11Os9/23t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen * Y* und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Z 3, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * M* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 13. Oktober 2022, GZ 8 Hv 32/22p-54, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch, demgemäß im Strafausspruch, de s M* (einschließlich der Vorhaftanrechnung) auf gehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landes gericht Eisenstadt verw iesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte M* hierauf verwiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten * Y* zweier (1./ und 2./) und * M* eines (2./) Verbrechen(s) der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Z 3, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.
[2] Danach haben sie – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – (2./) am 24. Juli 2022 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter unter Mitwirkung zweier unbekannter Täter die rechtswidrige Einreise von Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich und einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie die Tat in Bezug auf mindestens drei Fremde und auf eine Art und Weise, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, sowie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung begingen, indem sie 19 ausländische und nicht zum Aufenthalt in der EU berechtigte Personen aus Indien bzw Bangladesch auf der Ladefläche des von Y* als Fahrer gelenkten und mit M* als Beifahrer besetzten Kastenwagens einsteigen ließen und die während einer mehrstündigen Fahrt unter äußerst beengten Platzverhältnissen im Fahrzeug eingepferchten Fremden ohne Verpflegung, Pausen, Frischluftzufuhr und Tageslicht (von Rumänien [US 5]) über Ungarn bis nach Österreich verbrachten.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*.
[4] Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die – im Übrigen als einzige eine Ausführungs- bzw Förderungshandlung des M* (vgl RIS-Justiz RS0117320; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 26 ff) ansatzweise zum Ausdruck bringende – Feststellung, „Die beiden Angeklagten ließen 19 Personen indischer, bangladeschischer sowie pakistanischer Staatsangehörigkeit in die Ladefläche des Fahrzeugs einsteigen, fuhren mit diesen nach Österreich und wollten diese im Wiener Umland absetzen“ (US 5), unzureichend begründet geblieben ist.
[5] Konkret auf die angefochtene Konstatierung bezogene Erwägungen des Schöffensenats enthält das Urteil nicht (vgl aber Danek/Mann , WK-StPO § 270 Rz 38). Den beweiswürdigenden Ausführungen ist in Bezug auf die Verwirklichung des Grundtatbestands der Schlepperei in objektiver Hinsicht neben der Bewertung von Aussagen des M* als unglaubwürdig (US 7) nur zu entnehmen, dass dessen Verantwortung vor der Polizei und der Haft- und Rechtsschutzrichterin (ON 3.2 und ON 12) gefolgt wurde (US 8). Die betreffenden Protokolle beinhalten allerdings keine Aussage, die die angesprochene Feststellung stützen würde (selbst die Frage, ob die Seitentür zum Laderaum durch Y* oder M* geöffnet wurde, blieb offen [ON 3.2 S 5]). Ebensowenig wurde erörtert, dass nach dem Urteilssachverhalt selbst der Angeklagte Y* erst während einer (unbedenklichen) Transportfahrt – bei der ihn der Nichtigkeitswerber zwecks Einschulung als LWK Fahrer begleitete – den Schlepperauftrag erhielt und seinem Beifahrer kurz vor Aufnahme der Fremden in einem Wald in Rumänien (!) davon Mitteilung machte (US 4 f).
[6] Da bereits dieses Begründungsdefizit die Aufhebung des Schuldspruchs des Beschwerdeführers erfordert, kann dessen weiteres Vorbringen auf sich beruhen.
[7] In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.