JudikaturOGH

11Os36/22m – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kornauth als Schriftführer in der Strafsache gegen * W* wegen des Verbrechens nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 9. Februar 2022, GZ 38 Hv 43/21i 28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde * W* mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil des Verbrechens nach § 3g VG schuldig erkannt. Die Geschworenen haben die hiezu in Richtung des Verbrechens nach § 3g VG gestellte Hauptfrage I bejaht.

[2] Danach hat er sich in M* und an anderen Orten Österreichs auf andere als die in den §§ 3a bis 3 f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er sich als eine den Nationalsozialismus befürwortende Person präsentierte und ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus als zeitgemäß darstellte, und zwar im Zeitraum 21. November 2017 bis 13. Juli 2020 durch Versenden folgender Nachrichten über den Kommunikationsdienst WhatsApp

1) an die 39 Mitglieder der WhatsApp Gruppe „VENEDIGERPASS“:

a) am 11. Dezember 2017 und 11. November 2019 jeweils einen Text mit der Überschrift „EU Weihnachtsgedicht“ mit folgendem Inhalt: „Vom Arbeitsamt da komme ich her, offene Stellen gibt es nicht mehr. Überall auf den Stufen und Kanten, sitzen Asylanten mit ihren Verwandten. Und draußen vor verschlossenem Tor stehen geduldig die Österreicher davor. Und wie ich so geh am Rathaus vorbei, da sehe ich nur Leute aus der Türkei. Die Feilschen und füllen mit Geld ihre Taschen, da gucken wir dumm, wir einheimische Flaschen! Dann fahr ich nach Hause mit dem Bus, vor mir sitzt ein wohlgedeutschter Russ. Und wie ich da sitze und Zeitung lese, kommt noch ein geflohener Vietnamese. Ich stolpere nach Hause, in den Vorraum hinein, brechen gerade über den Garten Ostkriminelle ein. Auch an Renten ist nichts mehr zu holen, wir kommen ja nicht aus Rumänien oder Polen. Liebe Regierung, komm sei unser Gast und gib uns Österreichern die Hälfte von dem, was für Asylanten und Aussiedler du übrig hast. Der Ali hat Kohle, das Hassan hat Drogen, wir Österreicher zahlen und werden betrogen!!!“,

b) am 31. Dezember 2017, ein Schwarz-Weiß-Foto von Adolf Hitler, der auf einem Schlitten sitzt, samt dem Text „GUTEN RUTSCH FROINDE!“,

c) am 17. Jänner 2018 ein Schwarz-Weiß-Foto, das Adolf Hitler inmitten mehrerer junger Frauen zeigt, samt dem Text „Bachelor 1933“,

d) am 17. Jänner 2018 ein Bild eines Mannes, mutmaßlich mit Down-Syndrom, der einen Zettel mit dem Text „zum Glück bin ich kein Neger“ hochhält,

e) am 2. April 2018 eine Fotomontage, bestehend aus einem grauen Schuh der Marke „Adidas“, wobei der Schuh an der Seite anstatt der typischen drei Streifen ein Hakenkreuz aufweist, mit dem Schriftzug „adidas REICH“, der Überschrift „nur in den Größen 39–45 erhältlich; Aktion 'Heiler Fuß'“ und einem dem Unternehmen „Deichmann“ nachempfundenen Logo, wobei das typische „D“ durch ein „R“ sowie das Wort „Deichmann“ durch „Reichmann“ ersetzt wurde,

f) am 6. Mai 2018 eine mutmaßlich in einer Aufzuchthalle für Puten erstellte Videoaufnahme, wobei eine Stimme dreimal lautstark „Sieg“ schreit und durch die Laute der Tiere der Eindruck hervorgerufen wird, es werde „Sieg Heil“ geschrien,

g) am 9. Juni 2018 eine Fotomontage, zeigend Adolf Hitler und einen Rasierer, der jeweils auf der linken und rechten Seite einen „Klingenteil“, in der Mitte jedoch einen Freiraum hat, sodass beim Rasieren der typische Oberlippenbart Adolf Hitlers entstehen würde, samt dem Text „Gillette Fusion; Führer Edition“,

h) am 17. Juli 2018 eine Videomontage, bestehend aus einem Zusammenschnitt einer Rede von Adolf Hitler, in der dieser „den deutschen Jungen der Zukunft“ beschreibt (schlank, rank, flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl) und daran anschließend eine Rede der deutschen Bundestagsabgeordneten * G* (B90/Grüne), in der diese ausführt, dass „Jungs natürlich auch Glitzernagellack verwenden oder Einhornstaub versprühen dürfen“,

i) am 9. November 2018 ein Foto eines Prospekts der deutschen Reichspost betreffend die Großglockner Hochalpenstraße mit einem aufgedruckten Reichsadler samt „Lorbeerkranz“ und Hakenkreuz in den Krallen,

j) am 31. Dezember 2018 und 31. Dezember 2019 ein Schwarz-Weiß-Foto von Adolf Hitler, der auf einem Schlitten sitzt, samt dem Text „Guten Rutsch Kameraden“,

