eines in diesem Fall gar nicht erforderlichen Abänderungsantrags, wenn ein solcher gestellt wurde. Eine dennoch erfolgte Zurückweisung auch der Revision kann der Rechtsmittelwerber mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof bekämpfen, weil der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO für die Zurückweisung einer (in Wahrheit) außerordentlichen Revision nicht gilt (RS0122264; 4 Ob 147/12i; vgl auch Lovrek in Fasching/Konecny 3 , § 508 ZPO Rz 12 ff). Der Rekurs, der sich gegen die funktionelle Zuständigkeit des Berufungsgerichts wendet, ist daher zulässig.

[15] 3. Entgegen der – im Ergebnis – vertretenen Ansicht der Beklagten findet § 55 Abs 3 JN im vorliegenden Fall keine Anwendung. Nach dieser Bestimmung ist für den Wert des Streitgegenstands der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalsforderung maßgebend, wenn nur ein Teil einer Kapitalsforderung begehrt wird. Dadurch soll die Möglichkeit ausgeschaltet werden, durch willkürliche Teileinklagung die Zuständigkeit des Gerichtshofs zu umgehen (3 Ob 587/90). Die Möglichkeit zur willkürlichen Teileinklagung hat aber nur derjenige, dem die gesamte Forderung zusteht. Dem Überweisungsgläubiger steht aber von vornherein nicht die Möglichkeit offen, den nicht überwiesenen Teil der Forderung einzuklagen, sodass es ebenso wie wenn schon über einen Teil der Kapitalforderung gerichtlich entschieden worden wäre, nur auf den ihm überwiesenen Betrag ankommen kann (1 Ob 515/91). Daher ist Wert des Streitgegenstands einer Klage, die vom betreibenden Gläubiger gegen den Drittschuldner eingebracht wird, nur der überwiesene Teil, nicht aber der Gesamtbetrag der noch unberichtigten gepfändeten Forderung ( Mayr in Rechberger , ZPO 5 § 55 JN Rz 9; vgl auch Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze 3 I § 55 JN Rz 32/1).

[16] 4. Der geltend gemachte, in Geld bestehende Anspruch übersteigt im vorliegenden Fall 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. Daher ist eine außerordentliche Revision nicht zulässig (§ 505 Abs 4 ZPO). Richtigerweise haben die Vorinstanzen das Rechtsmittel der Beklagten ungeachtet seiner Bezeichnung als „außerordentliche Revision“ dem Berufungsgericht zur Entscheidung iSd § 508 Abs 1 ZPO vorgelegt (vgl RS0109620; RS0109623). Eine inhaltliche Überprüfung, ob entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt, hat nicht zu erfolgen.

[17] Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

[18] 5. Weder für den nicht erfolgreichen Rekurs noch für die verspätete Rekursbeantwortung steht ein Kostenersatz zu.

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