JudikaturOGH

5Ob1/23t – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B*, 2. D*, vertreten durch Dr. Piotr Pyka, Rechtsanwalt in Wien, 3. D*, 4. W*, 5. V*, vertreten durch Y*, und V*, wegen Abgabe von Willenserklärungen (Streitwert 7.500 EUR) über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. November 2022, GZ 35 R 192/22b 129, mit dem das Endurteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 17. März 2022, GZ 33 C 316/15f 121, in der Hauptsache bestätigt und im Kostenpunkt abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrte von den Beklagten deren Zustimmung zur unentgeltlichen Übertragung von Miteigentumsanteilen an sie und zur grundbücherlichen Einverleibung ihres Eigentumsrechts an den zur Begründung von Wohnungseigentum an den Wohnungen Top 9, 10 und 11 erforderlichen Mindestanteilen verbunden mit Wohnungseigentum an einer Liegenschaft.

[2] Das Erstgericht wies die Begehren ab.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Im Kostenpunkt gab es dem Kostenrekurs der Zweitbeklagten teilweise Folge und änderte die Kostenentscheidung des Erstgerichts ab. Dazu sprach es aus, dass der Revisionsrekurs iSd § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig sei.

[4] Einen Zulassungsantrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO wies das Berufungsgericht mit Beschluss vom 11. Jänner 2023 zurück.

[5] Soweit der von allen Beklagten zu leistende Kostenersatz den Betrag von 3.790,22 EUR übersteigt und der der Zweitbeklagten zugesprochene Kostenersatz nicht 35.258,58 EUR anstelle von 5.472,33 EUR beträgt (Revisionsrekursinteresse insgesamt 32.130,78 EUR) bekämpft die Zweitbeklagte (nur) die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts mittels „außerordentlichen Revisionsrekurses“ und regt die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend die Verfassungskonformität des Rechtsmittelausschlusses in § 528 Abs 2 Z 3 ZPO beim VfGH an.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisonsrekurs ist absolut unzulässig. Für ein Gesetzesprüfungsverfahren besteht kein Anlass.

[7] 1. Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs über den Kostenpunkt jedenfalls unzulässig. Mangelnde Bedenken an der Verfassungskonformität dieser Rechtsmittelbeschränkung wurden in der Entscheidung 9 ObA 85/08b wie folgt begründet:

„Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs über den Kostenpunkt jedenfalls unzulässig. Dieser Ausschluss der Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs bezieht sich auf alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über akzessorische Prozesskosten abgesprochen wurde (RIS Justiz RS0007695 [T18]; RS0044233). Diese Rechtsmittelbeschränkung gilt generell, dh auch für Kostenentscheidungen, die das Rekursgericht funktionell als erste Instanz fällt (RIS-Justiz RS0044233 [T14]; vgl Kodek in Rechberger ZPO 3 § 528 ZPO Rz 36), oder die sich nur auf das Verfahren zweiter Instanz beziehen (RIS Justiz RS0044233 [T20]; Kodek in Rechberger ZPO 3 § 528 ZPO Rz 37). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigt Art 6 EMRK – entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin – keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsmittelbeschränkungen (RS0044057), insbesondere bleibt, wenn der Zugang zu den Gerichten gewahrt ist, die weitere Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit dem Ermessen der Staaten überlassen. Das Recht auf Zugang zu den Gerichten gewährt kein Recht auf einen Instanzenzug (9 ObA 180/01p uva). Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, von dieser auch auf den Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO zutreffenden Rechtsauffassung abzugehen.“

[8] 2. Die Literatur teilt diese Auffassung im Wesentlichen:

[9] Nach Lovrek/Musger in Fasching/Konecny 3 IV/1 Vor §§ 502 ff ZPO Rz 41 ff lasse sich aus Art 92 B VG die verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines in jedem Fall bestehenden Instanzenzugs zum Obersten Gerichshof nicht ableiten, ebensowenig folge ein solches Gebot aus Art 6 und/oder Art 13 EMRK. Damit sei das Anknüpfen der Rechtsmittelzulässigkeit am Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, das das wirksame Ausüben der Leitfunktion ja gerade ermöglichen soll, verfassungsrechtlich unbedenklich. Wohl aber könnte die Bestandgarantie verletzt sein, wenn Rechtsmittelbeschränkungen die Leitfunktion aushöhlten. Auf dieser Grundlage seien Zugangsbeschränkungen dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn sie bestimmte Materien vollständig von seiner Kognition ausschließen. Das könnte insbesondere bei den materienbezogenen Rechtsmittelausschlüssen in § 528 Abs 2 ZPO erwogen werden. Hier sei jedoch zu differenzieren: In Kosten und Gebührensachen (§ 528 Abs 2 Z 3 und Z 5 ZPO) könne der Oberste Gerichtshof zwar nicht mit Revisionsrekurs angerufen werden. Seine Leitfunktion sei hier aber dadurch gewahrt, dass er bei abändernden Entscheidungen in der Hauptsache auch über die Kosten des Verfahrens entscheide und in Gebührensachen nach § 41 GebAG für Rekurse gegen funktionell erstinstanzliche Entscheidungen des Rekurs oder Berufungsgerichts zuständig sei. Das ermögliche es dem Obersten Gerichtshof, auch in diesen Materien Leitlinien für die Rechtsprechung vorzugeben.

