11Os111/22s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lonin als Schriftführerin in der Strafsache gegen * L* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 15. Juli 2022, GZ 38 Hv 43/22y 68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * L* eines Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./1./), eines weiteren Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./2./) und der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in I*
I./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, und zwar
1./ im Sommer/Herbst 2017 an dem am * 2013 geborenen * W* dadurch, dass er die Finger seiner Hand auf dessen unbekleideten Penis legte, woraufhin * W* seitlich wegrutschte und L* deshalb seine Hand wieder wegnahm;
2./ zwei Mal im Frühjahr, Sommer oder Herbst 2008 oder 2009 an dem am * 1998 geborenen * S* dadurch, dass er seine flache Hand auf dessen unbekleideten Penis legte, woraufhin * S* die Hand sogleich wieder wegdrückte;
II./ im Zeitraum 17. Dezember 2015 bis 11. März 2021 (Datum der Sicherstellung) im Urteil näher beschriebene 12 Lichtbilder, darstellend wirklichkeitsnahe Abbildungen geschlechtlicher Handlungen an unmündigen Personen bzw von unmündigen Personen an sich selbst, somit pornographische Darstellungen unmündiger Minderjähriger besessen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 5 ff, 10) begegnet deren Ableitung aus dem objektiven Geschehen (US 13, 14) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS Justiz RS0116882). Mit der unsubstantiiert vorgetragenen Kritik, das Erstgericht hätte den Zeugen jeweils „floskelhaft und pauschal uneingeschränkt Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit“ zugebilligt (dazu aber US 12 f) und dem Angeklagten technische Versiertheit und Übung im „Umgang mit Computern“ attestiert, bekämpft die Beschwerde bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, ohne ein Begründungsdefizit aufzuzeigen.
[5] Die prozessordnungskonforme Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert das strikte Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt und den ausschließlich auf dessen Basis geführten Nachweis eines Rechtsirrtums (RIS Justiz RS0099810).
[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst sowohl zum Schuldspruch zu I./1./ als auch I./2./ (ausreichende) Feststellungen zu Dauer und Intensität der Berührung der Geschlechtsteile der Betroffenen durch den Angeklagten sowie zur subjektiven Tatseite.
[7] Inwiefern den dazu getroffenen Konstatierungen (vgl zu I./1./: US 5, auch US 13; zu I./2./: US 6 f, 13) – trotz der detaillierten Darstellung der Tathandlungen – der Sachverhaltsbezug, den zielgerichteten Berührungen des Penis der Kinder die Sexualbezogenheit fehlen bzw diese „sexuell indifferente Handlung[en]“ sein sollten und welcher darüber hinausgehender Feststellungen es für die vorgenommene Subsumtion bedurft hätte, vermag die Beschwerde nicht nachvollziehbar darzutun (vgl RIS Justiz RS0102141, RS0119090, RS0095194 [T1, T2], RS0094905 [T35], RS0095733 [T10] vgl Philipp in WK 2 StGB § 202 Rz 13; Hinterhofer SbgK § 202 Rz 29).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.