3Ob226/22i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* N*, vertreten durch Mag. Martin Nemec, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) A* Y*, und 2) E* Y*, ebendort, beide vertreten durch Dr. Michael Koth, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wegen 6.952,40 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 22. Februar 2022, GZ 21 R 234/21s 60, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 6. August 2021, GZ 33 C 230/19x 49, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Oktober 2021, GZ 33 C 230/19x 55, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 688,92 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte von den Beklagten eine Liegenschaft samt Baulichkeiten zum Kaufpreis von 350.000 EUR. Der Kaufvertrag enthält folgende Bestimmung:
„V. Gewährleistung
...
7. Der Verkäufer verpflichtet sich weiters anlässlich der Kaufvertragsunterfertigung durch sämtliche Vertragsparteien, die Baufertigstellungsanzeige an den Kläger zu übergeben. Sollte anlässlich der Kaufvertragsunterfertigung die Baufertigstellungsanzeige nicht übergeben werden, reduziert sich der Kaufpreis vereinbarungsgemäß um 10.000 EUR.“
[2] Diese Bestimmung wurde deshalb in den Kaufvertrag aufgenommen, weil das Fehlen der Baufertigstellungsanzeige finanzielle Folgen für den Kläger haben konnte. Tatsächlich sind dem Kläger durch die verspätete Vorlage der Baufertigstellungsanzeige (erst im September 2019 anstatt am 20. 2. 2018) keine Nachteile entstanden und solche werden auch in Zukunft nicht eintreten.
[3] Über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur genaueren Abgrenzung zwischen Konventionalstrafe und bedingtem Preisnachlass höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
[4] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.
[5] 1. Die Vertragsstrafe ist ein pauschalierter Schadenersatz aus einer vertraglichen Pflichtverletzung (Vertragsverletzung) oder wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung des Vertrags (vgl RS0032013; 7 Ob 67/17d). Durch sie wird der aus der Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrags oder aus einer sonstigen Vertragsverletzung resultierende (potentielle) künftig eintretende Schaden substituiert. Auslösendes Moment für die Pflicht zur Leistung der Konventionalstrafe ist das schuldhafte Zuwiderhandeln gegen die abgesicherte vertragliche Verpflichtung, also das jeweilige vertragliche Ge- oder Verbot (vgl 8 ObA 260/98p). Die Konventionalstrafe wird damit grundsätzlich bei Verschulden des Schuldners an der vertraglichen Pflichtverletzung ausgelöst. Der (tatsächliche) Eintritt eines materiellen Schadens ist keine Voraussetzung der Konventionalstrafe (RS0112216 [T3]; 9 ObA 87/18m). Der Zweck der Konventionalstrafe besteht in der „Pauschalierung“ des Schadenersatzes (Pauschalierungsfunktion bzw Schadenersatzsurrogat) und zudem in der Bekräftigung der abgesicherten vertraglichen Verpflichtung (Verstärkung des Erfüllungsdrucks), die mitunter unpräzise als „Hauptverbindlichkeit“ bezeichnet wird (vgl 8 ObA 72/13s; vgl auch Brenn in Reissner , AngG 4 § 38 Rz 15). Nach der Rechtsprechung kann auch bei der Kürzung oder beim Entfall eines zustehenden Anspruchs eine Konventionalstrafe vorliegen (9 ObA 136/05y).
[6] Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen bedarf eine Konventionalstrafe einer Vereinbarung. Ob eine solche Vereinbarung vorliegt, hängt vom übereinstimmenden Parteiwillen ab, der durch Auslegung zu ermitteln ist. Der Schutzzweck sowie die Reichweite einer Konventionalstrafenvereinbarung ist aus dem vereinbarten Tatbestand ebenfalls durch Auslegung zu bestimmen (9 Ob 36/12b; 9 ObA 87/18m). Die Vertragsauslegung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0042555 [T2 und T29]).
[7] 2. Die Grundsätze für die Qualifikation einer Konventionalstrafe sind in der Rechtsprechung somit geklärt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und des Klägers ist eine weitere Präzisierung der (abstrakten) Abgrenzungskriterien zwischen Konventionalstrafe und bedingtem Preisnachlass weder erforderlich noch möglich. Vielmehr ist die Beurteilung jeweils durch Auslegung im Einzelfall vorzunehmen.
[8] 3.1 Im Anlassfall besteht nach der zugrunde liegenden Vertragsbestimmung eine klare vertragliche Verpflichtung (ein Gebot) der Beklagten zur rechtzeitigen Vorlage einer vertragsrelevanten Urkunde, deren Erfüllung durch eine Zahlungspflicht der insofern vertragsbrüchigen Verkäufer abgesichert werden sollte. Das – nach der Beurteilung des Berufungsgerichts leicht fahrlässige – Zuwiderhandeln der Beklagten gegen diese Vertragspflicht löst die Kaufpreisreduktion und damit die (Rück )Zahlungspflicht der Verkäufer hinsichtlich des für diesen Fall vorgesehenen Geldbetrags aus.
[9] Die Beurteilung dieser Vereinbarung als Konventionalstrafe im Sinn des § 1336 ABGB durch das Berufungsgericht ist keine Verkennung der Rechtslage.
[10] 3.2 Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus der Entscheidung zu 2 Ob 989/52 aufgrund der dort erfolgten Einzelfallbeurteilung nicht zwingend ein anderes Ergebnis. Soweit aus dieser Entscheidung abzuleiten sein sollte, dass eine Kaufpreisreduktion generell keine Konventionalstrafe begründen könne, ist sie durch die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs überholt (vgl 3 Ob 87/99m).
[11] 4. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts zurückzuweisen.
[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.