3Ob13/23t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Mag. H* W*, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren zu AZ 41 S 9/20a des Bezirksgerichts Döbling über das Vermögen des E* E*, gegen die beklagte und widerklagende Partei A* Y*, geschiedene E*, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, wegen Titelergänzung gemäß § 10 EO (Einräumung bücherlicher Rechte), über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Oktober 2022, GZ 34 R 119/22k, 34 R 120/22g 77, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Das Urteil des Berufungsgerichts vom 11. Oktober 2022 wird in Spruchpunkt II. in seinem der Klage stattgebenden Teil wie folgt berichtigt:
„Der Beschluss des 2. Familiengerichts Istanbul vom 3. März 2011, GZ 2011/07, wird um folgenden Satz ergänzt:
'Die beklagte Partei A* E*, geboren *, ist schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechts des E* E*, geboren *, an den 79/838 Anteilen BLNR 18 der Liegenschaft EZ *, Bezirksgericht Döbling, Zug um Zug gegen Einverleibung der bis 8. August 2022 zeitlich befristeten Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts an den dem E* E* nach Zuschreibung gehörenden 158/838 Anteilen der genannten Liegeschaft für A* E*, geboren *, einzuwilligen.'“
Die Vornahme der Berichtigung in der Urschrift und in den Ausfertigungen des Urteils des Berufungsgerichts obliegt diesem.
II. Die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die zweite Instanz gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Berichtigungsbeschluss des Erstgerichts vom 30. Juni 2022 nicht Folge, verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit und bestätigte im Übrigen das Urteil des Erstgerichts (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. 6. 2022, ON 68), mit dem der Beschluss des 2. Familiengerichts Istanbul vom 3. März 2011 um die Aufsandungserklärung und die Konkretisierung des der Beklagten Zug um Zug eingeräumten Nutzungsrechts (bis 8. August 2022 befristetes Wohnungsgebrauchsrecht) ergänzt wurde. Das Klagebegehren der beklagten und widerklagenden Partei, die klagende und widerbeklagte Partei schuldig zu erkennen, die dem Schuldner E* E* gehörenden 79/838 Anteile BLNR 17 an der Liegenschaft EZ * an die beklagte und widerklagende Partei herauszugeben und ob diesen Anteilen in die Einwilligung des Eigentumsrechts für die beklagte und widerklagende Partei einzuwilligen, wurde – so wie das dazu gestellte Eventualfeststellungsbegehren – abgewiesen.
I. Zum Berichtigungsbeschluss:
[2] Das Berufungsgericht führte in seiner Begründung zutreffend aus, dass das der Beklagten Zug um Zug eingeräumte befristete Wohnungsgebrauchsrecht den ganzen Mindestanteil des Klägers (nach erfolgter Zuschreibung) betrifft. In seinem Spruch hat es dies – wie auch das Erstgericht – zwar berücksichtigt, indem es den ganzen Mindestanteil mit 79/419 Anteilen (anstatt 158/838 Anteilen) angab. Aufgrund dieser Kürzung des Bruchs auf die Hälfte ist die Angabe über die dingliche Belastung des Mindestanteils des Klägers mit Rücksicht auf den Grundbuchstand jedoch nicht eindeutig im Sinn des § 32 Abs 1 GBG. Diese Unklarheit ist gemäß § 419 ZPO zu berichtigen, was nach Abs 3 leg cit auch in höherer Instanz angeordnet werden kann. Der Vollzug einer in höherer Instanz beschlossenen Berichtigung in der Urschrift und in den Ausfertigungen obliegt dem Gericht, dessen Entscheidung berichtigt wurde, hier also dem Berufungsgericht (vgl dazu Brenn in Höllwerth/Ziehensack , ZPO § 419 Rz 19).
Rechtliche Beurteilung
II. Zur außerordentlichen Revision:
[3] Mit der gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die beklagte und widerklagende Partei (im Folgenden: die Beklagte) keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[4] 1.1 In der außerordentlichen Revision wiederholt die Beklagte lediglich ihren Prozessstandpunkt, ohne auf die Beurteilung des Berufungsgerichts konkret einzugehen. Dabei lässt sie die Feststellungen des Erstgerichts insbesondere zum übereinstimmenden Parteiwillen der geschiedenen Ehegatten bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Scheidungsvereinbarung, die in den türkischen Scheidungsbeschluss aufgenommen wurde, außer Acht. Dies betrifft vor allem den behaupteten Eingriff in die Rechtskraft des türkischen Scheidungsbeschlusses sowie die Auslegung der in den türkischen Scheidungsbeschluss aufgenommenen Scheidungsvereinbarung zu dem bis 8. 8. 2022 (Vollendung des 22. Lebensjahres der Zwillinge) befristeten Wohnungsgebrauchsrecht der Beklagten (Zug um Zug-Verpflichtung) und zur Tragung der Wohnungskosten durch den nunmehrigen Schuldner.
[5] 1.2 Zu der in der außerordentlichen Revision aufgegriffenen Frage des Eingriffs in die Rechtskraft des türkischen Scheidungsbeschlusses hat das Berufungsgericht überdies die Nichtigkeitsberufung der Beklagten verworfen. Ein solcher Beschluss des Berufungsgerichts kann in dritter Instanz nicht mehr bekämpft werden (RS0043405; 3 Ob 73/21p). Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auch den Berichtigungsbeschluss des Erstgerichts bemängelt, ist sie darauf hinzuweisen, dass die zweite Instanz (als Rekursgericht) auch ihrem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge gegeben, sondern den Berichtigungsbeschluss bestätigt hat.
[6] Die zu diesen Fragen geltend gemachten Verfahrensmängel hat das Berufungsgericht verneint, weshalb auch sie nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können (RS0042963; RS0106371). Dass dieser Beurteilung des Berufungsgerichts eine unrichtige Rechtsansicht zugrunde liegen soll, vermag die Beklagte nicht ansatzweise nachvollziehbar zu begründen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die vom nunmehrigen Schuldner übernommene Verpflichtung zur Tragung der Wohnungskosten (während der Dauer des Nutzungsrechts der Beklagten) nach der Scheidungsvereinbarung nicht im synallagmatischen Austauschverhältnis zur Übertragung des halben Miteigentumsanteils an diesen stehe (vgl 1 Ob 2/07m), weshalb eine Berufung auf das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1152 ABGB nicht in Betracht komme (RS0019881 [T2]), und dass die Verurteilung zu einer Zug um Zug Leistung weder ein Plus noch ein Aliud, sondern ein Minus bedeute (RS0041069; RS0041067), begründet keine Verkennung der Rechtslage.
[7] 2. Auch zu dem mit ihrer Widerklage angesprochenen (angeblichen) Aussonderungsrecht nach § 13 Abs 3 WEG wiederholt die Beklagte lediglich ihre bisherigen Ausführungen, ohne auf die Begründung des Berufungsgerichts konkret einzugehen.
[8] § 13 Abs 3 WEG ordnet an, dass im Fall gemeinsamen Wohnungseigentums der Eigentümerpartner – dies solange die Eigentümerpartnerschaft besteht – ihre Anteile nur gemeinsam verwertet werden dürfen. Bei einem dringenden Wohnbedürfnis hat der nicht verpflichtete Partner im Fall eines Exekutions- oder Insolvenzverfahrens gegen den anderen Partner das Recht auf Exszindierung (§ 37 EO) bzw Aussonderung von dessen halben Mindestanteil (§ 44 IO). Nach dem klaren Zweck dieser Regelung soll der nicht verpflichtete Eigentümerpartner vor Obdachlosigkeit geschützt werden und daher die Zwangsversteigerung eines Gläubigers verhindern können. Dementsprechend richtet sich die Klage gemäß § 37 EO gegen einen betreibenden, auf die Wohnung greifenden Gläubiger, nicht aber gegen den Partner. § 13 Abs 3 WEG erfasst nicht jene Konstellation, in der der verpflichtete Partner bereits den Anspruch auf Übertragung des Eigentums am halben Mindestanteil des anderen Partners erworben hat, etwa durch Vertrag oder durch richterliche Entscheidung im Verfahren zur nachehelichen Aufteilung nach §§ 81 ff EheG ( Höllwerth in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht – WEG 4 § 13 Rz 51 und 55).
[9] Mit dem durch die Wohnrechtsnovelle 2006 für den Fall des Insolvenzverfahrens gegen den Eigentümerpartner eingeführten Aussonderungsanspruch im Sinn des § 44 IO beabsichtigte der Gesetzgeber, das bisher vorgesehene Widerspruchsrecht bei der Zwangsvollstreckung aufgrund eines Titels gegen nur einen Eigentümerpartner über den Weg des Aussonderungsrechts auch in der Insolvenz eines Partners wirken zu lassen (vgl ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP). Das Aussonderungsrecht soll somit das Pendant zum Widerspruch gemäß § 37 EO in der Insolvenz bilden. Es wird lediglich der Verwertung in der Insolvenz ein Riegel vorgeschoben, damit der Partner nicht der Gefahr der Obdachlosigkeit ausgesetzt wird. Durch § 13 Abs 3 WEG wird aber kein Titel zur Eigentumsbegründung des aussonderungsberechtigten Partners, auch nicht gegenüber dem verpflichteten Partner geschaffen ( Höllwerth in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht – WEG 4 § 13 Rz 59 und 59a).
[10] 3. Zusammengefasst gelingt es der Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.