Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* J*, vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei K* GmbH, *, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, wegen § 35 EO, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. November 2022, GZ 47 R 212/22g 32, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] 1. Die Beklagte beharrt auf ihrem Standpunkt, dass mangels neuer Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte und mangels beiderseitigen Nachgebens entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kein Vergleich im Sinn des § 1380 ABGB vorliege.
[2] Mit ihren in der außerordentlichen Revision dazu vorgetragenen Argumenten zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[3] 2. Nach der Beurteilung der Vorinstanzen wurde der von ihnen bejahte Vergleich zwischen den Streitteilen im Dezember 2019 geschlossen und hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten (Zahlungsziele und Zahler) ab April 2021 mehrfach modifiziert. Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision kommt den Geschehnissen im August 2021 in dieser Hinsicht keine Bedeutung zu. Vielmehr betreffen diese Vorgänge nur die Erfüllung des abgeschlossenen Vergleichs. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang davon ausgeht, dass die (Schluss-)Zahlung vom 30. 8. 2021 verspätet erfolgt sei, weicht sie von der Sachverhaltsgrundlage ab. Nach den Feststellungen war der Geschäftsführer der Beklagten (auch) mit der mehrfachen Änderung des Zahlungsziels einverstanden und nahm auch die erwähnte letzte Zahlung als Erfüllung an.
[4] 3.1 Nach der Rechtsprechung kann sich das für das Vorliegen eines Vergleichs erforderliche Nachgeben in Bezug auf ein zweifelhaftes Recht auch auf die Durchsetzbarkeit des Rechts (des Anspruchs) beziehen und dazu dienen, ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners entgegenzuwirken. Dementsprechend ist auch hinsichtlich einer Judikatsschuld ein Vergleich möglich, wenn deren Einbringlichkeit aufgrund konkreter Umstände ernsthaft in Frage steht und dazu bestimmte Abstattungsmodalitäten vereinbart werden (vgl RS0032461; vgl auch Kajaba in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.04 Rz 1). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für die Annahme ernsthafter Zweifel an der Einbringlichkeit der Schuld nicht erforderlich, dass der Schuldner bereits zahlungsunfähig oder insolvent ist.
[5] 3.2 Nach den bindenden Feststellungen fanden zwischen den Streitteilen ab Herbst 2019 mehrfach Verhandlungen über die vom Kläger zu leistenden Zahlungen statt, wobei insbesondere die Zahlungsziele der Ratenzahlungen und die Frage, ob die Zahlungen vom Kläger persönlich oder auch von Dritten zu leisten sind, Thema waren. Demnach musste für die Beklagte – aus der Sicht einer verständigen Erklärungsempfängerin – evident sein, dass beim Kläger selbst offenbar Zahlungsschwierigkeiten bestanden. Wenn das Berufungsgericht davon ausgehend zum Ergebnis gelangt, dass für die Beklagte Zweifel an der Einbringlichkeit ihrer Forderung gegeben waren, liegt darin keine Verkennung der Rechtslage. Vom Vorliegen eines Vergleichs ist letztlich auch der Geschäftsführer der Beklagten ausgegangen, hat er im Zusammenhang mit den Verhandlungen ab Herbst 2019 doch selbst wiederholt von einem Vergleich gesprochen. Als Rechtsanwalt musste er um das Wesen und die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts Bescheid wissen.
[6] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Vereinbarung zwischen den Streitteilen im Dezember 2019 – nach dem übereinstimmenden Parteiwillen (vgl RS0108086) – als Vergleich gemäß § 1380 ABGB zu qualifizieren sei, hält sich damit im Rahmen der Rechtsprechungsgrundsätze.
[7] 4. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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