JudikaturOGH

8ObA79/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. H*, vertreten durch Mag. Michael Lang, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Engelbrecht Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 127.736,54 EUR sA und Feststellung über den Antrag der klagenden Partei aus Anlass ihrer außerordentlichen Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 19. Juli 2022, GZ 9 Ra 12/22h 116, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag des Klägers, das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 27. 10. 2021, GZ 34 Cga 50/11p 110, in seinem Punkt 1 dahin zu berichtigen, dass es zu lauten habe: „1. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger einen Betrag von 98.835,22 EUR brutto samt 11,08 % Zinsen aus 4.202,89 EUR brutto ab 1. 4. 2008, aus 6.304,34 EUR brutto ab 1. 1. 2009, aus 6.747,61 EUR brutto ab 1. 1. 2010, aus 8.077,44 EUR brutto ab 1. 1. 2011, aus 8.077,44 EUR brutto ab 1. 1. 2012, aus 8.743,45 EUR brutto ab 1. 1. 2013, aus 10.741,50 EUR brutto ab 1. 1. 2014, aus 10.741,50 EUR brutto ab 1. 1. 2015, aus 11.072,01 EUR brutto ab 1. 1. 2016, aus 12.063,52 EUR brutto ab 1. 1. 2017 sowie aus 12.063,52 EUR brutto ab 1. 1. 2018 binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen“,

wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] 1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war der Anspruch auf periodische Aufwertung der laufenden Betriebspension des Klägers. Das Klagebegehren umfasste nach mehreren Ausdehnungen zuletzt Differenzbeträge für die Jahre 2008 bis 2018 samt gestaffelten 11,08% Zinsen für die ab 1. 4. 2008 monatlich aufsummierten Teilbeträge, fortlaufend ab jeweiliger Fälligkeit.

[2] Das Erstgericht sprach dem Kläger im dritten Rechtsgang 98.835,22 EUR brutto samt 11,08 % Zinsen „ aus EUR 4.202,89 vom 1. 4. 2008 bis 31. 12. 2008, aus EUR 6.304,34 vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2009, aus EUR 6.747,61 vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010, aus EUR 8.077,44 vom 1. 1. 2011 bis 31. 12. 2011, aus EUR 8.077,44 vom 1. 1. 2012 bis 31. 12. 2012, aus EUR 8.743,45 vom 1. 1. 2013 bis 31. 12. 2013, aus EUR 10.741,50 vom 1. 1. 2014 bis 31. 12. 2014, aus EUR 10.741,50 vom 1. 1. 2015 bis 31. 12. 2015, aus EUR 11.072,01 vom 1. 1. 2016 bis 31. 12. 2016, aus EUR 12.063,52 vom 1. 1. 2017 bis 31. 12. 2017 sowie aus EUR 12.063,52 vom 1. 1. 2018 bis 31. 12. 2018 “ unter Abweisung des gleichzeitig erhobenen Feststellungsbegehrens zu.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung unter Neufassung des gesamten Spruchs hinsichtlich des Zahlungsbegehrens mit der Maßgabe, dass es das vom Erstgericht versehentlich übergangene Kapitalmehrbegehren von 28.901,32 EUR samt Zinsen abwies, außerdem gab es dem Feststellungsbegehren teilweise statt.

[4] In der Begründung seiner Entscheidung führte das Berufungsgericht aus, der vom zuletzt gefassten Leistungsbegehren des Klägers abweichende Zinsenzuspruch des Erstgerichts sei als unangefochten nicht mehr zu überprüfen gewesen. Die Anfechtungserklärung in der Berufung habe sich nur gegen die Teilabweisung des Leistungsbegehrens gerichtet.

[5] In der außerordentlichen Revision des Klägers blieb dieser Teil der Berufungsentscheidung insoweit unangefochten.

[6] Am 18. 10. 2022 stellte der Kläger beim Erstgericht den Antrag, es möge sein Urteil in dem aus dem Spruch ersichtlichen Sinn berichtigen.

[7] Das Erstgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 19. 10. 2022, dem Klagevertreter zugestellt am 24. 10. 2022, unter Verweis auf die ergangene Rechtsmittelentscheidung ab. Dieser Beschluss blieb unangefochten.

Am 15. 11. 2022, während des anhängigen außerordentlichen Revisionsverfahrens, brachte der Kläger einen gleichlautenden Berichtigungsantrag beim Obersten Gerichtshof ein, in dem er auf den ablehnenden Beschluss des Erstgerichts hinwies und beantragte, das Revisionsgericht möge selbst die Berichtigung des Urteils des Erstgerichts vornehmen oder sie diesem auftragen.

[8] 3. Der Antrag ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

[9] 3.1. Nach § 419 Abs 1 ZPO kann das erkennende Gericht jederzeit Schreib und Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten einer Entscheidung berichtigen. Eine Berichtigung kann nach § 419 Abs 3 ZPO auch in höherer Instanz angeordnet werden. Unter einer solchen „Anordnung“ ist nicht eine Weisung an das ursprünglich erkennende Gericht zu verstehen, einen Berichtigungsbeschluss zu fassen, sondern die Berichtigung durch das Gericht höherer Instanz selbst; nur der Vollzug der Berichtigung obliegt dem ursprünglich erkennenden Gericht ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny ³ III/2 § 419 ZPO Rz 15 ua). Entscheidungen der Vorinstanzen können insbesondere auch aus Anlass der Zurückweisung einer Revision berichtigt werden (RIS Justiz RS0041418 [T12]; 8 ObA 31/21y).

[10] Die Berichtigung ist zulässig, wenn das, was ausgesprochen wurde, offensichtlich nicht dem Willen des Gerichts zur Zeit der Fällung der Entscheidung entsprochen hat und sich dies aus dem ganzen Zusammenhang und insbesondere aus den Entscheidungsgründen ergibt (RS0041418). Durch die Berichtigung soll der wahre Entscheidungswille zum Ausdruck gebracht werden (RS0041519), der schon vor der Berichtigung den materiellen Gehalt der Entscheidung bestimmt (RS0041489).

[11] 3.2. Einer Berichtigung des Urteilsspruchs erster Instanz steht im vorliegenden Fall die Rechtskraft der Abweisung des Berichtigungsantrags durch das Erstgericht entgegen ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny ³ III/2 § 419 ZPO Rz 15).

[12] Der Anspruch auf eine konkrete Berichtigung ist einmalig und besteht nicht gegenüber jedem im Instanzweg befassten Gericht gesondert. Dass auch Gerichte höherer Instanz nach § 419 Abs 3 ZPO die Anordnung einer Berichtigung vornehmen können, eröffnet nicht die Möglichkeit, eine mit Beschluss abgelehnte Berichtigung unter Umgehung des Rekursverfahrens bei den Instanzgerichten neuerlich geltend zu machen.

[13] 3.3. Auch lagen die Voraussetzungen für eine allfällige amtswegige Berichtigung der Berufungsentscheidung nicht vor.

[14] Der Ausspruch des Berufungsgerichts im Zinsenpunkt entsprach seinem in der Begründung ausgedrückten Entscheidungswillen. Das Berufungsgericht hat sehr wohl erkannt, dass sich der erstgerichtliche Zinsenzuspruch nicht mit dem Urteilsbegehren des Klägers deckte. Es hat von einer Überprüfung und allfälligen Abänderung aber mangels einer Anfechtungserklärung im Rechtsmittel des Klägers bewusst Abstand genommen.

[15] Eine der Berichtigung zugängliche offenbare Unrichtigkeit im Sinn des § 419 Abs 1 ZPO, also eine Abweichung des Geschriebenen vom Gewollten, war damit nicht gegeben.

[16] 4. Angesichts der Rechtskraft des Beschlusses des Erstgerichts vom 19. 10. 2022 war der Antrag des Klägers aber nicht ab , sondern zurückzuweisen.

Rückverweise