JudikaturOGH

3Ob171/22a – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) L* S*, 2) C* S*, ebendort, vertreten durch Reiffenstuhl Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OG in Wien, und die Nebenintervenientin G* Versicherung AG, *, vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Kurt Berger und Dr. Mathias Ettel, Rechtsanwälte in Wien, wegen 126.594,17 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Juni 2022, GZ 6 R 49/22b 90, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldbach vom 5. Oktober 2021, GZ 17 C 375/19z 75, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von Z* GmbH auf Z* GmbH richtiggestellt.

II.) Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Ad I.):

[1] Die ursprüngliche Beklagte (FN *) wurde mit Generalversammlungsbeschluss vom 9. 9. 2022 auf der Grundlage des Verschmelzungsvertrags ebenfalls vom 9. 9. 2022 als übertragende Gesellschaft mit der Z* GmbH (FN *) als übernehmender Gesellschaft verschmolzen. Es ist Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Die ursprünglich Beklagte wurde im Firmenbuch gelöscht.

[2] Im Falle einer solchen Gesamtrechtsnachfolge ist bei laufendem Verfahren die Parteibezeichnung auf den Namen der Rechtsnachfolgerin richtigzustellen (vgl RS0113856; 9 ObA 178/02w).

Ad II.):

[3] Die Kläger führen einen Aufzuchtbetrieb für Jungpflanzen. Am 13./14. 6. 2019 beauftragte die Beklagte, eine Gemüseproduzentin, die Kläger mit der Aufzucht von 66.200 Stück dreitriebigen, 40 cm hohen Tomatenjungpflanzen einer bestimmten Sorte zum Gesamtpreis von 129.781,07 EUR; der Samen wurde von der Beklagten beigestellt.

[4] Am 27. 6. 2019 wurde bei einem Hagelunwetter das Dach des Gewächshauses der Kläger beschädigt, sodass Hagel, Regenwasser und Schmutz eindrangen, was letztlich zu einem Pilzbefall an den Tomatenpflanzen führte. Der Erstkläger erklärte der Beklagten, dass deren Pflanzen vom Hagel praktisch nicht betroffen seien. Aufgrund des tatsächlich doch eingetretenen Hagelschadens wäre eine Sofortbehandlung mit einem Fungizid dringend erforderlich gewesen. Die Kläger setzten allerdings keine zusätzlichen Pflanzenschutzmittel ein.

[5] In der Zeit vom 5. bis 7. 8. 2019 lieferten die Kläger die Tomatenjungpflanzen an die Beklagte, wobei auch kleinere Pflanzen und solche mit weniger Triebe als vereinbart übergeben wurden. Die Beklagte reklamierte diesen Umstand am 7. 8. 2019. Am 19. 8. 2019 stellte die Beklagte erstmals fest, dass alle von den Klägern gelieferten Tomatenpflanzen mit einem Pilz befallen waren . Der Geschäftsführer der Beklagten informierte unverzüglich sowohl telefonisch als auch per E Mail den Erstkläger und übermittelte ein umfangreiches Bildmaterial; am 22. 8. 2019 rügte er den Mangel noch einmal schriftlich.

[6] Der Pilzbefall war bei Anlieferung der Tomatenpflanzen bzw zwei Tage danach mit freiem Auge von Außen nicht sichtbar. Demgegenüber hätten die Kläger bei Vornahme der gebotenen Endkontrolle vor der Anlieferung den Pilzbefall erkennen können. Sie hätten die Tomatenpflanzen entweder vernichten oder vor der Anlieferung mit Pflanzenschutz so behandeln müssen, dass die Weiterkultur möglich ist.

