2Ob37/23i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* und 2. H*, beide vertreten durch Prutsch Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, wider die beklagte Partei J*, vertreten durch Dr. Christian Puchner und Mag. Martin Streitmayer, Rechtsanwälte in Leoben, wegen 28.852,88 EUR sA (erstklagende Partei) und 20.000 EUR (zweitklagende Partei), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2023, GZ 3 R 225/22s 57, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die an einem Hodgkin Lymphom erkrankte Tochter der Kläger und Lebensgefährtin des Beklagten verstarb am * 2018.
[2] Die Kläger begehren vom Beklagten jeweils 20.000 EUR Trauerschmerzengeld, die Erstklägerin darüber hinaus 8.852,88 EUR von ihr getragener Begräbniskosten. Der Beklagte habe bei Eintritt des Herz-Kreislaufstillstands der Klägerin im Jänner 2018 grob fahrlässig nur unzureichende Wiederbelebungsmaßnahmen gesetzt. Überdies hätte er sie aufgrund ihres sich schon in den Monaten vor ihrer ersten stationären Aufnahme im November 2017 verschlechternden Gesundheitszustands auch gegen ihren Willen in ärztliche Behandlung bringen müssen.
[3] Die Vorinstanzen verneinten einen (grob fahrlässigen) Sorgfaltsverstoß des Beklagten und wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[4] Die gegen dieses Urteil erhobene „ außerordentliche Revision “ legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
[5] Diese Vorgangsweise widerspricht dem Gesetz.
[6] 1. Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.
[7] 2. Die Kläger sind – wie auch mehrere aus einem Unfall Geschädigte (vgl RS0110982) oder Hinterbliebene, die Ansprüche nach § 1327 ABGB geltend machen (RS0035615 [T5, T7]) – als formelle Streitgenossen zu qualifizieren, weshalb die von ihnen erhobenen Ansprüche für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zusammenzurechnen sind (RS0035710; RS0035615). Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts übersteigt damit mangels Zusammenrechnung sowohl betreffend die Erstklägerin als auch den Zweitkläger 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR.
[8] 3. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RS0109623).
[9] 4. Das Rechtsmittel wäre demnach – auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird – dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109623 [T5]).
[10] Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.