3Nc1/23m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache der betroffenen Person D*, AZ 4 P 37/22g des Bezirksgerichts Ried im Innkreis, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Bezirksgericht Ried im Innkreis zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Am 2. Dezember 2022 übertrug das Bezirksgericht Ried im Innkreis die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien, weil sich der Betroffene laut Meldeauskunft jetzt ständig im 3. Bezirk in Wien aufhalte (ON 60). Nachdem der Erwachsenenvertreter dem Gericht mitteilte, dass es sich um seine Anschrift handle, der Betroffene derzeit obdachlos sei und vorläufig in einer Notschlafstelle in Wien Meidling nächtige, übermittelte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt dem Bezirksgericht Ried im Innkreis zurück (ON 61).
[2] Mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 übertrug das Bezirksgericht Ried im Innkreis die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Meidling. Es ersuchte das Bezirksgericht Meidling um Zustellung des Übertragungsbeschlusses (ON 63).
[3] Das Bezirksgericht Meidling übermittelte den Akt dem Bezirksgericht Ried im Innkreis am 22. Dezember 2022 mit dem Hinweis darauf zurück, dass es sich bei der Notschlafstelle um keinen dauernden Aufenthalt handle, weshalb der Akt nicht übernommen werden könne (ON 64). Eine Zustellung des Übertragungsbeschlusses ON 63 erfolgte nach der Aktenlage nicht.
[4] Das Bezirksgericht Ried im Innkreis legte den Akt mit Beschluss vom 13. Jänner 2023 dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 111 JN vor.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Vorlage ist verfrüht.
[6] Übertragungsbeschlüsse nach § 111 JN sind durch die Parteien anfechtbar (RS0046981). Ohne rechtskräftigen Übertragungsbeschluss nach § 111 Abs 1 JN kommt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nach § 111 Abs 2 JN nicht in Betracht (RS0047067). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das für die Entscheidung über einen Rekurs gegen den Übertragungsbeschluss zuständige Gericht mit dem zur Genehmigung nach § 111 Abs 2 JN berufenen Gericht nicht identisch ist; andernfalls könnte eine Verschiebung der funktionellen Zuständigkeit eintreten, weil mangels Bestätigung des Übertragungsbeschlusses durch das Rekursgericht gar keine Grundlage für die Genehmigung einer Zuständigkeitsübertragung durch den Obersten Gerichtshof bestünde (RS0047067 [T8]). Behebt das Rekursgericht den Übertragungsbeschluss, so ist endgültig über die Unzulässigkeit der Übertragung entschieden. Wird der Übertragungsbeschluss hingegen rechtskräftig bestätigt, so bedarf es dagegen der Genehmigung des übergeordneten Gerichts.
[7] Der Akt ist daher dem übertragenden Gericht zur Zustellung des Beschlusses an die Parteien zurückzustellen. Nur wenn der Übertragungsbeschluss – allenfalls nach Überprüfung im Instanzenzug – in Rechtskraft erwachsen ist, wird der Akt erneut zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vorzulegen sein.