10Ob41/22k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen L*, geboren am * 2010, *, vertreten durch das Land Wien als Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Magistrat der Stadt Wien, Rechtsvertretung Bezirke 2, 20, 1200 Wien, Dresdnerstraße 43/1), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. März 2022, GZ 45 R 57/22y-96, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 10. Dezember 2021, GZ 2 Pu 15/12m-87, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, der Mutter M* und der Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien als Vertreterin des Bundes jeweils den Beschluss vom 27. Juli 2022 über die nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses zuzustellen. Nach Erstattung von Revisionsrekursbeantwortungen bzw fruchtlosem Verstreichen der dafür offen stehenden Frist sind die Akten erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgericht gewährte dem durch den Kinder- und Jugendhilfeträger vertretenen Kind Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von 107 EUR monatlich für die Zeit von 1. Oktober 2021 bis 30. September 2026. Das darüber hinausgehende Begehren, Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe (von 435 EUR monatlich) zu gewähren, wies es (in Anwendung des § 7 Abs 1 Z 1 UVG) ab.
[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes nicht Folge und sprach zunächst aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[3] Dagegen erhob das Kind Zulassungsvorstellung gemäß § 63 Abs 1 AußStrG verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs. Das Erstgericht stellte eine Gleichschrift des Rechtsmittels der Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien als Vertreterin des Bundes, der Mutter sowie dem (durch eine Zustellkuratorin vertretenen) Vater zu.
[4] Mit Beschluss vom 27. Juli 2022 sprach das Rekursgericht aus, dass der Revisionsrekurs [doch] zugelassen und „dem Revisionsrekursgegner“, dem es freistehe, eine Rechtsmittelbeantwortung einzubringen, eine Ausfertigung des Revisionsrekurses zugestellt werde. Verfügt wurde jedoch nur die Zustellung dieses Beschlusses an den Kinder- und Jugendhilfeträger sowie an den Vater. Zustellungen an die Mutter und den Bund unterblieben (diese hatten im Rekursverfahren keine Rekursbeantwortung eingebracht).
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Aktenvorlage ist verfrüht.
[6] 1. Über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen hat das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 10 UVG). Wird ein Revisionsrekurs – oder wie hier – eine Zulassungsvorstellung, mit der ein ordentlicher Revisionsrekurs verbunden ist, gegen einen Beschluss erhoben, mit dem über die Sache entschieden worden ist und findet das Gericht erster Instanz keinen Grund zur Zurückweisung, so ist jeder anderen aktenkundigen Partei eine Gleichschrift zuzustellen (§ 68 Abs 1 AußStrG). Diese kann binnen 14 Tagen eine Beantwortung des Revisionsrekurses überreichen (§ 68 Abs 1 zweiter Satz AußStrG).
[7] Im Verfahren über die (Weiter-)Gewährung von Unterhaltsvorschüssen sind (neben dem Kind) nicht nur der Vater als Unterhaltsschuldner, sondern auch die Mutter als Zahlungsempfängerin und der vom Präsidenten des Oberlandesgerichts vertretene Bund Parteien im Sinn des § 2 Abs 1 AußStrG (RS0120860 [T24]; 10 Ob 7/17b). Auch ihnen steht es daher frei, eine Beantwortung des Revisionsrekurses des Kindes einzubringen, selbst wenn sie im Rekursverfahren keine Rekursbeantwortung eingebracht hatten.
[8] 2. Erklärt das Rekursgericht den Revisionsrekurs aufgrund einer Zulassungsvorstellung doch für zulässig, hat es diesen Beschluss nicht nur den Parteien zuzustellen, sondern den Revisionsrekursgegnern auch die Beantwortung des Revisionsrekurses freizustellen (§ 63 Abs 5 AußStrG). Die Frist für die Beantwortung des Revisionsrekurses beginnt in diesem Fall mit der Mitteilung des Rekursgerichts, dass „den anderen aktenkundigen Parteien“ die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt werde (§ 68 Abs 3 Z 2 AußStrG); die Revisionsrekursbeantwortung ist beim Rekursgericht einzubringen (§ 68 Abs 4 Z 1 AußStrG).
[9] 3. Daraus folgt, dass das Rekursgericht die Freistellung der Rechtsmittelbeantwortung (Beschluss vom 27. Juli 2022) nicht nur dem Vater, sondern auch der Mutter und dem Bund zuzustellen hat. Erst dadurch, und nicht schon mit der – zutreffend (§ 68 Abs 1 AußStrG) – vom Erstgericht vorgenommenen Zustellung des Revisionsrekurses an die Parteien wird die Frist zur Revisionsrekursbeantwortung ausgelöst (vgl RS0132531).
[10] Erst nach Erstattung allfälliger Revisionsrekursbeantwortungen oder fruchtlosem Ablauf der dafür offen stehenden Frist ist der Akt wieder vorzulegen.