JudikaturOGH

11Os14/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen * N* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 1, Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 17. November 2022, GZ 19 Hv 19/22f 90, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * N* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 1, Z 3 SMG (I./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 1, Z 3 SMG (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach ha t er in L* und andernorts – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant gekürzt wiedergegeben – als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen angeboten und verschafft – wobei er schon einmal, nämlich mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. November 2006, 17 KLs 200 Js 8530/06 3142 VRs, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 1 Abs 1, Anlage 3, § 3 Abs 1 und § 29a Abs 1 Nr 2 des deutschen Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln, somit inhaltlich wegen einer Straftat im Sinn des § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist – indem er im Verband mit international agierenden Gruppierungen im illegalen Drogenhandel in wiederholten Fällen nachstehende Suchtgiftmengen

I./ anderen Interessenten offerierte, nämlich

1./ mit Hilfe des verschlüsselten Krypto Messenger-Dienstes „SKYECC“ unter Verwendung des Skypins (Nutzername) „GW7DUI“

a./ am 22. November 2020 1 kg Kokain unbekannten Personen mit den Skypins „YJ6UWB“ bzw „6E7VOV“ zum Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer im Raum S*;

b./ am 23. November 2020 zumindest 1 kg Kokain einem unbekannten Abnehmer mit dem Skypin „XOTE29“;

c./ am 25. November 2020 zumindest 1 kg „Haschisch“ (US 6: Cannabisharz mit THCA) unbekannten Personen mit dem Skypin „EDOR8H“ bzw „2861B2“ zum Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer im Raum G*;

d./ am 28. November 2020 5 kg Kokain einer unbekannten Person mit dem Skypin „43D17A“ zum Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer im Raum L*;

e./ am 29. November 2020 5 kg Kokain an einen unbekannten Abnehmer mit dem Skypin „XOTE29“;

f./ am 29. November 2020 1 kg Kokain einer unbekannten Person mit dem Skypin „8N4SCI“ zum Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer in H*;

2./ mit Hilfe des verschlüsselten Krypto-Messenger-Dienstes „ANOM“ unter Verwendung der Jabber Identification (JID; Nutzername) „massthan“

a./ im Zeitraum 30. bis 31. Mai 2021 20 kg Marihuana (US 6: Cannabiskraut mit THCA) einer unbekannten Person mit der JID „thinkcircus“ zum Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer im Raum F*;

b./ am 30. Mai 2021 40 kg Marihuana (US 6: Cannabiskraut mit THCA) der Sorte „Amnesia“ unbekannten Personen mit den JID „thinkcircus“, „drewpig“, „poetbring“ sowie „Unclehall“ zum Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer im Raum B*;

c./  im Zeitraum 31. Mai bis 3. Juni 2021 Mengen von 1 kg bis 10 kg kolumbianisches Kokain bester Qualität mit Lagerort M* unbekannten Personen mit der JID „milksing“, JID „sugarauthor“, JID „1dae07“, JID „thinkcircus“, JID „splitbow“, JID „5934b0“, JID „closeeager“, JID „thanport“ und JID „brokensight“ zum anschließenden Weiterverkauf bzw Weitervermittlung an unbekannte Abnehmer;

II./ anderen Interessenten zur Gewahrsams-erlangung vermittelte, nämlich

1./ mit Hilfe des verschlüsselten Krypto-Messenger-Dienstes „SKYECC“ unter Verwendung des Skypins (Nutzername) „GW7DUI“

a./ im Zeitraum 2. bis 8. Jänner 2021 jedenfalls 4 kg Amphetamin an einen namentlich nicht bekannten Abnehmer der unbekannten Person „Marcel“ in Gö*;

b./ im Zeitraum 12. bis 16. Jänner 2021 10 kg Amphetamin an einen namentlich nicht bekannten Abnehmer der unbekannten Person „Marcel“ in Gö*;

