Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Robert Brunner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch die Freimüller Obereder Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Gemeinde Wien, 1082 Wien, Rathaus 4, vertreten durch die Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2022, GZ 9 Ra 99/21a 17, mit welchem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 7. Juli 2021, GZ 22 Cga 134/20s-13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.568,52 EUR (darin enthalten 261,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger wurde als Vertragsbediensteter der Beklagten nach § 1 Abs 1 Z 4 des Gesetzes über die Zuweisung von Bediensteten der Wiener Stadtwerke (Zuweisungsgesetz) der Bestattung Wien GmbH dienstzugewiesen und war dort Mitglied d es Betriebsrats. A m 6. 8. 2020 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis, ohne dass zuvor eine Zustimmung des Zentralausschusses der Personalvertretung oder des Gerichts eingeholt worden wäre.
[2] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis weiterhin aufrecht sei, weil die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung nach § 120 Abs 1 ArbVG eine Zustimmung des Gerichts einholen hätte müssen.
[3] Die Beklagte wendet ein, dass der Kläger dem Wiener Personalvertretungsgesetz (W PVG) unterliege und die Anwendung des ArbVG einen verfassungswidrigen Eingriff in die Kompetenz des Wiener Landesgesetzgebers nach Art 21 Abs 1 B VG darstellen würde.
[4] Das Erstgericht gab der Klage statt und stellte fest, dass das Dienstverhältnis des Klägers aufrecht fortbesteh e. Da die Beklagte weder eine Zustimmung des Zentralausschusses nach § 37 W-PVG noch eine Zustimmung des Gerichts nach § 120 Abs 1 ArbVG eingeh o lt habe, sei die Kündigung des Klägers unwirksam.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Ebenso wie im Fall der dauernden Arbeitskräfteüberlassung könne der Kläger sowohl die Kündigungsschutzbestimmunge n für Gemeindebedienstete als auch jene im Betrieb des ausgegliederten Unternehmens, dem er zugewiesen wurde, für sich in Anspruch nehmen. Art 21 Abs 1 B VG, wonach die G esetzgebung in Angelegenheiten des Dienst- und Personalvertretungsrechts der Bediensteten der Gemeinden den Ländern obliege, stehe der Anwendung des allgemeinen Betriebsverfassungsrechts nicht entgegen . Hinsichtlich der Personalvertretung von Gemeindebediensteten, die einem ausgegliederten Rechtsträger zugewiesen wurden, bestehe vielmehr eine „Doppelzuständigkeit“ des Bundes und der Länder. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Gemeindebedienstete in ausgegliederten Betriebe n nur unter den Voraussetzungen des § 120 Abs 1 ArbVG gekündigt werden können.
[6] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[7] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RIS Justiz RS0112769; RS0112921). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn sie durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112769 [T12]; RS0112921 [T5]).
[8] 2. N ach Art 21 Abs 1 B VG obliegt den Ländern die Gesetzgebung in Angelegenheiten des Dienstrechts der Bediensteten der Gemeinden einschließlich des Dienstvertragsrechts und des Personalvertretungsrechts. Der Oberste G erichtshof hat mittlerweile zu 9 ObA 36/22t entschieden, dass d iese Kompetenzverteilung die Anwendung der für Betriebsratsmitglieder geltenden Kündigungsschutzbestimmungen unberührt lässt , sodass die Kündigung eines der Wiener Linien GmbH Co KG dienstzugewiesenen Bediensteten in seiner Funktion als Mitglied des Betriebsrats nach § 120 Abs 1 ArbVG (auch) der Zustimmung des Gerichts bedarf. Die von der Beklagten als erheblich bezeichnete Rechtsfrage wurde damit von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits beantwortet.
[9] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO, zumal der Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden