2Ob226/22g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer und die Hofräte Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2021 verstorbenen *, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. F*, vertreten durch die Abwesenheitskuratorin Dr. Marie-Luise Safranek, Rechtsanwältin in Graz, und 2. E*, vertreten durch Mag. Rainer Frank, Rechtsanwalt in Graz, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses des Zweitantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 19. Oktober 2022, GZ 4 R 103/22d-41, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Abwesenheitskuratorin wird aufgefordert, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der bedingten Erbantrittserklärung zu erwirken und diese binnen drei Monaten dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Text
Begründung:
[1] Die Erblasserin hinterließ eine 2014 verfasste, aus zwei, lediglich mit einer einzelnen Heftklammer verbundenen Blättern bestehende, fremdhändige Verfügung zu Gunsten des Zweitantragstellers, bei der sich auf dem zweiten, nicht nummerierten Blatt lediglich die Unterschriften der Testamentszeugen befinden.
[2] Der durch eine vom Pflegschaftsgericht bestellte Abwesenheitskuratorin vertretene Erstantragsteller gab aufgrund des Gesetzes, der Zweitantragsteller aufgrund des Testaments eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab.
[3] Die Vorinstanzen verneinten das Vorliegen einer formgültigen letztwilligen Verfügung, stellten das Erbrecht des Erstantragstellers aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlass fest und wiesen die aufgrund des Testaments abgegebene Erbantrittserklärung des Zweitantragstellers ab.
[4] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Zweitantragstellers mit dem Abänderungsantrag, sein Erbrecht aufgrund des Testaments festzustellen und die aufgrund des Gesetzes abgegebene Erbantrittserklärung des Erstantragstellers zum gesamten Nachlass abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Gemäß § 281 Abs 3 iVm § 258 Abs 4 und § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen eines Abwesenheitskurators in Vermögensangelegenheiten des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs der gerichtlichen Genehmigung ( Rudolf in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.04 § 281 Rz 8), wozu – jedenfalls bei nicht bloß geringfügigen Nachlässen – im Hinblick auf das Risiko des „Prozessverlusts” im Verfahren über das Erbrecht und einer daraus resultierenden Kostenersatzpflicht auch die Abgabe einer bedingten, aber mit einer anderen in Widerspruch stehenden Erbantrittserklärung zählt (6 Ob 3/09y = RS0125144; 2 Ob 78/17k Pkt 1.1.). Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der bedingten Erbantrittserklärung des durch die Abwesenheitskuratorin vertretenen Erstantragstellers liegt nach der Aktenlage bisher nicht vor.
[6] 2. Der dadurch bewirkte Mangel der besonderen Ermächtigung zur Verfahrensführung ist auch im Revisionsrekursverfahren bei Vorliegen eines verfahrensrechtlich statthaften Rechtsmittels unabhängig von der Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage (RS0041907 [T5]) von Amts wegen wahrzunehmen (vgl RS0035373). Seine Beseitigung ist durch Anordnung der erforderlichen Maßnahmen – hier: Vorlage der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStr G I² § 5 Rz 10) – zu versuchen (RS0035331 [T7]).
[7] 3. Wird die Genehmigung versagt, lägen überhaupt keine widerstreitenden Erbantrittserklärungen vor, über die eine Entscheidung über das Erbrecht nach § 161 Abs 1 AußStrG zu ergehen hätte.
[8] 4. Die Beschlussfassung über die Erteilung eines Verbesserungs bzw Sanierungsauftrags hat mit Senatsbeschluss zu erfolgen (RS0035424 [T5]).