3Ob15/23m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*GmbH, *, vertreten durch UGP Ullmann Geiler und Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei D*, vertreten durch Rechtsanwälte Stock Endstrasser in Kitzbühel, wegen 50.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2022, GZ 3 R 53/22a 28, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht wies das auf Zahlung einer Kaufpreisdifferenz für eine auftragsgemäß verkaufte Wohnung und auf Schadenersatz für entgangenen Mietzins sowie abhanden gekommenes Mobiliar für ein zweites Objekt gerichtete Zahlungsbegehren der Klägerin ab.
Rechtliche Beurteilung
[2] Mit ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[3] 1. Nach ständiger Rechtsprechung wirft die Vertragsauslegung im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf und die Revision ist daher nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht von den allgemeinen Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung abweichend zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (vgl RS0042776; RS0042936; RS0042555).
[4] 2. Nach der schriftlichen Vereinbarung sollte der Beklagte für die beiden Wohnungen, die er der Klägerin (bzw deren Prokuristen) zum Verkauf auf deren Rechnung übergab, einen bestimmten Preis dafür „fix und spesenfrei“ erhalten. Das Berufungsgericht legte diese Vereinbarung dahin aus, dass der Beklagte nach dem Verkauf der Wohnungen genau diesen Betrag erhalten sollte und nicht davon noch die Immobilienertragsteuer abzuziehen wäre. Einen Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze oder ein unvertretbares Ergebnis vermag die Klägerin nicht aufzuzeigen: Ihr Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 2 Abs 3 Z 7, 29 Z 2 und 30 EStG sowie darauf, dass diese Steuer zu den „mit dem Verkauf einer Liegenschaft entstehenden Kosten“ zählt, lässt sich ebenso dafür ins Treffen führen, dass die Parteien durch die vertragliche Übernahme „aller Kosten“ und die Formulierung, dass der Beklagte den festgelegten Preis für die Wohnungen „fix und spesenfrei“ erhalten sollte, regeln wollten, dass die Klägerin auch diese „Kosten des Verkaufs“ tragen sollte. Bei dem von ihr auf ihre Rechnung vorzunehmenden Verkauf konnte die Klägerin (bzw ihr Prokurist) diesen Aufwand auch entsprechend berücksichtigen. Der Umstand allein, dass in den zu übernehmenden Kosten ( „alle anfallenden Kosten, die mit [...] dem Verkauf [...] entstehen“ ) die Immobilienertragsteuer nicht gesondert erwähnt ist, macht die Auslegung nicht unvertretbar. Auch aus der Bezugnahme auf die Unklarheitenregel des § 915 ABGB lässt sich für den Standpunkt der Klägerin nichts gewinnen, weil diese nach ständiger Rechtsprechung nur dann heranzuziehen ist, wenn der Inhalt einer unklaren und zweifelhaften Äußerung mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB nicht ermittelt werden kann (vgl RS0017951), welche Voraussetzung das Berufungsgericht ohne Verkennung von Auslegungsgrundsätzen verneinte.
[5] 3. Auch die Auslegung der Vereinbarung über ein bloß befristetes „Eintrittsrecht“ der Klägerin bzw von dessen Prokuristen persönlich begegnet keinen Bedenken: Das Berufungsgericht kam – ebenso wie schon das Erstgericht – zu dem Schluss, dass nach dem Ziel der Vereinbarung die beiden dem Beklagten gehörenden Eigentumswohnungen bis Ende November 2019 verkauft sein sollten, und dass sich aus dem Gesamtverhalten der Parteien ergebe, dass ein „Eintritt“ oder eine Übernahme der nicht fristgerecht verkauften Wohnung in unmittelbarer Zeitnähe zum 30. November 2019 vorzunehmen gewesen wäre. Auf einen bereits erfolgten „Eintritt“ hat sich die Klägerin allerdings nie gestützt, sondern sie geht (nach wie vor) von einem unbefristeten Recht zur Nutzung und Ankaufsmöglichkeit aus, für das sich im Wortlaut der Vereinbarung allerdings kein Anhaltspunkt findet. Fest steht, dass der Prokurist der Klägerin, mit dem der Beklagte korrespondierte, um eine „Fristverlängerung“ bis Ende Jänner 2020 ersuchte, zu der eine Antwort des Beklagten zwar nicht festgestellt werden konnte, aus der sich aber ebenfalls ein Verständnis einer bloß befristeten Möglichkeit zum Erwerb ergibt. Wenn die Klägerin meint, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang § 918 ABGB „in unvertretbarer Weise unangewendet“ gelassen, so ist nicht nachvollziehbar, wie sie damit eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen möchte.
[6] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).