11Os114/22g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lonin als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S*, * E* und * H* wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 1, Abs 2 erster und vierter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über 1./ die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten E* und H* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 20. Juli 2022, GZ 601 Hv 5/21b 570, 2./ über die Beschwerde des Angeklagten S* gegen die Beschlüsse des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 29. September 2022 und 3. Oktober 2022, GZ 601 Hv 5/21b 581, 584, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Der Beschwerde des S* wird nicht Folge gegeben.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten E* und H* werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den zuletzt genannten Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz – * E* des in der Zeit von 30. Juni 2017 bis 2. Oktober 2018 und * H* des in der Zeit von 19. Juni 2014 bis 2. Oktober 2018 begangenen Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 [Abs 1,] Abs 2 erster und vierter Fall StGB (2./ und 3./A./), letzterer darüber hinaus des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 erster Fall WaffG (3./B./) schuldig erkannt.
[2] Die Geschworenen haben die in Richtung des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 [Abs 1,] Abs 2 erster und vierter Fall StGB (E* Hauptfrage 2./, H* Hauptfrage 3./ und die zu H* in Richtung des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 erster Fall WaffG gestellte Hauptfrage 4./ bejaht. Weitere Fragen wurden nicht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E* und die auf § 345 Abs 1 Z 5, 11 lit b und 12 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*.
[4] Unmittelbar nach Verkündung des Urteils haben der – des in der Zeit von 30. Juni 2017 bis 2. Oktober 2018 begangenen Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 [Abs 1,] Abs 2 erster und vierter Fall StGB schuldig erkannte – Angeklagte S* und sein Verteidiger nach der Aktenlage keine Erklärung abgegeben (ON 569 Teil II S 11). Rechtsmittelerklärungen (oder eine einzelne und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen – § 285 Abs 1 zweiter Satz iVm § 344 StPO) erfolgten binnen der dreitägigen Anmeldefrist (§ 284 Abs 1 erster Satz StPO, § 294 Abs 1 StPO, je iVm § 344 StPO) nicht.
[5] Seine – ohne U nterschrift seines Verteidigers – am 30. September 2022 beim Obersten Gerichtshof „zu Handen der Präsidentin“ einge langte „Revision, Nichtigkeit, Gesetzesbeschwerde“ (ON 583) wurde mit Beschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 3. Oktober 2022 (ON 584) gemäß § 285a Z 2 (iVm § 344) StPO zurückgewiesen, nachdem bereits zuvor dieselbe (am 27. September 2022 zur Post gegebene) Eingabe (ON 580 ohne Beilagen) mit Beschluss vom 29. September 2022 zurückgewiesen worden war (ON 581).
[6] G egen (offenbar) beide Beschlüsse richtet sich eine erneut nicht von seinem Verteidiger unterschriebene Beschwerde des S* im Wesentlichen mit der nicht weiter begründeten oder gar belegten Be hauptung , aufgrund einer „in einer höheren Instanz [gestellten] Normprüfung und … Gesetzesprüfung“ sei das Verfahren „gehemmt“ und Fristen „ausgesetzt“ (ON 586).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des E*:
[7] Die einen Verstoß gegen das Doppelverfolgungsverbot behauptende Rechtsrüge (Z 11 lit b) versäumt zur Gänze, in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien für die Annahme des offenbar gemeinten Feststellungsmangels zu nennen und entzieht sich schon deshalb meritorischer Erwiderung (RIS Justiz RS0118580).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des H* :
[8] Der Rüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Einvernahme von Univ. Prof. DDr. * L* zum Beweis dafür, dass der ICCJV keine staatsfeindliche Verbindung ist“ sowie „Einvernahme des Zeugen * K* zum Beweis dafür, dass der ICCJV kein Phantasiegericht ist, im Rechtshilfeweg, er sitzt in den Niederlanden“ (ON 569 S 38 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt.
[9] Gegenstand des Zeugenbeweises sind nämlich in der Vergangenheit gelegene sinnliche Wahrnehmungen von Tatsachen. Subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge (wie im gegebenen Zusammenhang die rechtliche Beurteilung des ICCJV) können daher nicht zur Beantragung einer Zeugenaussage herangezogen werden, sondern allenfalls die ihnen zugrunde liegenden – von den Anträgen hier nicht angesprochenen – tatsächlichen Prämissen (RIS Justiz RS0097540; im Übrigen auch RS0118444, RS0118421 [T1] und RS0115646 [T1]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 330; Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 154 Rz 2).
[10] Die einen Verstoß gegen das Doppelverfolgungsverbot behauptende Rechtsrüge (Z 11 lit b) auch dieses Angeklagten versäumt zur Gänze, in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien für die Annahme des offenbar gemeinten Feststellungsmangels zu nennen und entzieht sich schon deshalb meritorischer Erwiderung (RIS Justiz RS0118580).
[11] Gänzlich unverständlich und damit einer meritorischen Erwiderung unzugänglich ist
das im Rahmen der Verfahrensrüge – in Form eines Einschubs zusammenhanglos – Vorgebrachte, aufgrund einer nicht näher bezeichneten „Beschwerde vom 30. Juni 2022“ (möglicherweise gemeint die an den Obersten Gerichtshof zu Handen der Präsidentin gerichtete persönliche Eingabe des Angeklagten S* mit der Titulierung „Rechtsbeschwerde, Nichtigkeit, Mängel, EU Vertragsverletzung, Rechtsnormprüfung“) sei die anberaumte Verhandlung „als Nichtigkeit zu bewerten“ bzw „außer Kraft gesetzt“ und durch eine „Normprüfung am VfGH“ sowie „EuGH“ das Verfahren stillgelegt,
ebenso die unter dem Titel der Rechts- und Subsumtionsrüge vorgebrachte Kritik, die „Hauptfragen 1./ bis 3./ sind nicht treffend und falsch“ sowie behauptete „Subsumtionsfehler“ zum Schuldspruch 3./B./, wurde der Angeklagte doch dem Vorbringen zuwider lediglich des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (nicht auch jenes nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG [siehe dazu im Übrigen RIS Justiz RS0129796; jüngst 11 Os 72/22f]) schuldig erkannt.
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten E* und H* folgt (§§ 285i, 344 StPO).
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zur Beschwerde des S*:
[14] Da die Beschwerde kein faktenbasiertes inhaltliches Vorbringen zu einer allfälligen Mangelhaftigkeit der angefochtenen Beschlüsse enthält, war ihr ein Erfolg zu versagen.