12Os3/23t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Februar 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * B* und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * B* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. Juli 2022, GZ 111 Hv 9/22b 90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten * B* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * B* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 25. September 2021 in K* durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe Berechtigten der J* Tankstelle fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem er maskiert das Verkaufslokal betrat, den Lauf einer Gasdruckpistole der Marke „Beretta“ präsentierte, den Angestellten * W* zur Herausgabe des in der Kasse befindlichen Bargelds aufforderte und sich einen Bargeldbetrag von 920 Euro zueignete.
Rechtliche Beurteilung
[3] Ausschließlich gegen den dargestellten Schuldspruch II./ und den Sanktionsausspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * B*.
[4] Die Mängelrüge (Z 5) zeigt mit dem Hinweis darauf, dass das Erstgericht d ie Verantwortung des Drittangeklagten * W* in Bezug auf die dem Schuldspruch II./ zugrunde liegende Tat als glaubwürdig erachtete (US 13), dessen leugnende Verantwortung in Bezug auf die den Genannten betreffenden Schuldspruch III./ wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB zugrunde liegenden Tat hingegen als unglaubwürdig verwarf (US 18 f), keinen Begründungsmangel auf (vgl RIS Justiz RS0098372).
[5] Die Kritik, das Erstgericht habe diese differenzierende Beweiswürdigung „mit Stillschweigen“ übergangen (nominell Z 5 zweiter Fall), bleibt unverständlich.
[6] Die Feststellungen zu der zwischen * O* und * B* (ursprünglich) verabredeten gemeinsamen Ausführung eines Raubes, wonach * B* das Mitkommen des * O* in die Tankstelle mit der Begründung ablehnte, * W* würde ihn besser erkennen und somit keine Angst haben (US 7), und die Feststellung, wonach * B* bei dem in der Folge von ihm alleine verübten Raub durch das Herzeigen der Gasdruckpistole unter Verwendung einer Waffe mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben drohte und dies auch wollte (US 8), stehen entgegen der Beschwerdebehauptung (Z 5 dritter Fall) nicht miteinander in Widerspruch.
[7] Dass der Angeklagte nach den Feststellungen einerseits durch Zeigen der in seinem Hosenbund steckenden Waffe (US 8 erster Absatz und US 21), andererseits durch Präsentieren des Laufs der Gasdruckpistole drohte (US 8 zweiter Absatz), betrifft entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 5 dritter Fall) mangels Relevanz für die Beantwortung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage keine entscheidende Tatsache (zum Begriff vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 ff; zu m Begriff des Verwendens einer Waffe beim Raub vgl Eder Rieder in WK 2 StGB § 143 Rz 12).
[8] Aktenwidrig i m Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431). Mit der Behauptung, in der Beschwerde näher angeführte Beweisergebnisse würden die Feststellung, wonach der Angeklagte beim Raub eine Gasdruckpistole der Marke „Beretta“ verwendete, nicht tragen, wird gerade kein Fehlzitat behauptet.
[9] Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (RIS Justiz RS0119583). Indem sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen das vom Erstgericht festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers und des Opfers als „gänzlich lebensfremd“ zu bezeichnen, verfehlt er den dargestellten Anfechtungsrahmen.
[10] Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a) orientiert sich mit der Behauptung, das Opfer sei bereits durch das – der Drohung vorangegangene in rechtlicher Hinsicht nicht als Gewalt zu qualifizierende – Anstoßen mit dem Fuß (US 8) zur Herausgabe des Geldes entschlossen gewesen, nicht an den gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 8). Solcherart verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell rechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).
[11] Gleiches gilt, soweit die Rüge (der Sache nach Z 10) den Vorsatz auf Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe (US 8) bestreitet.
[12] Mit der Spekulation, aufgrund der Verweigerung „auch nur einer teilbedingten Strafnachsicht“ unter Hinweis auf die §§ 43 Abs 1, 43a StGB (US 23) sei nicht auszuschließen, dass „die verhängte Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren nicht dem tatsächlichen Willen des Schöffensenates entspr icht“, wird Nichtigkeit im Sinn der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO nicht zur Darstellung gebracht.
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[14] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[15] Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.