JudikaturOGH

2Ob173/22p – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes J*, geboren am *, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, MA 11, Rechtsvertretung Bezirke 1., 4.–9., Wien 6, Amerlingstraße 11, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ des Vaters W*, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Juni 2022, GZ 44 R 214/22d 399, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht setzte den laufenden Unterhalt (statt wie bisher mit 290 EUR monatlich) ab 1. November 2020 mit zusätzlichen 80 EUR – insgesamt sohin 370 EUR – fest und wies den Antrag des Vaters auf Herabsetzung des laufenden Unterhalts auf monatlich 100 EUR ab.

[2] Der Vater strebte mit seinem Rekurs die Herabsetzung des monatlichen laufenden Unterhalts auf 100 EUR an.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[4] In weiterer Folge stellte der Vater wegen Versäumung der Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

[5] Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.

[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe, dass es den Antrag wegen Verspätung sowie in Ermangelung der Anführung eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes zurückwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[7] Das dagegen vom Vater erhobene, als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.

[8] 1. Die Anfechtung der Bestätigung der Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags (§ 21 AußStrG) ist im Außerstreitverfahren nicht jedenfalls ausgeschlossen, sondern zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG vorliegen (RS0121841).

[9] 2. Im Verfahren über einen Wiedereinsetzungsantrag bedarf es keiner selbständigen Bewertung des Streitgegenstands durch das Rechtsmittelgericht, weil der Entscheidungsgegenstand im Verfahren über den materiellen Anspruch und im Wiedereinsetzungsverfahren zwingend identisch ist und daher auch die Anfechtbarkeit in beiden Verfahren nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden muss (RS0126302).

[10] 3. Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs).

[11] 4. Im Unterhaltsbemessungsverfahren ist der Entscheidungsgegenstand nach ständiger Rechtsprechung rein vermögensrechtlicher Natur und besteht ausschließlich in einem Geldbetrag. Maßgeblich ist gemäß § 58 Abs 1 JN der 36 fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war, wobei regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen ist (RS0122735; 10 Ob 44/20y). Der Wert des Entscheidungsgegenstands beträgt im vorliegenden Fall damit – auch für den hier zu beurteilenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl Punkt 2.) – 9.720 EUR (= 36 * 270).

[12] 5. Übersteigt der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht und hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt, ist nach § 62 Abs 3 AußStrG der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen – mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbindenden – Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).

[13] 6. Da die maßgebliche Wertgrenze nicht überschritten wird, kommt dem Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium keine Entscheidungskompetenz zu. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob es die Eingabe des Vaters als eine (mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene) Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht (§ 63 AußStrG) oder aber als verbesserungsbedürftig ansieht (RS0109505).

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