6Ob124/22m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei M* P*, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Villach, gegen die beklagten Parteien 1. M* K*, 2. V* GmbH, *, beide vertreten durch AHP Rechtsanwälte Hochfellner Pontasch Müller Leitner Moser OG in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Feststellung und Herausgabe (hier: wegen einstweiliger Verfügung), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 1. Juni 2022, GZ 6 R 28/22t 16, womit der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. April 2022, GZ 50 Cg 26/22d 7, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsr ekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die klagende und gefährdete Partei (Kläger) brachte vor, der Erstbeklagte habe den ihm vom Kläger treuhändig übertragenen Hälfteanteil an einer GmbH treuwidrig an die kollusiv mitwirkende Zweitbeklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei abgetreten.
[2] Mit seiner Klage begehrt er in deren Abschnitt II. folgendes
„ URTEIL:
1. Zwischen der klagenden Partei und den beklagten Parteien wird festgestellt, dass die beklagten Parteien gegenüber der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für sämtliche zukünftige kausalen Schäden im Zusammenhang mit der, aufgrund des zwischen den beklagten Parteien abgeschlossenen Abtretungsvertrages vom [...], erfolgten Abtretung von 50 % der Gesellschaftsanteile an der […] GmbH, FN [...], von der erstbeklagten Partei an die zweitbeklagte Partei, haften.
2. Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen Teil ihrer Geschäftsanteile an der [...] GmbH, FN [...] die derzeit einer Stammeinlage von € 17.500,00, hierauf geleistet € 5.000,00, entsprechen, sohin 50 % der Gesellschaftsanteile an der [...] GmbH, FN [...], in notariatsaktfähiger Form abzutreten.
in eventu:
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen Teil ihrer Geschäftsanteile an der [...] GmbH, FN [...], die einer Stammeinlage von € 17.500,00, hierauf geleistet € 5.000,00, entsprechen, sohin 50 % der Gesellschaftsanteile an der [...] GmbH, FN [...], Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von € 5.000,00 an den Erstbeklagten in notariatsaktfähiger Form abzutreten.
in eventu:
2a. Es wird festgestellt, dass der zwischen der erstbeklagten Partei und der zweitbeklagten Partei abgeschlossene Abtretungsvertrag vom [...], mit dem der Erstbeklagte seinen Geschäftsanteil an der […] GmbH, FN [...], der einer Stammeinlage von € 35.000,00 und einer voll einbezahlten gründungsprivilegierten Stammeinlage von € 10.000,00 entsprach, an die zweitbeklagte Partei abgetreten hat, im Umfang der Abtretung des Geschäftsanteiles, der einer Stammeinlage von € 17.500,00 und einer voll einbezahlten gründungsprivilegierten Stammeinlage von € 5.000,00, entsprach, sohin hinsichtlich 50 % der Geschäftsanteile der […] GmbH, FN [...], unwirksam ist.
2b. Die erstbeklagte Partei ist schuldig, die dem für die […] GmbH, FN [...], zuständigen Firmenbuchgericht, aufgrund des notariellen Abtretungsanbotes des Erstbeklagten vom [...] des öffentlichen Notars [...] und der notariellen Annahmeerklärung vom [...] der öffentlichen Notarin [...], die Änderung im Gesellschafterstand der […] GmbH, FN [...], im Umfang der Abtretung des Gesellschaftsanteils von € 17.500,00, davon derzeit gründungsprivilegiert € 5.000,00, sohin hinsichtlich 50 % der Geschäftsanteile der […] GmbH, FN [...], an den Kläger anzumelden.
3. Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, die Ausübung der Gesellschafterrechte an […] GmbH, FN [...], soweit diese den Anteil von 50 % an der […] GmbH, FN [...], übersteigen, ohne vorherige ausdrückliche Genehmigung durch den Kläger, zu unterlassen.“
[3] Das Erstgericht gab dem mit der Klage verbundenen Sicherungsantrag teilweise statt und gebot der Zweitbeklagten, „ab sofort bis zur rechtskräftigen Erledigung in der Hauptsache dieses Verfahrens“ jede Übertragung und Belastung der Gesellschaftsanteile an der GmbH, soweit diese einen Anteil von 50 % übersteigen, die Ausübung des Kündigungsrechts sowie die Auflösung der GmbH zu unterlassen. Das Mehrbegehren betreffend das Verbot der Ausübung von Gesellschafterrechten wies es ab.
