JudikaturOGH

11Os123/22f – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kastner als Schriftführer in der Strafsache gegen * I* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. September 2022, GZ 25 Hv 24/22a 44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * I* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er nachts zum 25. April 2021 in G* * S* mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihr, als sie auf seinem Bett lag, die Jeans und die Unterhose bis zu den Knien hinunterzog, sich anschließend auf die Oberschenkel der am Bauch Liegenden setzte, ihren Rücken unter Anwendung von Körperkraft mit einer Hand nach unten drückte, mit seinen Fingern ihre Pobacken auseinander drückte und mehrmals gewaltsam mit seinem erigierten Penis in ihren After eindrang und trotz ihrer Versuche, ihn wegzustoßen und sich zu verkrampfen, ihres Weinens und Flehens, er möge damit aufhören, den Analverkehr an ihr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 [lit] a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 16. September 2022 gestellten Antrags auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich der Psychiatrie zum N achweis, „dass * S* den Vorfall am 25. April 2021 auf Basis einer aus ihrer Krankheit resultierenden Wahrnehmungsstörung zu Lasten des Angeklagten geschildert hat“ (ON 43 S 6), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

[5] Eine sachverständige Hilfestellung bei der – ausschließlich dem erkennenden Gericht vorbehaltenen (§ 258 Abs 2 StPO) – Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugen kommt nur in besonders gelagerten Fällen, etwa bei (durch Beweisergebnisse indizierten) Bedenken gegen die allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit von Zeugen oder deren (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit, bei abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht sowie bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen in Betracht (vgl RIS Justiz RS0120634, RS0097576, RS0097733; Ratz , WK StPO § 281 Rz 350).

[6] Konkrete Umstände, die zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der (mit den am selben Tag diagnostizierten Verletzungen im Analbereich übereinstimmenden – US 7) Schilderungen der S* zum Tatgeschehen die nur ausnahmsweise angezeigte sachverständige Hilfestellung indiziert hätten, werden mit dem Hinweis auf Angaben der Schwester und der Mutter der S* zu deren von Beginn des gegenständlichen Strafverfahrens an selbst offen gelegten (mit der hier in Rede stehenden Vergewaltigung nicht im Zusammenhang stehenden) psychischen Problemen (vgl auch US 7, 13) nicht aufgezeigt.

[7] Hinzu kommt, dass das behauptete Interesse der S* „an der tatsachengemäßen Aufklärung des Sachverhalts“ allein die Annahme einer freiwilligen Bereitschaft zur Befundaufnahme nicht trägt (vgl RIS Justiz RS0118956 [T3, T4]).

[8] Die in der Beschwerdeschrift zur Antragsfundierung nachgetragenen Ausführungen unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).

[9] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider musste sich das Erstgericht mit der A ussage der S*, weshalb sie von einer sofortigen telefonischen Kontaktaufnahme mit der Polizei nach der T at absah (ON 17 S 18), mangels Bezugs zu einer entscheidenden Tatsache nicht auseinandersetzen (vgl RIS Justiz RS0119422).

[10] Entgegen der weiteren Kritik waren die Tatrichter zu einer über die Erwägungen US 8 hinaus expliziten Erörterung der (theoretischen) Ausführungen der Sachverständigen, wonach eine Analfissur durch starkes Pressen beim Stuhlgang entstehen kann (ON 43 S 3), mangels jeglicher Anhaltspunkte für eine auf diese Weise entstandene Verletzung der S* nicht verhalten (vgl RIS Justiz RS0106642).

[11] Die Tatsachenrüge (Z 5a) erweckt mit eigenständigen Beweiswerterhebungen zu dem von den Tatrichtern ohnedies berücksichtigten ( den Angeklagten nicht belastenden) Gutachten über spurenkundliche DNA Untersuchungen (US 9) und der bloßen Behauptung faktischer Unmöglichkeit der Durchführung von Analverkehr in der von den Tatrichtern festgestellten Form keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (vgl RIS Justiz RS0118780). Ebenso wenig zeigt die Rüge (der Sache nach Z 5 fünfter Fall) mit der sinnentstellten Wiedergabe der tatrichterlichen Erwägungen zu Angaben des Tatopfers (US 9) eine Aktenwidrigkeit (vgl RIS Justiz RS0099547) auf.

[12] Die einen Feststellungsmangel betreffend „alternative Entstehungsmöglichkeiten einer Analfissur“ reklamierende Rechtsrüge (Z 9 [lit] a) ignoriert prozessordnungswidrig (vgl RIS Justiz RS0118580) die Konstatierungen, wonach die Verletzungen der S* durch den erzwungenen Analverkehr herbeigeführt wurden (US 4, 8).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise