3Ob159/22m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei E*, vertreten durch Dr. Johannes Hebenstreit, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die verpflichteten Parteien 1. H* GmbH, *, vertreten durch Mag. Albert Steinrisser, Rechtsanwalt in Schladming, 2. P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Exekution zur Erwirkung einer vertretbaren Handlung gemäß § 353 EO, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 14. Juli 2022, GZ 53 R 96/22g-33, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 28. März 2022, GZ 5 E 712/22v-7, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die betreibenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortungen selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Laut rechtskräftigem Versäumungsurteil sind die Verpflichteten schuldig, der Betreibenden eine „sach-, fach- und normgerechte Beheizbarkeit“ in bestimmten Räumlichkeiten sowie eine „sach- und fachgerechte Versorgung (...) mit elektrischem Strom über eine Photovoltaikanlage“ herzustellen.
[2] Das Erstgericht bewilligte antragsgemäß die Exekution gemäß § 353 EO. Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag ab.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
[4] 1.1 Für die Beurteilung des Umfangs des Gegenstands eines Exekutionstitels ist der Spruch maßgebend, und die Exekution hat sich streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten; führt die Auslegung des Spruchs nach dem gewöhnlichen Wortsinn zu keinem Ergebnis, ist auch die der Entscheidung beigegebene Begründung heranzuziehen (RS0000296 [T4, T6]).
[5] 1.2 Im Exekutionsantrag nach § 353 EO hat die betreibende Partei zu behaupten, dass der Verpflichtete die ihm laut Exekutionstitel obliegenden Handlungen nicht oder nicht vollständig vorgenommen hat. Sie muss genau anführen, zur Vornahme welcher Handlungen sie an Stelle des Verpflichteten ermächtigt werden soll (RS0000808 [T1]). Im Exekutionstitel müssen vertretbare Handlungen so genau umschrieben werden, wie dies tunlich ist (RS0000808 [T9]; vgl auch RS0109436). Ein auf vertretbare Handlungen lautender Titel muss nicht nur durch deren genaue Beschaffenheit, sondern auch durch den Ort der Leistung genau umschrieben sein (RS0000489 [T4]).
[6] 1.3 Zur genauen Beschreibung vorzunehmender Arbeiten kann der Betreibende nötigenfalls Pläne oder Sachverständige heranziehen, wobei die dafür auflaufenden, notwendigen Kosten Exekutionskosten darstellen (RS0000808 [T3]; Höllwerth in Deixler-Hübner , EO § 353 Rz 16 mwN). Im Bewilligungsbeschluss sind die Handlungen, zu denen der Betreibende zwecks Ersatzvornahme ermächtigt wird, genau anzugeben; nach zweckdienlichen Erhebungen verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des betreibenden Gläubigers (3 Ob 31/90; Höllwerth in Deixler-Hübner , EO § 353 Rz 20 mwN).
[7] 1.4 Dass eine Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt (RS0102181 [T1]). Auch die Frage, ob die im Exekutionsantrag begehrten, im Wege der Ersatzvornahme durchzusetzenden vertretbaren Handlungen hinreichend genau umschrieben und vom Exekutionstitel gedeckt sind, kann nur einzelfallabhängig beantwortet werden und wirft daher – von einer unvertretbaren Auslegung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[8] 2.1 Die Entscheidung des Rekursgerichts, die insbesondere darauf verweist, dass Gegenstand der zu erbringenden vertretbaren Leistungen nicht die Neuerrichtung einer Anlage, sondern Verbesserungsarbeiten aus einem Werkvertragsverhältnis zwischen den Parteien sind, die im Versäumungsurteil nicht als solche beschrieben wurden, hält sich im Rahmen der wiedergegebenen Judikaturgrundsätze. Auch die von der Betreibenden über Aufforderung des Erstgerichts ergänzten Beschreibungen der durchzuführenden Arbeiten lassen nicht erkennen, in welcher Weise welche (allfälligen) Mängel der für die Räumlichkeiten bereits errichteten Heizungs- und Photovoltaikanlage durch diese Handlungen konkret behoben werden sollten, weil etwa von der „Errichtung einer Photovoltaikanlage“ die Rede ist, obwohl unstrittig eine solche bereits errichtet wurde.
[9] 2.2 Die Betreibende verweist in ihrem Revisionsrekurs auf RS0000974 und RS0106882 [T2] und meint, mit dieser Rechtsprechung stehe der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts im Widerspruch, was allerdings nicht zutrifft.
[10] 2.2.1 Zu 5 Ob 162/63 (= RS0000974) wurde ausgesprochen, dass das Klagebegehren, den früheren Zustand eines Grundstücks „durch Wiederaufforstung“ wieder herzustellen, hinreichend bestimmt und „exekutionstauglich“ sei. Bei Berücksichtigung des Orts- und Sprachgebrauchs sowie nach den Regeln des Verkehrs lasse sich diesem Begehren entnehmen, was damit gemeint sei; der Begriff der Wiederaufforstung sei in Waldgegenden und unter Waldbesitzern vollkommen klar. Weitere Entscheidungen sind diesem Rechtssatz nicht zugeordnet.
[11] 2.2.2 Der Entscheidung 6 Ob 293/00g, aus der der Rechtssatz RS0106882 [T2] gebildet wurde, lag ein Fall zugrunde, in dem die Mieterin eines im Erdgeschoß gelegenen Lokals, in dem sie ein Café-Restaurant betrieb, von ihrem Vermieter verlangte, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Markise ihres Schanigartens nicht mehr durch brennende Zigarettenstummel beschädigt werde, die aus den darüber liegenden Wohnungen herabgeworfen wurden. Dieses Begehren wurde mit Hinweis darauf als hinreichend bestimmt angesehen, dass die Wahl der Mittel, um dem Mieter den ordnungsgemäßen Gebrauch des Bestandobjekts zu erhalten, grundsätzlich dem Vermieter überlassen bleiben müsse.
[12] 2.2.3 Wie die Verpflichteten bereits im erstinstanzlichen Verfahren einwendeten, existiert weder hinsichtlich der „Beheizbarkeit“ von Wohnungen noch betreffend die Errichtung von Photovoltaikanlagen ein „Orts- oder Sprachgebrauch“, der eine bestimmte Ausführung dieser Anlagen für bestimmte Räumlichkeiten als (allein) „sach-, fach- und normgerecht“ festlegen würde. Darüber hinaus sind die Einzelheiten der zwischen den Parteien strittigen Verbesserungserfordernisse aus den im Antrag begehrten Maßnahmen nicht erkennbar. Mit der Besonderheit der Erhaltung der vertragsgemäßen Gebrauchsmöglichkeit eines Bestandobjekts durch den Vermieter ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.
[13] 2.3 In der bereits vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 3 Ob 90/15d kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die Verpflichtung, einen „Starkstromanschluss für die Widmungskategorie Industriegrundstück“ auf einem bestimmten Grundstück zu errichten, keine taugliche Individualisierung der geschuldeten Leistung sei. Mit dieser Entscheidung stimmt der angefochtene Beschluss im Grundsatz überein. Schließlich lässt sich auch aus dem Hinweis der Betreibenden auf Ö Normen keine geeignete Präzisierung für die vorzunehmenden Handlungen entnehmen, weil mit diesen etwa – wie dies die Verpflichteten ebenfalls bereits im erstinstanzlichen Verfahren einwendeten – Fragen der Art und des Umfangs einer allenfalls notwendigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Photovoltaikanlage nicht geklärt werden können.
[14] 2.4 Entgegen der Auffassung der Betreibenden ist die Entscheidung des Rekursgerichts im hier vorliegenden – sehr spezifischen – Einzelfall nicht korrekturbedürftig und eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung wird insgesamt nicht aufgeworfen.
[15] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren nach wie vor einseitig. Die von den Verpflichteten erstatteten Revisionsrekursbeantwortungen sind zwar mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RS0118686 [T11]), sie waren allerdings zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich und sind daher nicht zu honorieren (RS0118686 [T12]).