[4] Das Rekursgericht gab dem gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung gerichteten Rekurs des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Es war der Ansicht, der Kläger habe zu seiner diesbezüglichen Anspruchsgefährdung unzureichend vorgebracht und sich auf die abstrakte Behauptung beschränkt, ihm drohe ein unwiederbringlicher Schaden, weil wirksam zustande gekommene Gesellschafterbeschlüsse nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Welche konkreten Schritte – neben den schon gesicherten Angelegenheiten – zum Nachteil des Klägers konkret drohten, sei nicht behauptet worden. Die Bescheinigung einer konkreten Gefährdung seines Anspruchs sei ihm daher insoweit nicht gelungen. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung schlage zugunsten der Zweitbeklagten aus, die auf eine drohende existenzielle Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der GmbH verwiesen habe, würde man die im Gesellschaftsvertrag der Zustimmung der Generalversammlung unterliegenden Angelegenheiten von der Zustimmung des Klägers abhängig machen.
[5] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich mit der Begründung zu, es könnte die Auffassung vertreten werden, dass das Vorbringen des Klägers zur Anspruchsgefährdung und zur Entstehung eines unwiederbringlichen Schadens ausreichend substanziiert gewesen und die Rekursentscheidung nicht im Einklang mit der Entscheidung 6 Ob 200/14a stehe. Der Revisionsrekurs moniere überdies, das Rekursgericht habe unzulässigerweise Neuerungen der Zweitbeklagten berücksichtigt und eine unvertretbare Interessenabwägung vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig :
[7] 1.1. I n einem die selben Parteien, aber eine andere GmbH betreffenden Sicherungs verfahren mit vergleichbarem Sachverhalt und mit im Wesentlichen wortgleichen Urteils- und Sicherungsanträgen des (auch dortigen) Klägers hat das dortige Rekursgericht die (Teil )Abweisung des begehrten Verbots der Ausübung von Gesellschafterrechten bestätigt , weil es an einer bestimmten Bezeichnung des behaupteten, mittels einstweiliger Verfügung zu sichernden Anspruchs fehlte. Der erkennende Senat hat diese Ansicht des dortigen Rekursgerichts gebilligt (6 Ob 125/22h); ausgehend von den dortigen Erwägungen gilt auch im vorliegenden Fall:
[8] 1.2. Nach ständiger Rechtsprechung muss der von der gefährdeten Partei behauptete und mit einstweiliger Verfügung zu sichernde Anspruch genau bezeichnet werden (RS0005210), zumal sich – mit Blick auf das auch im Sicherungsverfahren zu beachtende Antragsprinzip (8 Ob 159/18t [ErwGr 1.]; König/Weber , Einstweilige Verfügungen 6 [2022] Rz 6.64) – die einstweilige Verfügung auf die Sicherung des konkret behaupteten Anspruchs zu beschränken hat (8 Ob 671/87). Mangelt es an der erforderlichen bestimmten Bezeichnung des behaupteten Anspruchs, ist der Sicherungsantrag abzuweisen (3 Ob 223/03w).
[9] Zwar kann im Allgemeinen dann, wenn die einstweilige Verfügung – wie hier – in der Klage beantragt wird, hinsichtlich „des Anspruchs“ ein ausdrücklicher oder schlüssiger Verweis auf das Vorbringen zum Anspruch in der Klage genügen ( König/Weber aaO Rz 6.6). Dies kann bei mehreren zu sichernden Ansprüchen allerdings nur dann gelten, wenn sich die Zuordnung des (jeweils) zu sichernden Anspruchs in Ansehung verschiedener Sicherungsbegehren (jeweils) als auf der Hand liegend ergibt (vgl zur Ergänzung des Provisorialantrags durch das in der spätestens gleichzeitig eingebrachten Klage erstattete Tatsachenvorbringen, soweit eindeutig erkennbar ist, dass bestimmte Tatsachenbehauptungen gleichzeitig auch zur Grundlage des Provisorialantrags gemacht werden sollen, RS0005231 [T8, T9]). Lassen sich (dagegen) aus dem behaupteten Sachverhalt mehrere Ansprüche ableiten, sind jene, hinsichtlich derer die Sicherung oder Regelung begehrt wird, bestimmt zu bezeichnen ( König/Weber aaO Rz 6.5 mwN).
[10] 1.3. S oweit Hauptbegehren und Eventualbegehren einander nicht ausschließen, sind auch letztere sicherungsfähig (RS0004891). Der Kläger nahm im Antragsbegehren selbst auf die Frage des (konkret) zu sichernden (jeweiligen) Anspruchs überhaupt nicht Bezug, womit die Zuordenbarkeit der (einzelnen) Sicherungsanträge im Verhältnis zu den geltend gemachten Ansprüchen offen blieb. Weder lässt sich aus der in das Begehren aufgenommenen Zeitbestimmung („ab sofort bis zur rechtskräftigen Beendigung der unter Punkt II. angefügten Klage und gestellten Urteilsanträge“) unmissverständlich darauf schließen, dass sich der Sicherungsantrag auf sämtliche in die Klage aufgenommenen Ansprüche bezieht (und nicht etwa bloß auf die im Hauptbegehren oder aber in einem der Eventualbegehren geltend gemachten), noch aus dem (vom Fall losgelösten und) allgemein gehaltenen Antragsvorbringen zur Zulässigkeit der Sicherung von Feststellungsansprüchen oder den (abstrakten Ausführungen) zur „nicht engherzig“ vorzunehmenden Prüfung, ob sich „der im Provisorialverfahren zu sichernde Anspruch im Rahmen des mit der Klage erhobenen Anspruchs“ hält. A uch der pauschale Verweis auf das gesamte Vorbringen der Klage konnte zur Bestimmtheit des Provisorialantrags nichts beitragen.
[11] 2. Angesichts der gestellten (Mehrzahl an) Begehren ist damit auch im vorliegenden Fall unklar geblieben, welcher der in der Klage geltend gemachten Ansprüche durch die einstweilige Verfügung gesichert werden soll. Der Verfügungsantrag kann daher schon deshalb nicht zum Erfolg führen.
[12] 3. Bereits das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung unschlüssige oder unbestimmte Anträge abzuweisen sind, ohne dass der gefährdeten Partei ein weiters Vorbringen zu ermöglichen wäre (4 Ob 80/22a [ErwGr 2.1.]; RS0005452 [T7]). Es widerspricht dem Wesen des auf eine rasche Entscheidung abgestellten Provisorialverfahrens, der gefährdeten Partei in einem zweiten Rechtsgang die Möglichkeit der Verbesserung eines unbestimmten Begehrens zu geben (RS0005433).
[13] An diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Sache Micallef/Malta (15. 10. 2009 [GK], 17056/06) zur Anwendbarkeit von Art 6 EMRK auf Provisorialverfahren und ungeachtet des § 54 Abs 3 aF EO (nun § 54a EO) festgehalten (vgl 4 Ob 80/22a [ErwGr 2.1.]; 4 Ob 137/21g [ErwGr 1.3.]; 6 Ob 149/19h [ErwGr 1.2.4]; 6 Ob 241/16h [ErwGr 2.2.]; 8 Ob 91/16i [ErwGr 2.4.] ausdrücklich trotz Kritik in der Lit; [teilw krit] Kodek in Burgstaller/Deixler Hübner , EO § 389 Rz 20 ff; König/Weber , Einstweilige Verfügungen 6 Rz 6.48 f).
[14] 4. Bei dieser Sachlage käme somit der Lösung der vom Kläger als erheblich angesehenen Rechtsfragen nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 528 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen (vgl 4 Ob 137/21g [ErwGr 2.]; 8 Ob 88/06h).
[15] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.