12Os12/23s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Februar 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. November 2022, GZ 38 Hv 81/22m 56, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 6. Juni 2022 in * eine wehrlose Person, die unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf vornahm, indem er mit der unter massivem Alkoholeinfluss stehenden, schlafenden bzw kurzzeitig aus dem Schlaf erwachenden * G* den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter das Ergebnis der chemisch toxikologischen Untersuchung, wonach beim Opfer keine Alkoholisierung festgestellt werden konnte (ON 11.2), ausdrücklich berücksichtigt (US 10).
[5] Die Ableitung der Feststellungen zur Alkoholisierung des Opfers im Tatzeitpunkt (US 10 f) aus der Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des Opfers (US 10) widerspricht weder Gesetzen folgerichtigen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS-Justiz RS0116732; vgl im Übrigen RS0102727 [T1]).
[6] Gleiches gilt bezüglich der Begründung der subjektiven Tatseite (US 6) unter Hinweis auf die Verantwortung des Beschwerdeführers und den Geschehensablauf (US 9).
[7] Mit dem Vorbringen, es handle sich dabei nicht um eine „ausreichende Begründung“, wird die behauptete Nichtigkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zur Darstellung gebracht.
[8] Weshalb in den im Urteil aufgezeigten Abweichungen innerhalb der Verantwortung des Angeklagten (US 8 ff) ein Widerspruch im Sinn der Z 5 dritter Fall (vgl dazu RIS-Justiz RS0117402; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 437) liegen sollte, bleibt unklar.
[9] Entgegen der Beschwerdebehauptung (Z 5 erster Fall) ist die Feststellung, wonach das Opfer aufgrund seines „betrunkenen, schlafenden bzw schlaftrunkenen Zustands“ nicht fähig war, die Bedeutung des durchgeführten Geschlechtsverkehrs einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (US 6), keineswegs undeutlich.
[10] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen zur Aussage des Opfers und zum chemisch-toxikologischen Gutachten beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0119583, RS0118780). Vielmehr wendet sie sich bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
[11] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zur sexuellen Selbstbestimmungsunfähigkeit des Opfers. Damit orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an den gerade dazu getroffenen Konstatierungen (US 6; RIS-Justiz RS0099810).
[12] Auch mit der Behauptung, beim Angeklagten hätte ein „vorsatzausschließender Tatbildirrtum“ vorgelegen, erschöpft sich die Rüge entgegen der Prozessordnung in der Bestreitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 6).
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[14] Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.