23Ns3/22a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 1. Dezember 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Lovrek als weitere Richterin sowie die Rechtsanwälte Dr. Kreissl und Dr. Schlager als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwältin in *, AZ KA 103/2022 des Kammeranwalts der Rechtsanwaltskammer *, über den Antrag der Angezeigten auf Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat nach Einsichtnahme der Generalprokuratur in die Akten nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit Schreiben vom 26. September 2022 übermittelte der Kammeranwalt der * Rechtsanwaltskammer die – ihm zuständigkeitshalber vom Disziplinarrat der * Rechtsanwaltskammer zugeleitete (§ 22 DSt) – Anzeige eines Richters des Landesgerichts * gegen Rechtsanwältin * vom 7. September 2022 unter gleichzeitigem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme binnen drei Wochen an die Angezeigte und beantragte nach Einlangen deren Äußerung am 3. November 2022 die Bestellung eines Untersuchungskommissärs (§ 22 Abs 3 DSt).
[2] Mit zwei direkt beim Obersten Gerichtshof eingebrachten (gleichlautenden) Anträgen vom 19. Oktober 2022 begehrt Rechtsanwältin * die „Delegierung des hier gehörigen Verfahrens an die Rechtsanwaltskammer Innsbruck“ (zur Zulässigkeit eines Antrags auf Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat in diesem Verfahrensstadium vgl jüngst 22 Ns 2/22x).
Rechtliche Beurteilung
[3] Darin sieht sie sich unter Hinweisen auf die Vielzahl gegen sie anhängiger Disziplinarverfahren und auf einzelne mit dem gegenständlichen Anzeigesachverhalt in keinem erkennbaren Zusammenhang stehende Vorgänge als „Bauernopfer eines korrupten Systems“ und führt dazu aus, sie habe als Rechtsvertreterin in einem beim Landesgericht * anhängigen Konkursverfahren „diese Korruption“ durch Aufzeigen – aus ihrer Sicht – „unvereinbarer“ (familiärer) Beziehungen zwischen einer Richterin dieses Gerichts, einer Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft * und einem Mitarbeiter sowie dem Kanzleipartner jenes Rechtsanwalts, der als „Nummer eins Insolvenzverwalter gehandhabt“ werde, aufgedeckt. Seither habe sie nicht nur nahezu alle von ihr „abgeführten Verfahren … verloren“, sondern würden zudem Richter und Rechtsanwälte „am OLG-Sprengel * ... im gemeinschaftlichen Zusammenwirken“ Anzeigen gegen sie „veranlassen“, welche „allesamt in Disziplinarverfahren enden“. Abschließend „teilt“ sie (ohne insoweit einen konkreten Ablehnungsantrag zu stellen) „unter einem mit“, dass aufgrund dieser „gemeinschaftlichen Zusammenarbeit“, vor allem zwischen der „Richterschaft“, zwei namentlich genannten Mitgliedern des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * und (gleichfalls jeweils namentlich genannt) dessen Präsidenten, der beiden Vizepräsidenten sowie des Kammeranwalts „eine Objektivität und Unparteilichkeit“ für sie nicht gegeben sei, vielmehr sei „die gesamte Rechtsanwaltskammer * … als befangen und parteilich anzusehen, mit dem einzigen Ziel“, ihr ihre Zulassung zu entziehen.
[4] Die Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat aus dem Grund der Befangenheit (§ 25 Abs 1 DSt) ist nur dann statthaft, wenn entweder der gesamte Disziplinarrat oder so viele seiner Mitglieder befangen sind, dass dieser nicht mehr beschlussfähig ist (RIS-Justiz RS0083346; Engelhart/ Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 25 DSt Rz 2).
[5] Da solches mit den dargestellten Ausführungen nicht substantiiert vorgebracht wird und die pauschale Behauptung der Befangenheit nicht namentlich genannter Disziplinarräte keinen Delegierungsgrund darstellt (RIS Justiz RS0056885, RS0055349), war den Anträgen ein Erfolg zu versagen.
[6] Zur Entscheidung über den gleichzeitig gestellten Antrag auf „Unterbrechung und Innehaltung des Verfahrens aufgrund des oben Dargelegten“ ist der Oberste Gerichtshof nicht zuständig.