23Ds3/22a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. Dezember 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Lovrek als weitere Richterin sowie die Rechtsanwälte Dr. Kreissl und Dr. Schlager als Anwaltsrichter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kastner in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 18. März 2021, GZ D 82/17, D 100/17 44, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter Longitsch LL.M., des Kammeranwalts Dr. Roehlich sowie des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.
Jener gegen den Ausspruch über die Strafe wird Folge gegeben und über * unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 21. Februar 2018, AZ D 134/13, und vom 19. Februar 2020, AZ D 123/16 eine Geldbuße von 1.500 Euro als Zusatzstrafe verhängt.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat er als Klagevertreter im Verfahren AZ * des Landesgerichts * in von ihm verfassten Schriftsätzen vom 16. Februar 2017 gegen § 9 Abs 1 RAO verstoßen, indem er Folgendes vorbrachte:
1./ in der Berufung: „Aus Sicht des Klägers stellt die Abweisung seines Klagebegehrens wegen Verjährung – welche noch dazu ohne Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zu den für die Beurteilung der Verjährung wesentlichen psychiatrischen Fragen erfolgte – eine opferverachtende Vorgehensweise dar, die an Perfidität nicht weit hinter den Taten des Täters * zurückbleibt . “ ;
2./ im Antrag auf Ablehnung der Richterin *: „Inhaltlich kann das gegenständliche Urteil als Ausdruck einer opferverachtenden Haltung aufgefasst werden, welche einem durch schwere widernatürliche Straftaten massiv geschädigten Menschen insbesondere die Anwendung der gesetzlich vorgesehenen 30jährigen Verjährungsfrist ablügt und sich in widerlicher Weise über das Faktum hinwegsetzt, dass ein Missbrauchsopfer mit psychiatrisch zu beurteilenden psychischen Reaktionen, wie insbesondere Verdrängungen konfrontiert ist, welche für eine innerpsychische Rekonstruktion der Tathandlungen und Erkennbarkeit der massiven psychischen Folgen langjährige psychotherapeutische Hilfe erforderlich machen. Nach Auffassung des Antragstellers stellt dieses Urteil nicht nur eine brennende Schande für einen Staat dar, der sich Rechtsstaat nennt, sondern überhaupt eine Abkehr von den Grundsätzen menschlicher Zivilisation und Rechtlichkeit.“
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS Justiz RS0128656 [T1]) sowie (implizit: § 49 letzter Satz DSt) über die Strafe.
[4] Einleitend ist zur in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten gegenteiligen Ansicht des Beschuldigten auszuführen, dass die Senatszusammensetzung (auch) in Bezug auf die Anwaltsrichter der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs entspricht, weil danach Dr. Kreissl und Dr. Schlager Mitglieder des zuständigen 23. Senats für die (soweit hier relevant) „ zweiten … zwei “ Akten, somit für den [hier:] dritten und vierten der im laufenden Geschäftsjahr angefallenen Akten, sind (S 39 der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs für das Jahr 2022).
[5] Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
[6] Die Besetzungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) behauptet unter Verweis auf das Vorbringen im gleichzeitig eingebrachten „Antrag auf Ablehnung“ Ausgeschlossenheit der Vorsitzenden des erkennenden Senats, *, und des Senatsmitglieds *.
[7] Soweit sie unter dem Titel „Ablehnungsgründe im Verfahren AZ D 191/17 des Disziplinarrats der RAK *“ Teile des dort erstatteten (erfolglosen, vgl dazu 26 Ds 16/21h) Berufungsvorbringens im Zusammenhang mit der auch damals behaupteten Ausgeschlossenheit von * und * wörtlich wiederholt und daraus – im Übrigen nicht nachvollziehbar – eine im gegenständlichen Verfahren aktuelle Befangenheit dieser Senatsmitglieder abzuleiten versucht, scheitert die Berufung schon am Fehlen einer sofortigen Rüge zu Beginn der mündlichen Disziplinarverhandlung, weil dem Berufungswerber sowohl die vom ihm angeführten Umstände als auch die Senatsbesetzung (vgl dazu ON 12, 14 bis 18, 39, 40) bereits vor diesem Zeitpunkt bekannt waren ( Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohrergger/Vitek , RAO 10 § 49 DSt Rz 6/2; RIS Justiz RS0107029).