[7] Die gelieferten Tomatenpflanzen hatten keinen Verkehrswert. Aus gartenbautechnischer Sicht hätten die gelieferten Pflanzen aufgrund des hohen Infektionsrisikos entsorgt werden müssen. Die Beklagte versuchte jedoch, die Pflanzen zu retten, indem sie diverse Pflanzenschutzmaßnahmen (Behandlung mit einem Fungizid, Ziehen von Seitentrieben und Anlegen von Manschette) ergriff. Der Rettungsversuch durch die Beklagte war letztlich erfolgreich. Trotz der unverzüglich eingesetzten Rettungsmaßnahmen erlitt die Beklagte (von der KW 36 bis KW 41) jedoch einen Ertragsverlust von 97.282 kg. Die Rettung der Pflanzen durch die Beklagte war aus gartenbautechnischer Sicht nicht empfehlenswert, weil die Infektion auf den gesamten Betrieb hätte übergehen können.

[8] Die Kläger begehrten für die Lieferung der Tomatenjungpflanzen die Zahlung von 126.594,17 EUR sA; der geringfügige Abzug betraf die zu geringe Größe der Pflanzen.

[9] Die Beklagte entgegnete, dass sämtliche Jungpflanzen zum Zeitpunkt der Übergabe mit einer Pilzinfektion befallen gewesen seien, weshalb die Lieferung wertlos gewesen sei. Für die Rettung der Pflanzen sei ihr ein Aufwand von zumindest 6.339,90 EUR entstanden. Außerdem habe sie einen Umsatzverlust von 344.807,11 EUR erlitten. Nach Abzug der ersparten Kosten für Ernte, Verpackung und Transport ergebe sich ein entgangener Gewinn von 292.396,50 EUR. Die ihr zustehenden Schadenersatzforderungen wende sie gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klagsforderung compensando ein.

[10] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aufgrund des Pilzbefalls sei die Beklagte gemäß § 932 ABGB berechtigt, das Entgelt für die Pflanzenlieferung auf Null zu mindern. Die Beklagte sei auch nicht bereichert, weil sie den Nutzen aus den wertlosen Pflanzen nur deshalb gezogen habe, indem sie das Risiko der Rettung eingegangen sei.

[11] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Im Anlassfall sei es gerechtfertigt, bei der Ermittlung der Preisminderung den Nutzen, den die Pflanzen aufgrund der Rettungsbemühungen der Beklagten aufgewiesen hätten, nicht zu Gunsten der Kläger zu berücksichtigen. Die Beklagte habe die Mängel auch rechtzeitig gerügt. Außerdem sei den Klägern grobe Fahrlässigkeit anzulasten, weshalb sie sich im Sinn von § 377 Abs 5 UGB auch nicht auf eine verspätete Mängelrüge berufen könnten. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[12] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

[13] Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig; sie ist im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[15] 1.1 Die Kläger führen in der Revision vor allem ins Treffen, dass dem Übernehmer kein Preisminderungsanspruch (hier auf Null) zustehe, wenn dieser Verbesserung verlange oder – wie hier – die Verbesserung selbst vornehme und im Weg des schadenersatzrechtlichen Erfüllungsanspruchs Ersatz der (von den Klägern zugestandenen) Behebungskosten begehre. Im Anlassfall sei der Mangel durch die Beklagte mit einem Aufwand von 6.457,02 EUR vollständig behoben worden, sodass kein Mangel mehr vorgelegen habe und daher auch kein Preisminderungsanspruch bestehe.

[16] 1.2 Die Kläger bringen damit zum Ausdruck, dass die Klagsforderung entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht als wertlos qualifiziert und mit Null bewertet werden könne.

[17] Damit sind sie im Ergebnis im Recht. Auf die von der Beklagten eingewendeten Gegenforderungen sind die Vorinstanzen nicht eingegangen.

[18] 2. Beim zugrunde liegenden Vertrag handelt es sich unstrittig um einen Werk (Lieferungs )Vertrag sowie um ein beiderseitiges unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft.

[19] Im Werkvertragsrecht steht für wertlose Leistungen schon grundsätzlich kein Entgelt zu (RS0103885; 9 Ob 98/09s; 7 Ob 137/12s). Entgegen den Ausführungen der Kläger geht es hier nicht um eine Preisminderung „auf Null“ im Rahmen der sekundären Gewährleistungsrechtsbehelfe, die aufgrund der – im Weg der Gegenforderungen – geltend gemachten (Selbst-)Verbesserung ausgeschlossen sei. Aus diesem Grund ist auch der Hinweis der Kläger auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zielführend, wonach die Beklagte auf Preisminderung verzichtet habe.

[20] 3.1 Die Beklagte hat keine Schadensminderungsobliegenheit (hier Rettungsobliegenheit) getroffen, weil ihr die Übernahme des dadurch bedingten Infektionsrisikos nicht zumutbar war. Sie hätte die pilzbefallenen Tomatenpflanzen daher als wertlose Leistungen an die Kläger zurückstellen oder diese gegebenenfalls entsorgen können und dafür kein Entgelt zahlen müssen.

[21] 3.2 Die Beklagte hat von dieser Möglichkeit allerdings keinen Gebrauch gemacht, sondern die Lieferung der Kläger als – wenngleich mangelhafte – Erfüllung des Vertrags akzeptiert und daraus aufgrund ihrer eigenen, letztlich erfolgreichen Rettungsbemühungen einen Nutzen gezogen. Dementsprechend wurde für das Revisionsverfahren bindend festgestellt, dass die Tomatenpflanzen aufgrund der Pflanzenschutzmaßnahmen der Beklagten ab der KW 42 wieder im Vollertrag standen.

[22] Nimmt der Besteller eine Rettung vor, ist diese erfolgreich und kann das Produkt letztlich, allenfalls in geringerer Menge oder Qualität, in den Verkehr gebracht werden, so kann sich dieser nicht mehr auf die Wertlosigkeit der Lieferung berufen. Er kann – mit Rücksicht auf das Prozessvorbringen der Beklagten – (neben dem Gewinnausfall) den (von den Klägern zugestandenen) Verbesserungsaufwand begehren und den durch die Rettungsbemühungen entstandenen Schaden (Mangelschaden und Mangelfolgeschäden) geltend machen. Die Berücksichtigung dieser Schadenersatzansprüche hat im Weg der eingewendeten Gegenforderungen zu erfolgen.

[23] 3.3 Nach den bindenden Feststellungen erlitt die Beklagte einen Ertragsverlust von 97.282 kg; diese hat den daraus resultierenden Gewinnausfall mit 292.396,50 EUR beziffert; die Vorinstanzen haben dazu jedoch keine Feststellungen getroffen. Hinzu kommt der Mangelbehebungsaufwand, den die Kläger in der Revision mit 6.457,02 EUR zugestehen.

[24] 3.4 Die Ansicht der Kläger, dass den Beklagten nur der Mangelbehebungsaufwand gebühre, ist nicht zutreffend . Bei Vorliegen eines – hier nicht zu bezweifelnden – Verschuldens der Kläger können die Beklagten sowohl den Ersatz des Mangelschadens in Form der Mangelbehebungskosten als auch der Mangelfolgeschäden (hier des Gewinnausfalls) begehren (vgl RS0054272; RS0086353).

[25] 3.5 Soweit die Kläger in der Revision ausführen, dass „bei mit freiem Auge sichtbaren Mängeln“ nach § 928 ABGB von vornherein keine Gewährleistung stattfinde, ist ihnen zu entgegnen , dass der Pilzbefall nach den bindenden Feststellungen für die Beklagten bei der Anlieferung nicht offenkundig war und sich die Offenkundigkeit nach der genannten Gesetzesstelle überdies auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht auf den Lieferzeitpunkt bezieht (vgl 1 Ob 186/09y; 1 Ob 14/13k).

[26] 4.1 Die Kläger führen in der Revision noch ins Treffen, dass die Beklagte die Mängel nicht rechtzeitig und nicht ordnungsgemäß gerügt habe.

[27] Darin kann ihnen nicht beigepflichtet werden.

[28] 4.2 Gemäß § 381 Abs 2 UGB ist § 377 UGB über die Rügeobliegenheit bei einem beiderseitigen unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft auch auf den Werklieferungsvertrag anzuwenden (7 Ob 295/04i; 6 Ob 107/21k).

[29] Nach § 377 Abs 1 UGB muss der Übernehmer bei zweiseitig unternehmensbezogenen Geschäften dem Übergeber alle Mängel, die bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang bei Ablieferung durch Untersuchung feststellbar sind, binnen angemessener Frist anzeigen. Nach Abs 3 leg cit sind verborgene Mängel, die sich erst später zeigen, binnen angemessener Frist ab Erkennbarkeit zu rügen. Die Dauer der Rügefrist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; im Zweifel beträgt sie in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Art 39 CISG 14 Tage (RS0122080; 2 Ob 146/21v).

[30] Ausgehend von den bindenden Feststellungen hat die Beklagte die Mängel sowohl hinsichtlich der zu geringen Größe und fehlenden Triebe als auch hinsichtlich des Pilzbefalls unverzüglich jeweils ab Erkennbarkeit gerügt.

[31] 4.3 Die Beklagte hat auch nicht etwa gegen die sie treffende Untersuchungsobliegenheit verstoßen. Die Untersuchungsanforderungen nach § 377 UGB hängen wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Natur der Ware, den Branchengepflogenheiten, vom Gewicht möglicher Mangelfolgen und von Auffälligkeiten der Ware (RS0112467; 2 Ob 22/16y). Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung dürfen nicht überspannt werden. Die Untersuchungsobliegenheit bezieht sich grundsätzlich auf die Beanstandung offensichtlicher, in die Augen fallender Mängel (vgl RS0018545). Bei Lieferung größerer Mengen von Waren genügen im Allgemeinen repräsentative Stichproben. Eine fachkundige Detailuntersuchung oder sogar eine Untersuchung durch einen Sachverständigen (zB eine chemische Analyse) ist nur geboten, wenn Grund zur Annahme eines nur für Sachkundige erkennbaren Mangels besteht (vgl 4 Ob 167/11d).

[32] Nach den bindenden Feststellungen hatte die Beklagte keinen Grund zur Annahme, dass die von den Klägern gelieferten Tomatenpflanzen mit einem Pilz befallen sein könnten, zumal die Kläger zuvor erklärten, dass diese Pflanzen vom Hagel praktisch nicht betroffen waren. Entgegen dem Standpunkt der Kläger konnte auch allein aus der Kleinwüchsigkeit der Pflanzen nicht auf einen Pilzbefall geschlossen werden. Aufgrund dieser Umstände sowie angesichts der großen Liefermenge konnte sich die Beklagte mit einer stichprobenartigen routinemäßigen Überprüfung begnügen. Der Pilzbefall wäre aber nur bei einer genauen Untersuchung der Wurzeln erkennbar gewesen.

[33] Warum die Mängelrügen der Beklagten nicht ausreichend substantiiert gewesen sein sollen, vermögen die Kläger nicht stichhaltig zu begründen.

[34] 4.4 Aufgrund der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Mängelrüge der Beklagten kommt es auf die weitere Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, wonach sich die Kläger auf der Grundlage des § 377 Abs 5 UGB auf eine Verspätung der Rüge gar nicht berufen könnten, weil diese den Mangel grob fahrlässig verursacht hätten, nicht weiter an.

[35] 5. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass nach der Übernahme und Verwendung der Pflanzen durch die Beklagte rechtlich nicht (mehr) von der Wertlosigkeit dieser P flanzen ausgegangen werden, sondern die Beklagte die ihr aus der Schlechterfüllung entstandenen Mangel- und Mangelfolgeschäden im Weg der eingewendeten Gegenforderungen geltend machen kann. Die Vorinstanzen haben zu deren Höhe jedoch keine Feststellungen getroffen.

[36] Damit hält die Entscheidung der Vorinstanzen der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand. Wegen der vorliegenden sekundären Feststellungsmängel ist eine abschließende Beurteilung der Rechtssache noch nicht möglich. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher – in Stattgebung der Revision – aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[37] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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