14Os127/22s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * L* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. August 2022, GZ 72 Hv 53/22y 29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * L* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er von 2007 bis 12. November 2019 (US 2 f) in W* als Kostenbeamter der Grundbuchsabteilung des Bezirksgerichts *, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Recht auf Einhebung von Gerichtsgebühren (vgl § 2 GGG) zu schädigen, seine Befugnis, als Organ des Bundes in Vollziehung von Gesetzen Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er Mitteilungen des Finanzamts über die Änderung von Bemessungsgrundlagen nicht bearbeitete, sondern in einem Rollcontainer versperrte, obwohl er wusste, dass er zu deren Bearbeitung und damit zur Vorschreibung der geänderten Gerichtsgebühr mittels Bescheid im Rahmen seiner Amtsbefugnisse verpflichtet war, wodurch der Republik Österreich ein Schaden von 321.838 Euro entstand.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf „kriminaltechnische Untersuchung der Computer“ der Zeugen C* und K*, zum Beweis dafür, das „es darin auf irgendeinem Kommunikationsweg eine Absprache zwischen den beiden gibt, dem Angeklagten zu schaden“, indem die Mitteilungen des Finanzamts zurückgehalten werden und dann „irgendwann wieder auftauchen“ (ON 30 S 27), Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Denn der Antrag war schon nach seinem Wortlaut auf bloße Erkundungsbeweisführung gerichtet. Zudem wurde nicht dargelegt, weshalb die Beweisaufnahme trotz der Aussage des Angeklagten, die Zeugen würden nicht dem ihn angeblich diskreditierenden „Netzwerk“ angehören (ON 30 S 27), das behauptete Ergebnis erwarten ließ (RIS Justiz RS0099453). Das in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Antragsfundierung Nachgetragene unterliegt dem Neuerungsverbot (RIS Justiz RS0099618) und ist daher einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.
[5] Die Tatrichter leiteten die Feststellung zum Schädigungsvorsatz – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit unbedenklich (vgl RIS Justiz RS0116882) – aus der Abstandnahme von der Vorschreibung der Nachforderungen und aus dem Umstand ab, dass der Angeklagte die Mitteilungen des Finanzamts in einem Rollcontainer ablegte, anderen einen Zugriff darauf verbot und diesen letztlich versperrte, sowie zur Schadenshöhe aus der Vielzahl der unbearbeiteten Mitteilungen (US 6). Mit der Kritik, die Tatrichter hätten sich hinsichtlich der subjektiven Tatseite der Qualifikation nach § 302 Abs 2 zweiter Fall StGB (US 4) mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwiefern der Angeklagte Kenntnis von den Verjährungsfristen des § 8 GEG hatte, spricht die Beschwerde – die sich zu Recht nicht auf in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse stützt – keine der Anfechtungskategorien der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO an.
[6] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) – ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial (vgl aber RIS Justiz RS0119424 [T1]) – eigene Erwägungen zur subjektiven Tatseite vorbringt, bekämpft sie außerhalb des Anfechtungsrahmens der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO (vgl RIS Justiz RS0100555) die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[7] Dass der Angeklagte auch andere Aktenstücke unbearbeitet ablegte, weckt keine erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (vgl RIS Justiz RS0099674).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[9] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.