JudikaturOGH

14Os92/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Oktober 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Strafsache gegen * A* wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Juni 2022, GZ 96 Hv 138/21y 81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* jeweils mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (1. und 2.) und nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG (3., 4., 5. und 11.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit bekannten und unbekannten Mittätern sowie als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die als ein auf längere Zeit (zumindest mehrere Monate, US 9) angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen darauf ausgerichtet war, dass von ihren Mitgliedern fortlaufend Schleppereien ausgeführt werden, die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich durch ein ihm von der Vereinigung geleistetes, über die Nächtigungskosten hinausgehendes Entgelt von jeweils 250 Euro (US 28, 39) und Dritte unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten jeweils in Bezug auf mindestens drei Fremde beging und ab der dritten Tat gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) handelte, indem er als „Portier des Hotelbetriebs 'Hotel Carina' in telefonischem Kontakt mit Organisatoren von Schleppungen stand, die Zimmereinteilung der Fremden vornahm, Entgelt für deren Übernachtung einkassierte, fallweise den Schlepperlohn verwaltete, die Einteilung der Fremden zwecks Weiterbeförderung nach Deutschland vornahm“ und dadurch arbeitsteilig an nachstehenden Schleppungen von Österreich nach Deutschland mitwirkte, und zwar

1. am 5. Dezember 2020 von fünf Fremden unbekannter Herkunft, indem er einen unbekannten Mittäter, der für den Weitertransport zuständig war, über die Lage informierte, sich daraufhin ins Hotel begab und die Fremden, die sich im Hotel bereits zur Abfahrt bereitgemacht hatten, über die Ankunft des Fahrzeugs in Kenntnis setzte und deren Abfahrt koordinierte;

2. am 12. Dezember 2020 von zehn Fremden unbekannter Herkunft, indem er in arbeitsteiligem Zusammenwirken (US 25) mit einem unbekannten Mittäter die geschleppten Personen, die zuvor im Hotel untergebracht waren, zu einem Kleintransporter geleitete, wo diese über die Seitentür in den Laderaum einstiegen und anschließend vom Mittäter nach Deutschland gebracht wurden;

3. am 13. Jänner 2021 von vier Fremden syrischer Herkunft, indem er es zwei Schleppern ermöglichte, die Schlepperfahrzeuge bis zu Beginn der Schleppung in der Hotelgarage abzustellen und sich selbst bis zur Abfahrt mit den Fremden im Hotel aufzuhalten;

4. am 19. Jänner 2021 von drei Fremden syrischer Herkunft, indem er es einem Schlepper ermöglichte, das Schlepperfahrzeug bis zu Beginn der Schleppung in der Hotelgarage abzustellen und sich selbst bis zur Abfahrt mit den Fremden im Hotel aufzuhalten;

5. am 6. Dezember 2020 von sieben Fremden unbekannter Herkunft, indem er bei Ankunft des Schlepperfahrzeugs vor dem Hotel zwei unbekannte Mittäter über die Lage informierte, diesen Zutritt zum Hotel gewährte und so ermöglichte, die Fremden, die sich über Nacht im Hotel aufhielten, abzuholen und zum Fahrzeug zu geleiten;

11. zwischen 6. und 17. Jänner 2021 von neun Fremden, indem er mit dem unbekannten Organisator der Schleppungen alias „* I*“ wiederholt telefonisch in Kontakt stand und in dessen Auftrag den Schlepperlohn in Höhe von 2.650 Euro für fünf Personen entgegennahm und dabei für sich selbst 250 Euro an Provision einbehielt sowie 2.250 Euro an Schlepperlohn im Wege des „Hawala Systems“ an einen unbekannten Mittäter alias „* A* Z*“ weiterleitete.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 3. Juni 2022 gestellten Antrags auf Ausforschung und Vernehmung der geschleppten Personen zum Beweis dafür, dass der Angeklagte (zusammengefasst) allein Tätigkeiten im Rahmen des Beherbergungsbetriebs erbrachte und er deshalb die ihm angelasteten Handlungen nicht begangen hat (ON 80 S 27), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Denn die Anklage legte dem Beschwerdeführer jeweils (im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit [vgl dazu RIS Justiz RS0122006, RS0127374]) mehrere für die (rechtswidrige) Durchreise der Fremden durch Österreich und deren (rechtswidrige) Einreise nach Deutschland (je für sich) kausale Leistungen zur Last, von denen nur einzelne zu direktem Kontakt mit den Geschleppten führten (ON 40 S 7 ff, US 9 ff). Da der Antrag nicht darlegte, inwiefern die als Zeugen beantragten Personen unmittelbare und lückenlose Wahrnehmungen zu den Verbindungen des Beschwerdeführers zu seinen Mittätern hatten, war ihm nicht zu entnehmen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten ließ (RIS Justiz RS0099453).

[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[6] Bleibt zu bemerken, dass die rechtliche Unterstellung der zu Punkt 5. des Schuldspruchs genannten Tat (auch) unter § 114 Abs 3 Z 1 FPG rechtlich verfehlt war. Da es sich bei ihr um die zweite „solche“ Tat des Angeklagten handelte, liegen die hier für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit maßgeblichen Voraussetzungen des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB nicht vor, worauf das Erstgericht in der schriftlichen Urteilsausfertigung zutreffend hinweist (US 37 f). Zu einer amtswegigen Wahrnehmung dieses ungerügt gebliebenen Subsumtionsfehlers (Z 10) besteht aber mangels eines konkreten Nachteils im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO kein Anlass. Angesichts der insoweit vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung nicht an den im aufgezeigten Sinn fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS Justiz RS0118870).

[7] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise