JudikaturOGH

12Os122/22s – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Kastner in der Strafsache gegen * I* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 29. Juni 2022, GZ 22 Hv 7/22b 73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * I* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./) sowie der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (II./), des Diebstahls nach (richtig:) § 127 StGB (III./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV./) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (V./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in *

I./ am 10. November 2021 * S* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er sie plötzlich am Kopf packte, mit einer Drehbewegung auf seinem Bett zum Liegen brachte, zuerst ihre beiden Hände über dem Kopf gewaltsam festhielt, sie mit zumindest einer Hand derart stark würgte, dass sie keine Luft mehr bekam und vorübergehend das Bewusstsein verlor „(bzw zumindest wehrlos wurde)“ und sie in weiterer Folge mit seinem Penis vaginal und anal penetrierte .

Rechtliche Beurteilung

[3] Allein gegen den Schuldspruch I./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S*, wonach das im hinteren Scheidengewölbe des Opfers gefundene Spurenmaterial nicht (zwingend) bedeute, dass dieses „aktiv dort hingebracht“ worden sei (ON 72 S 3 f), ausdrücklich berücksichtigt (US 19).

[5] Ausgehend von der Feststellung vaginaler Penetration des Opfers durch den Angeklagten (US 10), stellt die Feststellung (zusätzlicher, tateinheitlich erfolgter) analer Penetration des Opfers (US 10) keine entscheidende Tatsache dar (zum Begriff siehe Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398 ff). Der betreffend die letztgenannte erhobene Einwand der Unvollständigkeit verfehlt daher sein Ziel (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 421).

[6] Die Aussage des Sachverständigen Dr. N * , wonach er nicht unterscheiden könne, ob das Spurenmaterial mit dem Finger oder dem Penis an den Auffindungsort gebracht worden sei (ON 72 S 7), steht nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den Feststellungen entscheidender Tatsachen.

[7] Mit dem Vorbringen, die Tatrichter seien zu Unrecht den Ausführungen des Dr. N* und nicht jenen des Dr. S* gefolgt, wendet sich der Beschwerdeführer bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO; RIS Justiz RS0099599).

[8] Die Feststellung der vaginalen und analen Penetration des Opfers (US 10 ) gründete das Erstgericht keineswegs allein auf dessen Angaben, sondern verwies diesbezüglich auch auf die ausgewe r teten Spuren sowie die Aussagen der Zeugen * E* und * H* (US 19 ff).

[9] Indem die Rüge mit der Behauptung eines Widerspruchs (nominell Z 5 dritter Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall) nicht von der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts ausgeht, sondern allein unter Hinweis auf die Angaben des Opfers argumentiert, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0119370).

[10] Soweit die Beschwerde die beweiswürdigende Erwägung als unbegründet (Z 5 vierter Fall) bekämpft, wonach eine Bewusstlosigkeit aufgrund der Alkoholisierung bzw eines Drogenkonsums des Opfers angesichts der Untersuchungsergebnisse auszuschließen sei (US 19), wendet sie sich nicht gegen di e Feststellung einer entscheidenden Tatsache.

[11] Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431). Mit der Behauptung, die Angaben des Opfers im Rahmen seiner Vernehmung vor der Polizei am 10. November 2021 (ON 2 S 32 ff iVm ON 72 S 9) seien nicht geeignet, die tatrichterlichen Konstatierungen zu tragen, wird gerade kein Fehlzitat behauptet, sondern werden aus dem Beweisergebnis nur andere Schlussfolgerungen abgeleitet .

[12] Gleiches gilt in Ansehung der von den Tatrichtern aus den Angaben der Zeugin * E* (ON 2 S 112 ff iVm ON 72 S 9) gezogenen Schlüsse (US 20).

[13] Mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen zur Aussage des Opfers und zu den Sachverständigengutachten Dris. N* und Dris. S* weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (vgl RIS-Justiz RS0119583).

[14] Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS Justiz RS0102162).

[15] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) ist die erschwerende Berücksichtigung der Tatbegehung sowohl durch Vaginal als auch durch Analverkehr (US 29) nicht zu beanstanden (vgl 15 Os 130/07t).

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[17] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[18] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO).

Rückverweise