JudikaturOGH

26Ds5/20i – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. September 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann sowie die Anwaltsrichter Dr. Angermaier und Dr. Hofmann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 13. September 2019, AZ *, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, des Kammeranwalts Mag. Jakauby und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben. Der Berufung wegen Strafe wird Folge gegeben und über den Beschuldigten eine Geldbuße von 2.500 Euro verhängt.

Der Beschuldigte hat auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch einen prozessual verfehlten (RIS Justiz RS0120532 [T3]) Teilfreispruch von ähnlichen Vorwürfen hinsichtlich anderer Teile desselben Schriftsatzes enthält, wurde der Beschuldigte * der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 4.000 Euro verurteilt.

[2] Demnach hat er in einem von ihm für einen Mandanten verfassten Ablehnungsantrag an die Präsidentin des * vom 18. September 2018 „in vorsätzlicher Verletzung des § 9 RAO“ die Richter * und * „des Amtsmissbrauchs“ sowie die Genannten ebenso wie die Richterin * und den Richter * der Mitgliedschaft und Unterstützung einer rechtsstaatsfeindlichen Verbindung, welche ein paralegales Manipulationssystem darstelle, bezichtigt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die vom Beschuldigten gegen das Erkenntnis erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld erwies sich – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – als nicht zielführend.

[4] Soweit die Besetzungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) auf einen Ablehnungsantrag gegen den Präsidenten des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 4. Juli 2017 rekurriert, geht sie daran vorbei, dass diese Eingabe in einem anderen gegen den B eschuldigten geführten (Disziplinar )Verfahren eingebracht wurde. Die Kritik an der Beschlussfassung über den in der Verhandlung gestellten Ablehnungsantrag verkennt, dass die darüber getroffene Entscheidung nicht Gegenstand der Berufung wegen Nichtigkeit ist ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 132) und als solche keine Bindungswirkung entfaltet ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 131; Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 281 Rz 26). Die Begründung der abweislichen Entscheidung ist unter dem Aspekt eines Verfahrensmangels ohne Bedeutung (RIS Justiz RS0121628, RS0116749). Konkrete Umstände, die aus der Sicht eines objektiven Beobachters bei diesem den Eindruck erwecken, der Abgelehnte könnte sich aus persönlichen Gründen bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen (RIS Justiz RS0056962, RS0097082), wurden vom – dem Präsidenten des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * unsubstantiiert den „Anschein der Teilnahme an und/oder der Unterstützung einer rechtsstaatsfeindlichen Verbindung“ unterstellenden – Beschuldigten nicht benannt.

[5] Weshalb das den Beschuldigten freisprechende Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 13. Juni 2016, AZ D 137/14, und die bezughabende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. November 2017, AZ 26 Ds 2/17v, für das vorliegende Verfahren von Relevanz sein sollen, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht.

[6] Der Vorwurf, der Disziplinarsenat versuche ihn „daran zu hindern, die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten!“ und das Vorbringen, die rechtliche Beurteilung des Disziplinarrats sei „rechtswissenschaftlich dermaßen verfehlt, dass es müßig erscheint, dagegen noch Argumente aufbieten zu wollen“, und erweise sich „als bloße Bemäntelung eines rechtswidrigen Angriffes auf die Partei des Disziplinarbeschuldigten und auf den Disziplinarbeschuldigten selbst, um dem Mandanten des Disziplinarbeschuldigten die Verfolgung seiner Rechte zu erschweren“, sind einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

[7] Welcher weiterer – über die zum Bedeutungsinhalt (RIS Justiz RS0092588) der inkriminierten Äußerungen getroffenen (ES 1 iVm ES 8 ff zur Wahl des Wortes „rechtsstaatsfeindlich“ und dem Vorwurf der „rechtsstaatsfeindlichen Verbindung“) hinausgehenden – Konstatierungen es zur rechtsrichtigen Subsumtion bedurft hätte (RIS Justiz RS0095939), erklärt die „sekundäre Feststellungsmängel“ behauptende Berufung nicht, wenn sie schlicht den vollständigen Text des Ablehnungsantrags vom 18. September 2018 zitiert.

[8] Die (nominelle, inhaltlich nicht nachvollziehbare) Berufung auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO geht schon deshalb ins Leere, weil im anwaltlichen Disziplinarverfahren eine Tatsachenrüge – wie in allen Verfahrensarten, in denen eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorgesehen ist – nicht zur Verfügung steht (RIS Justiz RS0132515 [T1]).

[9] Unverständlich bleibt die „hilfsweise“ Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 281 Abs 1 Z 4 StPO.

[10] Auch der Schuldberufung im engeren Sinn war ein Erfolg zu versagen, weil sich der Disziplinarrat im Rahmen seiner empirisch nachvollziehbaren Beweiswürdigung mit allen entscheidungswesentlichen Umständen der Tat auseinandersetzte und seine Feststellungen überzeugend begründete, sodass gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage keine Bedenken bestehen.

[11] Für eine Beweisaufnahme durch den Obersten Gerichtshof bot das darauf gerichtete Vorbringen des Beschuldigten keine Grundlage (§ 49 DSt).

[12] Der Berufung wegen Strafe war insoweit Folge zu geben, als zum Ausgleich der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer (Art 6 MRK) die in erster Instanz an sich schuldangemessen und entsprechend den Verhältnissen des Beschuldigten bemessene Geldbuße auf 2.500 Euro zu reduzieren war.

[13] Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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