JudikaturOGH

11Os107/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kornauth als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des * H* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 26. August 2022, GZ 13 Hv 86/22y 26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er – verkürzt wiedergegeben – am 23. Juni 2022 in R* unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer anhaltenden wahnhaften Störung (ICD 10: F22.0), * A * durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu m Verlassen des Grundstücks nötigte , indem er mit erhobener Axt auf diesen zuging und dabei sinngemäß äußerte, er werde ihn mit der Axt niederschlagen,

somit eine Tat begangen hat, die als Ver brechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5a und 11 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

[3] Insoweit der Betroffene vorbringt, dass nach Einwilligung des Verteidigers in die Verkürzung der Vorbereitungsfrist der „umfangreiche“ [elektronische] Strafakt „erst am 25. 8. 2022 [zur Akteneinsicht] freigeschaltet“ wurde, verkennt er, dass nur die nicht rechtzeitige Vorladung des (hier) Betroffenen und des Verteidigers zur Hauptverhandlung unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion steht (RIS Justiz RS0124393).

[4] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus den vom Erstgericht angeführten Prämissen, teils unter Verweis auf einzelne als „unwahr“ und „gelogen“ bezeichnete Aussagepassagen des Opfers, teils durch eigene Beweiswerterwägungen auch zur körperlichen Verfassung des 88-jährigen Betroffenen, der eine langstielige Axt nicht hätte „schleudern“ können, für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlüsse zieht, verfehlt sie den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0099674).

[5] Mit dem Vorbringen, es sei „gegenständlich davon auszugehen, dass der Betroffene überhaupt nicht verhandlungsfähig“ (siehe dazu RIS Justiz RS0117395, RS0098977) gewesen wäre, lässt die Rüge weder einen Bezug zum geltend gemachten (Z 5a) noch zu einem anderen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 StPO erkennen. Auf einen (auf Vertagung wegen Verhandlungsunfähigkeit abzielenden) Antrag des (durch einen Verteidiger vertretenen) Beschwerdeführers, dem das Schöffengericht nicht entsprochen hätte (Z 4; dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 302, 309), stützt sich das Rechtsmittel ebenso wenig.

Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein aus Z 5a beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS Justiz RS0102162).

[6] Soweit die Beschwerde sich in diesem Zusammenhang sowie unter Bezugnahme auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gegen die Feststellungen zur Fundierung der Gefährlichkeitsprognose richtet und auf die Angaben des Betroffenen sowie die Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen in der Hauptverhandlung verweist, wird ausschließlich ein Berufungsvorbringen erstattet (vgl RIS Justiz RS0113980, RS0118581).

[7] Die weitere Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet, das angefochtene Urteil ließe Feststellungen zu den Prognosekriterien nach § 21 Abs 1 StGB vermissen.

[8] Nichtigkeit eines Ausspruchs nach § 21 Abs 1 StGB aus Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO liegt vor, wenn die Gefährlichkeitsprognose zumindest eine der in der angesprochenen Norm genannten Erkenntnisquellen, nämlich Person und Zustand des Rechtsbrechers im Urteilszeitpunkt sowie Art der Tat, vernachlässigt oder die aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Ableitung der Befürchtung, also die rechtliche Wertung einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Sachverhaltsannahme, der Rechtsbrecher werde (zumindest) eine Handlung begehen, welche ihrerseits rechtlich als mit Strafe bedroht und entsprechend sozialschädlich (mit schweren Folgen) zu beurteilen wäre, als willkürlich erscheinen lässt (vgl neuerlich RIS Justiz RS0113980, RS0118581).

[9] Der Rechtsmittelwerber hält dabei durch Wiedergabe bloß einer Urteilspassage nicht an den Feststellungen des Erstgerichts fest und legt überdies nicht dar, weshalb die von diesem zu diesen Kriterien getroffenen Feststellungen (US 4 f) nicht ausreichen sollten.

[10] D ie Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene (angemeldete – ON 27.2.) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Hieraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung (§ 285i StPO).

Rückverweise