JudikaturOGH

8ObA28/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andrea Kehrer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Ö* GmbH, *, vertreten durch Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.367,98 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2022, GZ 7 Ra 102/21b 27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Nach § 9 BB PG ist einem „Beamten“, der ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist, aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand zu seiner ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit der Zeitraum, der für die Erlangung des Höchstausmaßes des Ruhegenusses erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zuzurechnen.

[2] Im Revisionsverfahren ist noch strittig, ob dem Kläger, der mit 20. 7. 2018 aus gesundheitlichen Gründen in den dauernden Ruhestand versetzt wurde, ein Anspruch auf eine Vergünstigung gemäß § 9 BB PG zustand.

[3] 2. Der Oberste Gerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BB PG (sowie bereits dessen Vorgängerbestimmung § 9 BB-PO), dass bei der Frage der verbliebenen Erwerbsfähigkeit nicht auf die bisherige Tätigkeit (im Sinne eines Berufs oder Tätigkeitsschutzes), sondern auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen ist. Lediglich für die Zumutbarkeitsprüfung ist sinngemäß auf die Kriterien der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung zum Ausmaß eines noch hinzunehmenden sozialen Abstiegs zurückzugreifen. Nur insoweit kommt es auf einen Vergleich mit der bisherigen Tätigkeit und deren sozialem Ansehen an (8 ObA 88/11s; 9 ObA 122/12z; zu § 9 BB PO vgl 14 Ob 24/86).

[4] 3. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Anwendung des § 9 BB PG vorliegen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

[5] Die Revision stellt nicht in Frage, dass jene Angestelltentätigkeiten der Beschäftigungsgruppen C und D, deren Ausübung dem Kläger nach den Feststellungen noch gesundheitlich möglich wäre, gegenüber der von ihm bei der Beklagten bis 2008 ausgeübten Facharbeitertätigkeit (und umso mehr gegenüber seinen in den Folgejahren bekleideten Hilfsarbeiterpositionen) keinen sozialen Abstieg bewirken würde.

[6] Die Argumentation, für den Kläger könne nach den Grundsätzen der Entscheidung 9 ObA 122/12z nur eine Verweisung auf eine Facharbeitertätigkeit in Frage kommen, bezieht sich auf einen (auch) nach dieser Entscheidung so nicht bestehenden Berufsschutz. Der Verweis auf die sozialrechtliche Judikatur (RIS Justiz RS0064692; RS0085599 ua) bezieht sich nur auf die Kriterien für die Beurteilung der Zumutbarkeit eines gewissen sozialen Abstiegs. Die Judikatur zu § 255 ASVG und § 273 ASVG kann aufgrund des völlig unterschiedlichen Regelungsgegenstands immer nur sinngemäß herangezogen werden, geht es doch dort um die Bedingungen dafür, ob überhaupt ein Pensionsanspruch zusteht, während § 9 BB PG nur unter der Voraussetzung zum Tragen kommt, dass der Beamte in den Ruhestand versetzt wird. Diese Bestimmung regelt nicht den Grund, sondern die Höhe eines bereits bestehenden Anspruchs durch Anwendung einer privilegierten Bemessung im besonders berücksichtigungswürdigen Einzelfall.

[7] 4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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