2./ mit Hilfe des verschlüsselten Krypto-Messenger-Dienstes „ANOM“ unter Verwendung der Jabber Identification (JID; Nutzername) „massthan“ im Zeitraum 4. bis 6. Juni 2021 5 kg Kokain einem namentlich nicht bekannten Abnehmer in A*.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 8 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung in der Hauptverhandlung gestellter Anträge auf Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten zum Beweis „für die Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ seiner Familie und auf Einholung eines forensischen S achverständigen gutachtens zum Beweis dafür, dass „die Stimme die von der Polizei dem Angeklagten zugeordnet wurde, tatsächlich von einer anderen Person ist“ (ON 89 S 5, 6), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

[5] Weshalb das erstgenannte Beweisthema für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung und bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes geeignet sein sollte, die zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen erfolgversprechend zu bereichern (RIS-Justiz RS0107445, RS0118444 [T2]), machte der Antrag nicht klar. Inwieweit ein Stimmgutachten angesichts des Umstands, dass es sich bei der Kommunikation des Angeklagten mit potentiellen Abnehmern vorwiegend um Chat-, also eben keine Audionachrichten handelt (US 10; ON 69, 70), das behauptete Ergebnis hätte erwarten lassen, ließ der – zu den hievon allenfalls betroffenen Punkten der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe – gänzlich unspezifizierte Antrag offen. Solcherart war er auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS-Justiz RS0118444; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 330).

[6] Die im Rechtsmittel kritisierte Begründung der ablehnenden Entscheidung des Erstgerichts ist im Rahmen der Prüfung des relevierten Nichtigkeitsgrundes nicht maßgeblich (RIS-Justiz RS0116749). Mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot hat weiters das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).

[7] Der Kritik der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist d ie Ableitung der jeweiligen Reinheitsgehalte der Suchtmittel (US 6) aus dem Gutachten ON 69 S 217 ff, den Chatverläufen und dem Erfahrungswert, dass bei Großeinkauf von Suchtgift in der Regel eine sehr gute Qualität vorhanden ist, unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (US 11 – RIS-Justiz RS0098362, RS0098471).

[8] Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 ist gegeben, wenn nicht für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgte, wobei stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis in den Blick zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0099425 [T13]). Entgegen der Kritik (Z 5 erster Fall ) ist dem Urteil klar zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls ab Beginn seiner kriminellen Aktivitäten Mitglied der konstatierten Vereinigung war. Gleiches gilt für die mit dem objektiven Tatbild korrespondierende subjektive Tatseite (US 5 bis 7).

[9] Soweit die Beschwerde (Z 8) weiters unzulässiges Überraschen des Angeklagten durch eine ihm nicht bekannte Notorietät behauptet, übergeht sie, dass bereits die Anklage von denselben Reinheitsgehalten (ON 74 S 9, 11 f) ausgeht und dies dem Beschwerdeführer (bei deren Zustellung und) anlässlich des Anklagevortrags (ON 89 S 2) zur Kenntnis gebracht wurde (RIS-Justiz RS0119094 [T7, T8, T9]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 463).

[10] Die Sanktionsrüge wendet ein (Z 11 dritter Fall), das Erstgericht habe zwar die lange Verfahrensdauer als mildernd gewertet (US 14), aber keine zahlenmäßig überprüfbare Reduktion der Freiheitsstrafe vorgenommen.

[11] Hat aber das Erstgericht den Milderungsgrund unverhältnismäßig langer Verfahrensdauer ohne dies angenommen und eine dadurch bewirkte Strafreduktion explizit in Rechnung gestellt, ist dabei aber eine rechnerische Spezifizierung derselben unterlieben, so zieht das keine Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs nach sich, sondern verwirklicht (nur) einen Berufungsgrund (RIS Justiz RS0114926 [T5]).

[12] Rekurrierend auf den Erschwerungsgrund zweier einschlägiger Vorstrafen (US 14) behauptet die weitere Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil eine Vorstrafe zur Begründung der Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 1 SMG herangezogen worden sei. Damit kritisiert die Rüge nur die Anzahl der als erschwerend gewerteten Vorstrafen und bezieht sich damit auf das Gewicht des – selbst nach dem Beschwerdestandpunkt zu Recht angenommenen – Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB, womit auch hier bloß ein Berufungsvorbringen zur Darstellung gebracht wird (RIS Justiz RS0116878; vgl im Übrigen US 13, 14).

[13] D ie Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise