2Ob8/23z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*, vertreten durch Kinberger Schuberth Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei B* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Raits Bleiziffer Hawelka Piralli Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 9.480 EUR sA, über die Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2022, GZ 53 R 166/22a 15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. Juni 2022, GZ 13 C 3/22g 10, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zur Gänze, einschließlich der Kostenentscheidung, wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.215,48 EUR (darin enthalten 202,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.263,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR USt und 762 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger kontaktierte im Herbst 2019 die beklagte Sparkasse wegen eines Kreditvertrags zur Finanzierung eines geplanten (privaten) Wohnungskaufs. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger, der sein Einkommen (auch) aus Vermietung und Verpachtung bezieht, beim Finanzamt eine Abgabenschuld in der Höhe von über 22.000 EUR. Diese Schuld resultierte aus einer Betriebsprüfung, wobei das Finanzamt dem Kläger eine bereits geltend gemachte Vorsteuer rückwirkend aberkannte, ihm aber eine Ratenzahlung bewilligte.
[2] Im Rahmen der Bonitätsprüfung durch die Beklagte wurde der Kläger von der Finanzberaterin der Beklagten allgemein über Verbindlichkeiten gefragt, wobei er seine Abgabenschulden nicht angab. Er füllte das Formular der Beklagten vielmehr dahin aus, dass keine aufrechten Kreditverbindlichkeiten bestünden. Der Kläger bestätigte im Formular auch, dass seine Angaben vollständig und nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wurde. Er legte der Beklagten auch Kontoauszüge der letzten zwei oder drei Monate zur Prüfung vor, die Finanzberaterin holte eine KSV Auskunft ein. Ihr fiel auf, dass der Kläger monatlich 500 EUR an das Finanzamt überwies. Sie schloss daraus aber nicht, dass es sich um eine Ratenzahlung handeln könnte und hinterfragte diese Kontobewegung nicht weiter.
[3] Nach Prüfung der Bonität des Klägers gab die Beklagte eine „ vorläufige Finanzierungszusage “ ab. Darin wies die Beklagte auf die Prüfung der bisher vorliegenden Informationen und Unterlagen hin und kündigte eine verbindliche Zusage nach positiver Beurteilung der erforderlichen Kriterien an. Für diese Beurteilung würde die Beklagte noch die Bekanntgabe eines (die Finanzierung abwickelnden) Treuhänders (Notar oder Rechtsanwalt) und die Vorlage eines verbücherungsfähigen Kaufvertrags über 294.000 EUR benötigen. Aufgrund dieser Zusage kaufte der Kläger die Wohnung, wobei er sich gegenüber der Verkäuferin für den Fall des Rücktritts zur Zahlung einer Konventionalstrafe von 8.820 EUR (= 3 % des Kaufpreises) verpflichtete.
Wenige Tage danach erhielt die Beklagte als Drittschuldnerin vom Finanzamt * einen Bescheid über die nach der AbgEO erfolgte Pfändung einer Geldforderung des Klägers zur Hereinbringung seiner offenen Abgabenschulden in Höhe von 22.755,60 EUR. Die Beklagte widerrief wegen dieser Pfändung die vorläufige Zusage. Nach den Richtlinien der Beklagten dürfen im Rahmen der Bonitätsprüfung keine sogenannten Negativmerkmale vorliegen, die jünger als sieben Jahre sind, wozu auch Exekutionen zählen.
Der Kläger musste den Kaufvertrag mangels Finanzierung rückabwickeln und deshalb auch die Konventionalstrafe an die Verkäuferin zahlen.
Der Kläger begehrt Schadenersatz von 9.480 EUR (8.820 EUR Konventionalstrafe, 560 EUR für Zinsen 100 EUR wegen pauschaler Unkosten). Aufgrund der vorläufigen Finanzierungszusage habe er die Finanzierung für gesichert gehalten und deshalb den Kaufvertrag geschlossen. Von der Beklagten sei suggeriert worden, dass eine verbindliche Finanzierungszusage nur mehr Formsache sei. Mangels Finanzierung sei der Kläger vom Kaufvertrag zurückgetreten und habe die Konventionalstrafe zahlen müssen. Die beklagte Partei sei ihren vertraglichen Sorgfalts- und Nebenpflichten in Form der Erteilung einer endgültigen Finanzierungszusage bei Erfüllung der Bonitätszusagen nicht nachgekommen.
[4] Die Beklagte wandte ein, dass nach ihrem internen Regelwerk die Exekution des Finanzamtes ein Negativmerkmal für die Finanzierung erfüllte, sodass eine Kreditvergabe nicht mehr zulässig gewesen sei. Sie sei verpflichtet gewesen, die vorläufige Zusage wegen Verschlechterung der Bonität zu widerrufen. Den Kläger treffe am entstandenen Schaden das Allein- bzw ein Mitverschulden. Er habe es verabsäumt, die schon bei Stellung des Finanzierungsantrags bestehenden Verbindlichkeiten beim Finanzamt bzw die daraus resultierenden monatlichen Zahlungsverpflichtungen bekanntzugeben.
[5] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe nur eine vorläufige Kreditzusage erteilt. Es sei eindeutig, dass durch die Pfändung die Bonität des Klägers neu zu beurteilen gewesen sei. Die Finanzierung scheiterte letztendlich allein aus Gründen, die nur dem Kläger zuzurechnen seien.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und sprach diesem Schadenersatz in der Höhe der halben Konventionalstrafe zu. Die Abweisung des Mehrbegehrens (einschließlich des Zinsschadens und der pauschalen Unkosten) wurde bestätigt. Ungeachtet ihres Wortlauts liege keine „vorläufige“ Zusage vor. Die Beklagte habe die der Zusage zugrundeliegende Prüfung nicht sorgfältig durchgeführt. Den Kläger treffe wegen der Verheimlichung seiner Abgabenschulden ein gleichteiliges Mitverschulden.
[7] Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels Rechtsprechung zur Haftung einer Bank im Zusammenhang mit einer Bonitätsprüfung und Finanzierungszusage zu. Auch die Frage eines Mitverschuldens des potentiellen Kreditnehmers im Zusammenhang mit der Verheimlichung einer Abgabenschuld erfülle die Qualität einer erheblichen Rechtsfrage.
[8] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Streitteile.
[9] Der Kläger bekämpft den abweisenden Teil der Entscheidung und beantragt die Abänderung im Sinn der gänzlichen Stattgebung der Klagebegehren, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Die Revision der Beklagten richtet sich gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteils mit dem Antrag, die Klage zur Gänze abzuweisen. Hilfsweise stellt auch die Beklagte einen Aufhebungsantrag.
[11] Beide Streitteile beantragen jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
[12] Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt. Hingegen ist die Revision des Klägers entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Zur Revision der Beklagten:
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Beklagte wirft Fragen zum Umfang der Bonitätsprüfung durch den Kreditgeber nach § 9 HIKrG auf.
[14] 1. Diese Bestimmung gilt für Verbraucherkreditverträge iSd § 5 Abs 1 HIKrG. Die Revisionen treten der Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht entgegen, dass im Anlassfall ein solcher Kreditvertrag vorliegt und der Kläger (ungeachtet seiner selbständigen Tätigkeit im Immobilienbereich) gegenständlich nur zu privaten Zwecken handelte (vgl dazu zB Hofer , Hypothekar- und Immobilienkreditverträge mit Verbrauchern [2020] 23 ff).
[15] 2. Vor Abschluss eines Kreditvertrags hat der Kreditgeber nach § 9 Abs 1 HIKrG eine eingehende Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vorzunehmen. Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung sind die Faktoren, die für die Prüfung der Aussichten relevant sind, dass der Verbraucher seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachkommt, in angemessener Form zu berücksichtigen. Den Kreditgeber trifft eine (in § 9 HIKrG näher geregelte) aktive Ermittlungspflicht, deren konkretes Ausmaß aber in jedem Fall von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig ist (vgl 8 Ob 76/16h zum diesbezüglich vergleichbaren § 7 Abs 1 VKrG). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO grundsätzlich nur dann offen, wenn dem Berufungsgericht bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.
3. Ein solcher Fall liegt hier aus folgenden Erwägungen vor:
[16] 3.1. Das Berufungsgericht warf der Beklagten vor, dass diese die vorläufige Zusage in Erfüllung ihrer Pflicht zur Bonitätsprüfung nicht sorgfältig abgegeben habe. Die Kontoauszüge der letzten zwei bis drei Monate hätten Überweisungen des Klägers an das Finanzamt gezeigt, die von der Beklagten nicht ausreichend kontrolliert worden seien. Aus diesem Grund sei die Abgabenschuld zu spät aufgekommen.
[17] 3.2. Die Beklagte musste entgegen der Ansicht des Berufungsurteils aufgrund der aus den Kontoauszügen ersichtlichen (zwei oder drei) Zahlungen an das Finanzamt nicht auf eine Ratenzahlungsvereinbarung aufgrund einer Abgabenschuld des Klägers in der Höhe von über 22.700 EUR schließen. Dies insbesondere deshalb nicht, weil der Kläger selbstständig erwerbstätig war, sodass Zahlungen an das Finanzamt – etwa mit Blick auf mögliche Abgabenvorauszahlungen – per se nicht ungewöhnlich wären.
[18] 3.3. Entscheidende Bedeutung kommt im Anlassfall dem Umstand zu, dass der Kläger die Abgabenschuld gegenüber der Beklagten verschwieg, obwohl er nach Verbindlichkeiten gefragt wurde.
[19] 3.3.1. Die Bonitätsprüfung des Kreditgebers darf nämlich nicht isoliert von den Mitwirkungspflichten des Kreditnehmers betrachtet werden. Der Verbraucher hat bei der Beschaffung der vorvertraglichen Informationen zur Kreditwürdigkeitsprüfung mitzuwirken (§ 10 Abs 2 HIKrG). Demnach muss er „korrekte Angaben“ machen, wobei diese „Angaben so vollständig sein müssen“, damit eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung möglich ist.
[20] 3.3.3. Der Kläger hat gegen diese Mitwirkungspflicht verstoßen, weil er die Abgabenschulden verschwiegen hat. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass im Formular der Beklagten nur „Kreditverbindlichkeiten“ auszufüllen waren und die Sachbearbeiterin der Beklagten mit dem Kläger nicht explizit über „Abgabenschulden“ gesprochen hat. Der Kläger wurde jedenfalls nach „Verbindlichkeiten“ gefragt. Bereits das hätte ihn veranlassen müssen, die offenen und nicht unbeträchtlichen Finanzschulden gegenüber der Beklagten offenzulegen.
[21] 3.3.4. Aufgrund des Umstands, dass die Abgabenschulden des Klägers für die Beklagte nicht erkennbar waren und vom Kläger (ungeachtet der aufgezeigten Mitwirkungspflicht) verschwiegen wurden, haftet die beklagte Partei mangels einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Kreditwürdigkeitsprüfung nicht für den Schaden des Klägers wegen der Konventionalstrafe nach dem Rücktritt vom Kaufvertrag. Für den unredlich handelnden Kläger bestand in diesem Zusammenhang zudem kein Anlass, auf die (als solche bezeichnete) „vorläufige Finanzierungszusage“ zu vertrauen.
[22] 4. Aus diesen Erwägungen ist der Revision der Beklagten Folge zu geben und die zur Gänze abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Zur Revision des Klägers:
[23] 5.1. Der Kläger erachtet die Bejahung einer Verletzung seiner Mitwirkungspflichten durch das Berufungsgericht als grobe Fehlbeurteilung. Hierzu kann der Kläger auf die Ausführungen zur Revision der Beklagten verwiesen werden. Bei dieser Beurteilung zeigt die Revision des Klägers keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung auf.
[24] 5.2. Die vom Kläger gerügte Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Annahme einer Unschlüssigkeit hinsichtlich des Zinsschadens von 650 EUR und der pauschalen Unkosten von 100 EUR liegt schon deshalb keine Überraschungsentscheidung durch das Berufungsgericht, weil die mangelnde Nachvollziehbarkeit dieser Beträge bereits von der Beklagten im Einspruch gerügt wurde, was eine Anleitung entbehrlich macht (RS0122365). Entgegen der klägerischen Revision lässt sich weder aus dem Vorbringen noch aus den Feststellungen ein Zinsschaden von 560 EUR ableiten, zumal offenblieb, wann die Zahlung erfolgt ist (bzw erfolgen hätte können).
[25] 5.3. Die Revision des Klägers ist somit ungeachtet der Zulassung durch das Berufungsgericht zurückzuweisen.
[26] 6. Die Kostenentscheidung für das Berufungs- und Revisionsverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat für ihre Revisionsbeantwortung keine Kosten verzeichnet.