[8] Mit der daran anknüpfenden Behauptung, den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis sei „klar zu entnehmen“, dass sich * und * „zumindest dem Anschein nach“ weiterhin im Rahmen einer „rechtsstaatsfeindlichen Verbindung betätigen“ und „darauf hinzuwirken scheinen“, die Aufdeckung der von anderen Mitgliedern dieser Verbindung begangenen „Amtsverbrechen“ zu verhindern und „Rechtsanwälte zu bedrohen, welche die Opfer von anzunehmenden Amtsverbrechen vertreten“, werden sachlich erörterbare Gründe, die geeignet wären, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der abgelehnten Mitglieder des erkennenden Senats in Zweifel zu ziehen, nicht genannt.
[9] Dass der Disziplinarrat den verfahrensgegenständlichen Äußerungen einen anderen als den von * behaupteten Bedeutungsinhalt beigemessen hat, weckt den Anschein der Befangenheit der Genannten nicht (vgl RIS Justiz RS0096914 [T3, T32]). Gleiches gilt für den Vorwurf angeblich unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie „willkürlicher“ – übrigens bereits in der mündlichen Verhandlung am 3. Mai 2018 beschlossener (ON 19 S 3; vgl erneut RIS Justiz RS0107029) – Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten (vgl RIS Justiz RS0096914 [T20], RS0096880). Anhaltspunkte dafür, dass * und * ungeachtet der Verfahrensergebnisse nicht bereit gewesen wären, ihre Meinung zu ändern, werden mit der Kritik an der Verfahrensführung, Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung des Disziplinarrats nicht aufgezeigt (zum Ganzen Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 26 Rz 15; Lässig , WK StPO § 43 Rz 9 ff; erneut RIS Justiz RS0096914, RS0096880 sowie RS0096989).
[10] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den inkriminierten Äußerungen einen anderen Bedeutungsinhalt beimisst als der Disziplinarrat (vgl ES 6 ff), verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).
[11] Gleiches gilt für den Vorwurf unzutreffender Zuordnung der entsprechenden schriftlichen Ausführungen, weil es sich tatsächlich „schon ihrem Wortlaut nach ausdrücklich um Aussagen des Mandanten des Disziplinarbeschuldigten“ handle, die dieser „bloß formuliert“ habe. Damit wird im Übrigen auch keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0117264) angesprochen (vgl RIS Justiz RS0056337).
[12] Eine rechtliche Fehlbeurteilung des festgestellten Sachverhalts zeigt die weitere Rechtsrüge mit der bloßen Behauptung, dass „die dem DB vorgeworfenen Handlungen durch dessen Berufsbefugnisse gedeckt“ gewesen seien, nicht auf.
[13] Zwar ist der Rechtsanwalt nach § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO befugt, „alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten“. Die Grenzen des § 9 Abs 1 RAO und des Art 10 MRK werden jedoch überschritten, wenn er sich unsachlicher oder erkennbar beleidigender Äußerungen bedient. Die Beurteilung hängt mit anderen Worten (auch) davon ab, wie weit eine Äußerung – trotz eines gewissen Wortüberschwanges – noch als energische und zielbewusste Vertretung des Mandanten angesehen werden kann. Gerade von einem Rechtsanwalt muss zudem verlangt werden, dass er ein vermeintliches Fehlverhalten einer Behörde mit sachlichen und juristischen Formulierungen beantwortet und Beleidigungen und unnötige Angriffe unterlässt (zum Ganzen Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 9 RAO Rz 16 ff mwN; vgl auch RIS Justiz RS0055651, RS0056168, RS0055208 [vgl insb T10]).
[14] Hievon ausgehend ist auf der Basis der Feststellungen des Disziplinarrats, wonach der Beschuldigte mit den inkriminierten Textpassagen einerseits die Klagsabweisung durch die erkennende Richterin als perfide (also bösartig, boshaft, gemein oder heimtückisch; ES 7) bezeichnet und deren Vorgangsweise unter diesem Aspekt (zumindest annähernd) mit dem (dem Zivilverfahren zugrunde liegenden) Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gleichgesetzt (1./; ES 6), die Genannte solcherart – zumindest fahrlässig (ES 8) – ebenso unsachlich beleidigt hat wie durch die vom Schuldspruch zu 2./ umfassten Äußerungen („Ausdruck einer opferverachtenden Haltung“, „ablügt“, „in widerlicher Weise“, „brennende Schande für den Rechtsstaat“, „Abkehr von Grundsätzen menschlicher Zivilisation und Rechtlichkeit“; US 4 ff, 6 ff), die vorgenommene Subsumtion nicht zu beanstanden.
[15] Das „sekundäre Feststellungsmängel“ behauptende Berufungsvorbringen erklärt nicht, weshalb es zur rechtlichen Beurteilung – über die zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerungen getroffenen Feststellungen hinaus – weiterer Sachverhaltsannahmen (insbesondere) zum „Anlassverfahren“ AZ * des Landesgerichts * bedurft hätte. Davon abgesehen wird auch nicht konkret auf Verfahrensergebnisse verwiesen, die einen für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers günstigeren Sachverhalt indiziert hätten und dennoch nicht durch Feststellungen geklärt wurden (vgl aber RIS Justiz RS0095939, RS0118580, RS0099689 [insb T9]).
[16] Eine Tatsachenrüge (Z 5a) kann in Verfahren, in denen eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorgesehen ist, nicht erhoben werden (RIS Justiz RS0132515 [T1]).
[17] Unverständlich bleibt das Vorbringen zur hilfsweisen Geltendmachung des § 281 Abs 1 Z 4 StPO.
[18] Sofern die Ausführungen zu vorliegenden Nichtigkeitsgründen auch als Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu verstehen sein sollen, vermögen sie keine substantiierten Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Disziplinarrats oder die Lösung der Schuldfrage zu wecken.
[19] Daran ändern auch die in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgelegten Urkunden aus dem Verfahren AZ * des Landesgerichts * (Protokoll vom 17. Oktober 2022, Endurteil vom 2. November 2022 und dagegen erhobene Berufung des Mandanten des Disziplinarbeschuldigten samt „Ablehnungsantrag“) nichts. Der Disziplinarbeschuldigte verkennt nämlich ein weiteres Mal, dass Gegenstand des Disziplinarverfahrens nicht eine allenfalls unrichtige Lösung der im angesprochenen Zivilverfahren entscheidungswesentlichen Rechtsfrage durch die zuständige Richterin, sondern seine – als Reaktionen auf den nicht seiner Rechtsansicht entsprechenden Ausgang dieses Verfahrens getätigten – Äußerungen in Ablehnungsantrag und Berufung sind (vgl dazu erneut RIS Justiz RS0055208 [T10]). Aus diesem Grund beziehen sich auch die zum Beweis dafür, „dass die seinerzeitigen Äußerungen berechtigt waren“, in der Berufungsverhandlung gestellten Anträge auf Beischaffung des genannten Zivilakts, mehrerer damit im Zusammenhang stehender Nc Akten und Urkunden sowie auf Vernehmung der klagenden Partei und dessen Vertreters (somit des Disziplinarbeschuldigten) nicht auf erhebliche Tatsachen, weshalb ihnen nicht zu folgen war.
[20] Der Berufung wegen Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ein Erfolg zu versagen.
[21] Der (implizit; vgl § 49 letzter Satz DSt) gegen den Ausspruch über die Strafe erhobenen Berufung kommt demgegenüber Berechtigung zu.
[22] Aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften aktuellen Auszug aus dem Disziplinarstrafenregister geht hervor, dass zwischen der hier aktuellen Tatbegehung (am 16. Februar 2017) und deren Aburteilung (am 18. März 2021) mehrere den Disziplinarbeschuldigten bestrafende (rechtskräftige) Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * liegen. In einem solchen Fall ist (nur dann) nach § 31 StGB, § 16 Abs 5 DSt auf alle Vor Erkenntnisse Bedacht zu nehmen, wenn sämtliche Taten vor dem ersten Erkenntnis liegen, somit alle Vor-Erkenntnisse durch das in § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verknüpft sind. Im Fall mehrerer nicht gemäß § 31 Abs 1 StGB verbundener Vor-Erkenntnisse ist hingegen nur auf das erste (tatnächste) Bedacht zu nehmen (RIS Justiz RS0112524, RS0075198, vgl auch RS0113612; Ratz in WK² StGB § 31 Rz 5 mwN; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 16 DSt, 903).
[23] Ausgehend davon lagen die Voraussetzungen für eine Bedachtnahme (nur) hinsichtlich der – durch tatsächliche Anwendung von § 31 Abs 1 StGB, § 16 Abs 5 DSt miteinander verknüpften – Erkenntnisse vom 21. Februar 2018 , AZ D 134/13, und vom 19. Februar 2020, AZ D 123/16, vor. Mit diesen war der Beschuldigte jeweils wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt (jeweils im Rechtsmittelverfahren; vgl die Urteile des Obersten Gerichtshofs vom 15. Oktober 2020, AZ 26 Ds 1/19z, 2/19x, sowie vom 17. Juni 2021, AZ 26 Ds 7/20h) zu einer Geldbuße von 500 Euro und (mit dem zweitgenannten Erkenntnis) zur – für eine zweijährige Probezeit bedingt nachgesehenen – Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Dauer von drei Monaten sowie zu einer Geldbuße von 4.000 Euro als Zusatzstrafe verurteilt worden, weil er durch in den Erkenntnissen detailliert angeführte Äußerungen (zu AZ D 134/13) in Schriftsätzen vom 25. und 28. September 2012 und vom 26. März 2013 sowie (zu AZ D 123/16) in Schriftsätzen vom 7. September 2015, 6. September 2016 und 18. Oktober 2016 die Grenzen des § 9 Abs 1 RAO überschritten bzw gegen § 10 Abs 2 RAO verstoßen hatte. Ersteres Erkenntnis war das den gegenständlichen Taten nächstfolgende.
[24] Eine zusätzliche Bedachtnahme auf die – gleichfalls durch Anwendung der § 31 Abs 1 StGB, § 16 Abs 5 DSt miteinander verknüpften – Erkenntnisse vom 13. September 2019, AZ D 239/18 und vom 30. Jänner 2020, AZ D 191/17, kam nicht in Betracht, weil das Disziplinarvergehen, das dem Erkenntnis zu AZ D 239/18 zugrunde lag, am 18. September 2018 , sohin nach dem Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses zu AZ D 134/13 begangen wurde.
[25] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 2.500 Euro. Bei der Strafbemessung wertete er dessen „Unbescholtenheit“ als mildernd, als erschwerend dagegen keinen Umstand.
[26] Nach ständiger Judikatur sind die für die Strafbemessung maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) auch für das anwaltliche Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (RIS Justiz RS0054839).
[27] Davon ausgehend bedürfen die vom Disziplinarrat angenommenen Strafzumessungsgründe insofern einer Ergänzung, als einerseits – auch unter Berücksichtigung der Bedachtnahmeverurteilungen – das Zusammentreffen einer Vielzahl von Disziplinarvergehen (§ 33 Abs 2 Z 1 StGB) als erschwerend zu werten war, und andererseits die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (seit April 2017; vgl ON 4) zu Gunsten des Beschuldigten ausschlägt (§ 34 Abs 2 StGB).
[28] Ausgehend von diesen ergänzten Strafzumessungsgründen würde eine innerhalb des Strafrahmens von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) zu bemessende Geldbuße in Höhe von 1.800 Euro als Zusatzstrafe Tatunrecht und Täterschuld sowie Präventionserfordernissen entsprechen und den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berufungswerbers angemessen Rechnung tragen (§ 16 Abs 6 DSt). Davon war zum Ausgleich der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer ein Betrag von 300 Euro in Abzug zu bringen, woraus sich die aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtliche Höhe der Zusatzstrafe ergibt.
[29] Ein schriftlicher Verweis (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) kommt ebenso wenig in Betracht wie ein Vorgehen nach § 39 DSt idF vor BGBl 2020/19 (vgl § 80 Abs 6 letzter Satz DSt; vgl auch RIS Justiz RS0133799), weil die dem Beschuldigten zur Last liegenden Vergehen nicht bloß geringfügige Verfehlungen darstellen (vgl RIS-Justiz RS0075487 [T1]) und die Verhängung einer Geldbuße auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen geboten ist.
[30] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.