15Os125/22d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Lung in der Strafsache gegen * M* und * Mo* wegen Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 7 U 85/22m des Bezirksgerichts Leopoldstadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 29. September 2022, GZ 7 U 85/22m 22, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, sowie des Verurteilten * M* zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 29. September 2022, GZ 7 U 85/22m 22, verletzt im Schuldspruch des Angeklagten * M* wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG § 4 Abs 3 erster Satz und § 267 StPO, sowie im Strafausspruch § 19 Abs 3 zweiter Satz StGB.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Schuldspruch ersatzlos sowie im Strafausspruch betreffend diesen Angeklagten aufgehoben.
* M* wird für das ihm nach dem genannten Urteil weiterhin zur Last liegende Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB gemäß § 287 Abs 1 zweiter Satz iVm § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 6 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen verurteilt.
Text
Gründe:
[1] In der Strafsache AZ 7 U 85/22m des Bezirksgerichts Leopoldstadt legte die Staatsanwaltschaft Wien mit Strafantrag vom 6. April 2022, AZ 193 BAZ 234/22d (ON 12), den Angeklagten 1./ * M * und 2./ * Mo* als Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 83 Abs 1) StGB beurteiltes Verhalten zur Last.
[2] In der Hauptverhandlung am 21. Juli 2022 wurde von der Anklagebehörde der Strafantrag gegen * Mo* in Richtung § 50 Abs 1 Z 2 WaffG ausgedehnt, weil „der Zweitangeklagte eine verbotene Waffe nach § 17 Abs 1 Z 6 WaffG mit sich getragen hat“ (ON 16 S 9).
[3] Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 29. September 2022, GZ 7 U 85/22m 22, wurden * M* und * Mo* jeweils des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 83 Abs 1) StGB, der Erstangeklagte M* überdies des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt.
[4] Nach dem Schuldspruch haben sich M * und M o* am 24. Oktober 2021 in W*, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch Handlungen begangen, die ihnen außer diesem Zustand als Vergehen zugerechnet würden, nämlich im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter auch mit anderen unbekannt gebliebenen Tätern, andere am Körper verletzt, indem sie auf diese einschlugen, und zwar
I. * K*, w elcher eine Schädelprellung mit drei Rissquetschwunden der linken Scheitelregion und der Hinterhauptsregion, Prellungen und Hautabschürfungen erlitt,
II. * H*, w elcher Prellungen des Kopfes und des rechten Jochbeins sowie eine Rissquetschwunde auf der Stirn erlitt,
III. * S*, w elcher eine Prellung des Kopfes mit Abschürfungen, Prellungen des linken Fußes und des Unterkiefers und eine Rissquetschwunde am rechten Scheitelbein erlitt.
[5] Der Erstangeklagte M* wurde überdies schuldig erkannt, er habe am 24. Oktober 2021 in W*, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt einen Schlagring, somit eine verbotene Waffe (§ 17 Abs 1 Z 6 WaffG), besessen, indem er diesen mit sich getragen hat.
[6] M* wurde hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 287 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen zu je 6 Euro verurteilt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser verhängten Geldstrafe wurde eine Ersatzfreiheitsstrafe von 175 Tagen festgesetzt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufzeigt, stehen der Schuldspruch des M* wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG sowie der ihn betreffende Strafausspruch mit dem Gesetz nicht in Einklang:
[8] I./ Nach Art 90 Abs 2 B VG gilt im Strafverfahren der Anklageprozess. Zufolge der gemäß § 447 StPO auch im bezirksgerichtlichen Verfahren geltenden Bestimmung des § 267 StPO ist das Gericht an die Anträge des Anklägers insoweit gebunden, dass es den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären kann, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde. Gemäß § 4 Abs 3 erster Satz StPO hat die Entscheidung des Gerichts die Anklage zu erledigen, darf sie jedoch nicht überschreiten.
[9] Vorliegend wurde M* jedoch des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt, obwohl diesbezüglich keine Anklage gegen ihn vorlag. Diese richtete sich vielmehr gegen Mo*, zu dem aber diesbezüglich keine Entscheidung des Bezirksgerichts erging.
[10] II./ Gemäß § 19 Abs 3 zweiter Satz StGB hat bei der für den Fall der Uneinbringlichkeit festzusetzenden Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tagessätzen zu entsprechen. Entgegen dieser Bestimmung setzte das Bezirksgericht, das über M* eine Geldstrafe von 250 Tagessätzen verhängte, die Ersatzfreiheitsstrafe mit 175 Tagen fest.
[11] Da von einer für den Angeklagten M* nachteiligen Auswirkung des verfehlten Schuldspruchs nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG sowie auch des Strafausspruchs auszugehen ist, sah sich der Oberste Gerichtshofs – wie aus dem Spruch ersichtlich – veranlasst die Feststellung der Gesetzesverletzungen mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).
[12] Bei der damit erforderlichen Strafneubemessung wertete der Senat die Verletzung von drei Personen erschwerend, den bisher ordentlichen Lebenswandel des Verurteilten jedoch mildernd.
[13] Davon ausgehend (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) war auf der Basis der Schuld des Verurteilten (§ 32 Abs 1 StGB) die im Spruch genannte Strafe angemessen.
[14] Die Höhe des Tagessatzes war auf der Basis der Einkommens und Vermögensverhältnisse des Angeklagten, der – eigenen Angaben zufolge – ein monatliches Nettoeinkommen von 1.900 Euro bezieht, über kein Vermögen verfügt und den keine Sorgepflichten treffen, mit dem im Spruch genannten Betrag festzusetzen (vgl im Übrigen RIS Justiz RS0090291).
[15] Die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe gründet sich auf § 19 Abs 3 StGB.