1Ob190/22f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Kapfenberg, gegen die beklagte Partei Land S*, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Ing. F*, vertreten durch die Kropiunig Kropiunig Rechtsanwalts GmbH in Leoben, und 2. Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 73.487,45 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. August 2022, GZ 5 R 41/22x-52, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Wildbach- und Lawinenverbauung erhielt von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft den Auftrag, aufgrund eines Unwetters von der Liegenschaft des Erstnebenintervenienten abgeschwemmten Schotter zu räumen, der eine Gemeindebrücke zu verlegen drohte. Mit dem Erstnebenintervenienten war vereinbart, dass der gesamte Schotter von der Brücke zur Wildfütterungsstelle auf seiner Liegenschaft transportiert und dort ausgebracht werden sollte. Nach Beginn der Räumungsarbeiten einigten sich die Wildbach- und Lawinenverbauung und der Erstnebenintervenient über Initiative von dessen Förster, dass gebrochener Schotter auch zum K*weg transportiert werden könne, um diesen Forstweg in einem gut zu befahrenden Zustand zu halten, der Transport über die Wildfütterungsstelle hinaus allerdings auf Verantwortung und Kosten des Erstnebenintervenienten stattfinden und die Wildbach- und Lawinenverbauung keine Aufsicht ausüben würde.
[2] Der Kläger, der bei der von der Wildbach- und Lawinenverbauung zum Transport des Schotters angeforderten J*gesellschaft m.b.H. beschäftigt war, stürzte dabei mit seinem LKW auf dem vom Erstnebenintervenienten gehaltenen K*weg ab.
[3] Der Kläger begehrte von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung 73.487,45 EUR sA an Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Absturz des LKW, und zwar, soweit im Revisionsverfahren noch von Relevanz, mit der Behauptung, die Mitarbeiter der Wildbach- und Lawinenverbauung hätten es unterlassen, für die Sicherheit des K*wegs zu sorgen, wozu sie nach dem Steiermärkischen Katastrophenschutzgesetz verpflichtet gewesen wären.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.
[5] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Ein Organverhalten durch Unterlassung ist nach ständiger Rechtsprechung dann rechtswidrig, wenn und soweit eine Handlungspflicht bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (RS0081378 [T3]). Maßgeblich für das Entstehen einer Handlungspflicht ist – außerhalb konkreter gesetzlicher Verhaltensvorgaben – das Erkennen bzw die Erkennbarkeit der Gefahr (1 Ob 103/14z mwN). Voraussetzung für eine Haftung des Rechtsträgers ist zudem, dass die von Amts wegen zu treffende Maßnahme schuldhaft nicht gesetzt wurde (1 Ob 128/15b mwN; vgl RS0081378 [T12]).
[7] 2. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist eine rechtliche Grundlage für eine Verpflichtung der Beklagten nicht zu erkennen, zur Verhinderung eines Schadens das gefahrlose Befahren des im Eigentum des Erstnebenintervenienten stehenden Wegs zu ermöglichen. Der gesetzliche Auftrag nach § 5 Abs 1 Steiermärkisches Katastrophenschutzgesetz, den Einsatz der Organisationen des Katastrophenschutzes anzuordnen und für die Koordinierung aller Einsatzmaßnahmen zu sorgen, begründe nicht auch die Verantwortung für nicht zur Katastrophenbekämpfung erforderliche Instandhaltungsarbeiten an einem von einem Dritten gehaltenen und auf dessen Veranlassung und Rechnung zu sanierenden Wegs. Soweit der Kläger aus § 1 Steiermärkisches Katastrophenschutzgesetz die Verpflichtung der Beklagten ableite, „die für die Bekämpfung der Gefahr [erkennbar des Abrutschens des Klägers] erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen“, verkenne er, dass der Unfall des Klägers keine „Katastrophe“ im Sinn des genannten Bestimmung sei. Mit Blick auf die Aufgabe der Beklagten, für die Entfernung des ausgeschwemmten Schotters im Bereich der Brücke und dessen Abtransport zur Wildfütterungsstelle zu sorgen, komme ihr auch keine Zuständigkeit für die Einsatzleitung zur sicheren Abwicklung der Baustelle auf der Forststraße des Erstnebenintervenienten zu.
[8] 3. Dem setzt der Revisionswerber bloß die Behauptung entgegen, dass die Beklagte nach dem Steiermärkischen Katastrophenschutzgesetz sehr wohl zu „Schutzmaßnahmen (wie etwa Auspflocken des Arbeitsbereichs/Wegs; Bereitstellen eines Einweisers etc)“ verpflichtet gewesen wäre. Außerdem seien aus der generellen Fürsorgepflicht und dem Arbeitnehmerschutz ähnliche Verpflichtungen ableitbar. In dem Zusammenhang zitiert er die Vorschrift des § 144 Bauarbeiterschutzverordnung.
[9] Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht Arbeitgeberin des Klägers und daher nicht Normadressatin der Arbeitnehmerschutzvorschriften ist, nennt der Kläger keine konkreten Anhaltspunkte, warum für Organe der Beklagten erkennbar gewesen sein sollte, dass das Befahren des K*wegs, eines nach den Feststellungen in den 1950er Jahren errichteten und von den Betriebsförstern kontrollierten Hauptwegs im Unternehmen des Erstnebenintervenienten, der regelmäßig von LKW für die Holzbringung befahren wird, mit einem Schottertransport in irgendeiner Form mit einer besonderen Gefahr verbunden war. Eine Handlungspflicht der Organe der Beklagten, für das gefahrlose Befahren dieses Wegs zu sorgen, vermag der Kläger schon aus diesem Grund nicht aufzuzeigen.
[10] Es kommt daher gar nicht mehr darauf an, ob der Transport des Schotters zum K*weg, um diesen auf Veranlassung und Kosten des Erstnebenintervenienten zu sanieren, überhaupt in einem Zusammenhang mit einer Aufgabe hoheitlicher Natur im Rahmen des Katastrophenschutzes steht (vgl RS0049930; RS0049948), obwohl der Vertrag zwischen der Wildbach- und Lawinenverbauung und dem Arbeitgeber des Klägers nach den Feststellungen lediglich den Transport des Schotters von der Brücke bis zu Wildfütterungsstelle umfasste.