22Ds2/22x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 12. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Richterin sowie die Rechtsanwältin Dr. Mascher und den Rechtsanwalt Dr. Schimik als Anwaltsrichter in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Turner in der Disziplinarsache gegen *, niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 14. Oktober 2021, GZ D 19/20, DV 5/21 18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Kammeranwalts Mag. Juri und des Verteidigers Dr. Doralt zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tat als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
* wird für das ihm zur Last liegende Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von
1.500 Euro
verurteilt.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Beschuldige auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre und Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat er mit Schreiben vom 16. Juni 2020 von * W* – gegründet auf einen „Parkgebührenverstoß“ – 197,09 Euro für eine Geldstrafe, eine Parkscheingebühr, Kosten seines Einschreitens, das Einholen einer Fahrzeughalter- und Meldeauskunft zuzüglich Gebühren, Verwaltungsabgaben und eine Auskunftsgebühr gefordert, obwohl der genannte Betrag weder eine Geldstrafe noch eine Parkscheingebühr, sondern bloß die Kosten des Einschreitens seiner Kanzlei umfasste, und solcherart eine nicht bestehende Forderung behauptet, um Kostenersatz zu erlangen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung des Beschuldigten geht fehl.
[4] Unter dem Aspekt vorliegender Nichtigkeitsgründe (hiezu RIS Justiz RS0128656 [T1]) releviert die Besetzungsrüge (Z 1) ein vom Vorsitzenden des Disziplinarrats als Rechtsvertreter einer in die hier in Rede stehende Sache nicht involvierten Mandantin am 30. Juni 2021 an die Kanzlei des Beschuldigten gerichtetes Schreiben. Weshalb hieraus die von der Berufung behauptete Befangenheit des Vorsitzenden des Disziplinarrats folgen soll, bleibt im Dunkeln.
[5] D as Vorbringen , die Höhe der dem Beschuldigten als zu Unrecht geltend gemacht angelasteten Forderung sei nicht richtig berechnet, ist nicht geeignet, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Vorsitzenden (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO) in Zweifel zu setzen (vgl RIS Justiz RS0097054 [T1] sowie Lässig , WK StPO § 43 Rz 12).
[6] Der Einwand fehlender inländischer Disziplinarge walt (der Sache nach Z 9 lit a, vgl RIS Justiz RS0092267 [T1] und RS0132763) übergeht die Feststellung, wonach der Beschuldigte seit 1. Mai 1994 in die Liste der niedergelassenen Europäischen Rechtsanwälte mit dem Kanzleisitz in * eintragen ist (ES 3). Solcherart unterliegt er aber nach § 17 Abs 1 EIRAG iVm § 20 Abs 1 DSt der Disziplinarbehandlung durch den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer, bei welcher die Eintragung erfolgt ist, hier also den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Kärnten. D er Ort der Begehung der zu beurteilenden Handlung oder Unterlassung ist insoweit ohne Relevanz (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 20 DSt Rz 2 mwN).
[7] Indem die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im engeren Sinn (§ 464 Z 2 erster Fall StPO) argumentiert, von dem nach den Feststellungen des Disziplinarrats vom Beschuldigten zu Unrecht geforderten Betrag von 197,09 Euro seien eine „Parkschein Tagesgebühr von EUR 24,29 und die Kosten für die Halterabfrage von EUR 15,30“ in Abzug zu bringen, ohne in Abrede zu stellen, dass der Beschuldigte zu Unrecht eine „Geldstrafe“ eingefordert habe, bezieht sie sich nicht auf schuld oder subsumtionsrelevante Tatsachen. Solcherart orientiert sich die Berufung nicht an dem vom Gesetz eröffneten Anfechtungsrahmen ( Ratz , WK StPO § 464 Rz 6 und 8).
[8] Hinzugefügt sei, dass sich der Disziplinarrat mit der im Zusammenhang mit der Höhe der zu Unrecht betriebenen Forderung von der Schuldberufung angesprochenen Korrespondenz eingehend auseinandergesetzt und seine diesbezüglichen Konstatierungen logisch sowie empirisch einwandfrei nachvollziehbar begründet hat (ES 4, 6 und 7). Argumente, die geeignet wären, die angesprochenen Feststellungen substantiiert in Frage zu stellen, sind der Berufung nicht zu entnehmen.
[9] Aus Anlass der Berufung überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass durch die Subsumtion der Tat auch als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) zum Nachteil des Beschuldigten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt).
[10] Die bezeichnete Subsumtion setzt nämlich – abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen – voraus, dass das Fehlverhalten einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt ist (RIS Justiz RS0054876 sowie RS0055086) und dadurch die Gefahr einer Minderung der Wertschätzung und des Ansehens, die der Anwaltsstand als solcher genießt, einhergeht ( Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek , RAO 10 § 1 DSt Rz 12 f; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt 859).
[11] Da im angefochtenen Erkenntnis Feststellungen zu einer entsprechenden Publizität nicht getroffen werden (und nach dem Akteninhalt auch nicht indiziert sind), war es in der Subsumtion der Tat als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 77 Abs 3 DSt), was die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge hatte.
[12] Bei der hiedurch erforderlichen Strafneubemessung waren die insoweit maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) sinngemäß heranzuziehen (RIS Justiz RS0054839).
[13] Im Hinblick darauf waren zwei disziplinarrechtliche Vorverurteilungen wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt erschwerend (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), kein Umstand mildernd.
[14] Hievon, insbesondere vom erheblich einschlägig getrübten Vorleben, ausgehend (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) steht auf der Grundlage der Schuld (§ 32 Abs 1 StGB) sowie unter Berücksichtigung der Einkommens und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten (§ 16 Abs 6 DSt) bei einem Rahmen von bis zu 45.000 Euro Geldbuße (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) dem Ausspruch einer 1.500 Euro übersteigenden Sanktion nur das Verschlechterungsverbot des § 54 Abs 4 DSt entgegen.
[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.