[10] Musger in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 528 ZPO Rz 74, weist darauf hin, dass betreffend Kosten der Vorinstanzen eine Erledigung durch den Obersten Gerichtshof nur bei einer zumindest teilweise abändernden Entscheidung in der Hauptsache in Betracht komme. In diesem Fall habe der Oberste Gerichtshof – so nicht ein Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO vorliege oder bei einem Teilurteil die Kostenentscheidung nach § 52 Abs 4 ZPO vorzubehalten sei – über die gesamten Kosten des bisherigen Verfahrens selbständig und ohne Rücksicht auf die bisher ergangenen Entscheidungen zu erkennen. Stellt er die Entscheidung des Erstgerichts wieder her, so habe er die in einem Kostenrekurs oder in der Berufung ausgeführte Anfechtung der Kostenentscheidung zu erledigen.

[11] St. Korinek in Korinek/Holoubek , B VG Art 92 Rz 18 führt an, dass im Hinblick auf die Leitfunktion des Obersten Gerichtshofs die Vorschriften wie etwa des § 528 Abs 2 ZPO problematisch seien, weil dadurch in bestimmten Sachbereichen der Zugang zum Obersten Gerichtshof gänzlich ausgeschlossen werde. So könne der Oberste Gerichtshof über die Verfahrenskosten zwar dann selbständig absprechen, wenn er die Berufungsentscheidung abändere, doch fehle aufgrund dieser eingeschränkten Zuständigkeit in manchen Streitfragen des Kostenrechts Leitjudikatur des Obersten Gerichtshofs.

[12] 3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0044092) steht der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (bei Konformatbeschlüssen) nicht im Widerspruch zu Art 92 Abs 1 B VG, weil die Garantie eines durchlaufenden Instanzenzugs an den Obersten Gerichtshof aus dieser Verfassungsbestimmung nicht abzuleiten ist. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieses Rechtsmittelausschlusses bestehen nicht (RS0053031; vgl auch VfGH G 514/2015).

[13] 4. Der erkennende Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen zu 9 ObA 85/08b an, die grundsätzlich auch die zivilprozessuale Literatur teilt. Der Argumentation der Revisionsrekurswerberin ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht zwar die Kostenentscheidung des Erstgerichts abgeändert hat, Gegenstand des Revisionsrekurses allerdings die Kostenentscheidung nur insoweit ist, als das Berufungsgericht den Argumenten im Kostenrekurs nicht folgte (die erstinstanzliche Kostenentscheidung daher – der Sache nach – insoweit bestätigte). In diesem Umfang kann daher keine Rede davon sein, das Berufungsgericht habe „erstmals eine neue Kostenentscheidung getroffen“.

[14] Dem Argument der mangelnden Bezugnahme auf den Wert des Entscheidungsgegenstands im Rechtsmittelausschluss ist entgegenzuhalten, dass Rechtsmittelbeschränkungen solange und in dem Ausmaß verfassungskonform sind, als sie die Funktion des Obersten Gerichtshofs nicht aushöhlen oder ihn ganz ausschalten (RS0102362). Dies ist nicht der Fall, zumal der Oberste Gerichtshof bei abändernden Entscheidungen in der Hauptsache über sämtliche Kosten des Verfahrens zu entscheiden und im Fall der Wiederherstellung einer Entscheidung des Erstgerichts auch die Anfechtung der erstgerichtlichen Kostenentscheidung mittels Kostenrekurs oder Kostenrüge in der Berufung inhaltlich zu behandeln hat.

[15] 5. Der Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens war daher nicht näher zu treten. Der nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO absolut unzulässige Revisionsrekurs war vielmehr zurückzuweisen.

Rückverweise