12Ns64/22s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Disziplinarsache gegen Rechtsanwältin Dr. * D*, AZ D 61/22 des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer, über die Anzeige der Ausgeschlossenheit des Anwaltsrichters Dr. B* gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Anwaltsrichter Dr. B* ist von der Entscheidung über den Delegierungsantrag der Angezeigten vom 9. November 2022 ausgeschlossen.
An seine Stelle tritt Anwaltsrichter Dr. A*.
Text
Gründe:
[1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 20 N s 4/2 2a über d en im Spruch genannten Delegierungsantrag zu entscheiden.
[2] Anwaltsrichter Dr. B* ist Mitglied des zuständigen Senats.
[3] Zu AZ 20 Ds 4/22a des Obersten Gerichtshofs zeigte der Genannte seine Befangenheit mit der Begründung an, Dr. D* hätte ihn in einem Zivilprozess „in den Streit gezogen“, indem sie behauptete, er hätte „das Gericht in rechtswidriger Weise dazu bestimmt“, einen von ihr gestellten Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Streitverhandlung im Wege einer Videokonferenz abzuweisen. Dabei hätte sie auch auf seine Tätigkeit als Anwaltsrichter beim Obersten Gerichtshof Bezug genommen und behauptet, dass er in einem Verfahren gegen sie als Richter tätig geworden sei. Der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer habe sie in diesem Zusammenhang „Disziplinarverfahrensterrorismus“ vorgeworfen. Aufgrund einer Mitteilung von ihm sei dieser Sachverhalt nunmehr ebenfalls Gegenstand eines Disziplinarverfahrens gegen die Angezeigte.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gemäß § 64 DSt iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher auch unter dem Aspekt des § 43 Abs 1 Z 3 StPO nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl RIS-Justiz RS0097086 [T5]; Lässig , WK-StPO § 43 Rz 10 f mwN). Dies ist bei dem dargestellten Sachverhalt zu bejahen (vgl 12 Ns 23/22m; 12 Ns 27/22z; 12 Ns 61/22z).
[5] Anstelle des Ausgeschlossenen tritt aufgrund der laufenden Vertretungsregelung des Obersten Gerichtshofs der im Spruch genannte Anwaltsrichter (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 45 Abs 2 StPO).