4Nc6/23d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen A*, geboren * 2012, AZ 1 Ps 19/23f des Bezirksgerichts Völkermarkt, infolge Vorlage zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Bezirksgericht Völkermarkt zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt trat von der Verfolgung des Minderjährigen, der gemeinsam mit seiner Mutter mit einem gefälschten Pass reiste, gemäß § 190 Z 1 StPO aus dem Grund des § 4 Abs 1 JGG zurück. Laut Melderegister war der Minderjährige vom 31. 12. 2022 bis 2. 1. 2023 in einer Unterkunft in St. Georgen im Attergau im Sprengel des Bezirksgerichts Vöcklabruck gemeldet. Dennoch sandte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Benachrichtigung nach § 33 Abs 2 JGG (Verständigung von der Beendigung des Strafverfahrens) – offenbar versehentlich – an das Bezirksgericht Völkermarkt.
[2] Das Bezirksgericht Völkermarkt fasste am 3. 2. 2023 den Beschluss, wonach es zur „weiteren“ Führung des Verfahrens nicht zuständig sei und überwies das Verfahren an das Bezirksgericht Vöcklabruck, weil der Minderjährige dort seinen Aufenthalt habe und stellte seinen Beschluss 4-fach dem Bezirksgericht Vöcklabruck zu.
[3] Das Bezirksgericht Vöcklabruck verweigerte die Übernahme unter Hinweis auf den fehlenden Aufenthalt „in Vöcklabruck“ und retournierte den Akt an das Bezirksgericht Völkermarkt. Dieses stellte seinen Übertragungsbeschluss wiederum nicht den Parteien zu, sondern legte den Akt sofort dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.
[4] Diese Vorlage ist verfrüht.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn es im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Lehnt das Gericht, an das die Zuständigkeit übergehen soll, die Übernahme ab, so ist zunächst der Übertragungsbeschluss den Parteien zuzustellen und dessen Rechtskraft abzuwarten. Danach ist der Akt dem gemeinsam übergeordneten Gericht zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vorzulegen (stRsp, 6 Nc 8/22m; RS0047067; RS0128772).
[6] 2. Da der Übertragungsbeschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt den Parteien (Mutter, Kind) noch nicht zugestellt wurde und daher noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, wurde der Akt verfrüht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vorgelegt. Allfällige Zustellprobleme sind von jenem Gericht zu lösen, bei dem der Akt angefallen ist.