JudikaturOGH

5Ob170/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin G* OG, *, vertreten durch Engin Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die Antragsgegnerin Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm §§ 3, 6 MRG, infolge des „außerordentlichen Revisionsrekurses“ der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Juli 2022, GZ 38 R 42/22s 57, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. Februar 2022, GZ 44 Msch 12/19x 53, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird an das Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, die Antragstellerin hat das Geschäftslokal Top 1 in dem auf dieser Liegenschaft errichteten Haus von ihr gemietet.

[2] Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin, näher bezeichnete Erhaltungsarbeiten auf der Liegenschaft binnen sechs Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses in Angriff zu nehmen und binnen drei Tagen durchzuführen, nämlich insbesondere die Abdichtung auf dem im Lichthof der Liegenschaft befindlichen, großteils oberhalb der WC Anlagen des Mietobjekts der Antragstellerin gelegenen Flachdach (Fußboden) inklusive der Wasserabführung vom Lichthof mittels im Detail bezeichneter Arbeitsschritte instandzusetzen und zu erneuern.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt nicht 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs wegen der Einzelfallabhängigkeit der Beurteilung, ob eine Erhaltungsarbeit im Sinn der §§ 3, 6 MRG vorliegt, nicht zu.

[4] Dagegen richtet sich das als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel der Antragsgegnerin, das das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

[5] Der Oberste Gerichtshof kann (derzeit) über dieses Rechtsmittel nicht entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Der Revisionsrekurs ist – außer im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG). Dies gilt gemäß § 62 Abs 4 AußStrG nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist.

[7] 2. Gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG gelten für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses die §§ 62 bis 64 AußStrG mit der Maßgabe, dass die in § 37 Abs 1 MRG genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und die maßgebliche Wertgrenze 10.000 EUR beträgt. Der hier in einem solchen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren erhobene Anspruch ist daher ex lege rein vermögensrechtlicher Natur und war vom Rekursgericht zu bewerten.

[8] 3. Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist – auch im Verfahren Außerstreitsachen – unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unter oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RIS Justiz RS0042410 [T28]; RS0042450 [T8]). Eine dieser vom Obersten Gerichtshof anerkannten Ausnahmen von dessen Bindung an den Bewertungsausspruch liegt hier nicht vor und wird auch im Revisionsrekurs nicht behauptet. Nach dem für den Obersten Gerichtshof daher bindenden Bewertungsausspruch des Rekursgerichts übersteigt der Entscheidungsgegenstand „insgesamt“ 10.000 EUR nicht.

[9] 4. Bei der Bewertung hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 3 AußStrG die gesetzlichen Bewertungsregeln der §§ 54 Abs 2, 55 Abs 1 bis 3, 56 Abs 3, 57, 58 und 60 JN sinngemäß anzuwenden ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 59 Rz 34; 5 Ob 13/17y). Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts, hat eine Zusammenrechnung daher nur zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (RS0042741; RS0118275), sodass eine Zusammenrechnung mehrerer in einer Klage (oder einem Sachantrag) geltendgemachter Ansprüche nur dann zu erfolgen hat, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RS0037648; 5 Ob 13/17y). Wenn das Rekursgericht auf Basis dieser Rechtsprechung davon ausging, sämtliche vom Erstgericht un ter lit a bis f des Spruchs im Detail angeordneten Erhaltungsarbeiten beträfen Abdichtungsarbeiten des im Lichthof der Liegenschaft oberhalb der WC Anlagen des Mietobjekts gelegenen Flachdachs, ein rechtlicher Zusammenhang liege daher – selbst wenn man von mehreren Antragsbegehren ausgehen wollte – jedenfalls vor, ist dies nicht zu beanstanden. Die gemeinschaftliche Bewertung aller angeordneter Arbeiten mit 10.000 EUR nicht übersteigend entspricht daher dem Gesetz.

[10] 5 . Da das Rekursgericht den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 10.000 EUR nicht übersteigend bewertet und den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat, ist ohne Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG der Revisionsrekurs des Antragstellers jedenfalls unzulässig. Erhebt eine Partei – wie hier – dennoch ein Rechtsmittel, ist dieses, auch wenn das Rechtsmittel als „außerordentlich“ bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Der Oberste Gerichtshof darf darüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 63 Abs 3 AußStrG ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RS0109623).

[11] 6 . Eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs über das Rechtsmittel der Antragsgegnerin liegt daher derzeit nicht vor. Das Erstgericht wird es dem Rekursgericht vorzulegen haben. Einen Antrag auf Abänderung des Ausspruchs nach § 63 Abs 1 AußStrG hat die Antragsgegnerin – wenn auch an den Obersten Gerichtshof gerichtet – gestellt. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen einer Zulassungsvorstellung daher schon entspricht oder einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109623 [T5]).

[12] 7 . Der Akt war aus diesen Gründen dem Erstgericht zurückzustellen.

Rückverweise