k) am 20. April 2020, dem Geburtstag von Adolf Hitler, ein Schwarz-Weiß-Foto, das Adolf Hitler mit erhobener rechter Hand zeigt, samt dem Text „WER HAT DENN HEUT GEBURTSTAG“,

l) am 24. Februar 2020 eine Videomontage, bestehend aus einem Zusammenschnitt mehrerer Propagandavideos des NS-Regimes, wobei zum Musikstück „Humba Tätärä“ abwechselnd Adolf Hitler mit Gefolge, eine jubelnde Menschenmenge und marschierende Wehrmachtstruppen zu sehen sind, sodass der Eindruck erweckt wird, Adolf Hitler und die jubelnde Menschenmenge skandieren die Buchstaben „H-U-M-B-A“,

m) am 13. Juli 2020 ein Foto einer Glasflasche mit einem Etikett, das eine grafische Darstellung eines Soldaten zeigt sowie die Aufschrift „Reichsradler“ und einen Reichsadler mit einem kreuzähnlichen Symbol in der Mitte des „Lorbeerkranzes“;

2) an * Gä*:

a) am 21. November 2017 eine Videomontage, bestehend aus einer mit dramatischer Musik unterlegten Aufnahme eines Flugzeugs der Wehrmacht, das eine Bombe abwirft, gefolgt von einer mit orientalischer Musik unterlegten Aufnahme eines plötzlich explodierenden, dem islamischen Kulturkreis zuzurechnenden Gebäudes, wiederum gefolgt von einer mit moderner Musik unterlegten historischen Aufnahme von Adolf Hitler, der zu tanzen scheint,

b) am 31. Dezember 2017 ein Bild marschierender Wehrmachtsoldaten samt dem Text „Der Deutsche rutscht nicht, sondern marschiert ins neue Jahr“,

c) am 31. Dezember 2017 ein Schwarz-Weiß-Foto von Adolf Hitler, der eine mit Hakenkreu zen versehene Feuerwerk-Rakete anzündet, samt dem Text „Happy New Year“,

d) am 24. Mai 2018 ein mit dem deutschen Marsch „Erika“ unterlegtes Video, zeigend einen VW Käfer mit Hakenkreuzen auf beiden Fahrzeugseiten;

3) an den Nutzer „R*“ am 24. Mai 2018 und 5. Februar 2020 ein mit dem deutschen Marsch „Erika“ unterlegtes Video, zeigend einen VW Käfer mit Hakenkreuzen auf beiden Fahrzeugseiten;

4) an * Gi*

a) am 24. Mai 2018 ein mit dem deutschen Marsch „Erika“ unterlegtes Video, zeigend einen VW Käfer mit Hakenkreuzen auf beiden Fahrzeugseiten,

b) am 25. Mai 2018 ein Foto eines goldfarbenen Steinziegels mit einer Prägung in Form eines Hakenkreuzes, der Zahl „1939“ sowie einem Ornament in Form einer Edelweißblüte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Angemerkt sei, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. September 2022, G 105/2022 8, die Behandlung des Antrags des Angeklagten auf Aufhebung der Wortfolge „Wer sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, wird, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung strenger strafbar ist, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 Jahren bestraft.“ in § 3g Verbotsgesetz 1947 abgelehnt hat.

[5] Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) verlangt die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragen und des sie indizierenden Tatsachensubstrats in der Hauptverhandlung samt Angabe der Fundstellen in den Akten (RIS Justiz RS0119417, RS0117447, RS0100860, RS0119418).

[6] Indem die Rüge (Z 6) mit der bloßen Behauptung, der Angeklagte habe sich in Richtung Satire verantwortet, das Unterbleiben von Zusatzfragen in Richtung einer „künstlerischen Lächerlichkeitspreisgebung“ und zur „Bedeutung der einzelnen WhatsApp Nachrichten“ kritisiert, verkennt sie den Gegenstand von Zusatzfragen ( vgl Lässig , WK-StPO § 313 Rz 4) grundlegend und gelangt solcherart nicht zur prozessordnungsgemäßen D arstellung.

[7] Im Übrigen haben die Tatrichter bloß ein Verbrechen nach § 3g VG angenommen (RIS Justiz RS0120233 [T14]).

[8] Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der von §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO genannten Belehrungen (RIS Justiz RS0125434), wobei die Rechtsbelehrung nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die an die Geschworenen tatsächlich gestellt wurden (RIS Justiz RS0101091).

[9] Weshalb die gegenständliche Rechtsbelehrung in Nichtigkeit begründender Weise unrichtig sein sollte, macht die Rüge (Z 8) mit der Kritik, die Möglichkeit einer „satirischen, nicht nationalsozialistischen Darstellung“ sei nicht erörtert und es sei verschwiegen worden, dass es eine „Trennlinie zwischen Nachrichten, Dokumentation, Verspottung und Verherrlichung etc.“ gibt, nicht klar. Zu den Instruktionen betreffend den erforderlichen Vorsatz siehe im Übrigen S 3 f, 9, zu jenen betreffend das Verhältnis zu Art 10 und 11 MRK S 9 f der Rechts belehrung .

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise