JudikaturOGH

2Ob107/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2020 verstorbenen W*, zuletzt *, über den (richtig:) Revisionsrekurs der Erbanwärterinnen 1. I*, 2. D*, und 3. D*, alle vertreten durch Mag. Johannes Koman LLB. Oec, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 3. Februar 2022, GZ 21 R 6/22m 41, mit dem aus Anlass eines Rekurses der Erbanwärterinnen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Thalgau vom 7. Juli 2021, GZ 7 A 203/20k 19, der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben und die internationale Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Thalgau ausgesprochen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen (das Erstgericht gestützt auf Art 6 lit a EuErbVO, das Rekursgericht auf Art 6 lit b EuErbVO) sprachen aus, das Bezirksgericht Thalgau sei für das Verlassenschaftsverfahren nach der 2020 verstorbenen Erblasserin, die über die deutsche und österreichische Staatsbürgerschaft verfügte, in ihrer letztwilligen Verfügung gemäß Art 22 EuErbVO deutsches Erbrecht gewählt und ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte, international unzuständig.

[2] Mit ihrem als „ Rekurs “ bezeichneten Rechtsmittel streben die in der letztwilligen Verfügung als Erben bezeichneten Rechtsmittelwerberinnen an, die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts auszusprechen.

I. Anfechtbarkeit

Rechtliche Beurteilung

[3] 1.1 Als „Revisionsrekurs“ erfasst § 62 AußStrG alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts (RS0120565), daher auch die Zurückweisung eines Rekurses wegen Verspätung (RS0120565 [T3, T14]) bzw mangels Beschwer (RS0120565 [T4]) oder einen Unterbrechungsbeschluss (RS0120565 [T5, T19]). Auch ein Beschluss des Rekursgerichts über einen Berichtigungsantrag – den es insoweit funktional als Erstgericht getroffen hat – ergeht im Rahmen des Rekursverfahrens (RS0120565 [T17]) und ist daher nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage anfechtbar. Ohne die Einschränkung des § 62 AußStrG sind nur Beschlüsse (mit Rekurs) anfechtbar, die nicht im Rahmen des Rekursverfahrens gefasst werden, wie etwa die Zurückweisung eines an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtsmittels als Durchlaufgericht, die erstmalige Verhängung einer Ordnungsstrafe oder die Entscheidung über einen Delegierungsantrag in Wahrnehmung einer erstgerichtlichen Funktion ( Schramm in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 62 Rz 13).

[4] Entgegen der Meinung des Rekursgerichts, das aus Anlass des Rekurses den Beschluss des Erstgerichts ersatzlos aufhob, das vorangegangene Verfahren für nichtig erklärte und die internationale Unzuständigkeit anders als das Erstgericht auf Art 6 lit b EuErbVO stützte, liegt daher ein im Rahmen des Rekursverfahrens ergangener Beschluss vor, der nur mit Revisionsrekurs angefochten werden kann. Die unrichtige Benennung des Rechtsmittels hindert aber nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RS0036258).

[5] 1.2 Das Rekursgericht hätte gemäß § 59 Abs 1 und Abs 2 AußStrG einen Bewertungs- und Zulässigkeitsausspruch vornehmen müssen. Eine Rückleitung an das Rekursgericht ist jedoch im vorliegenden Fall entbehrlich.

[6] 1.2.1 In Verlassenschaftsverfahren liegt regelmäßig ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur vor (RS0122922), wobei sich die Bewertung an der Höhe der Aktiva und Passiva zu orientieren hat (RS0122922 [T5]). Dies gilt auch für rein verfahrensrechtliche Entscheidungen (RS0122922 [T2]). In Anbetracht der Ergebnisse der Todfallsaufnahme ist von 30.000 EUR eindeutig übersteigenden Aktiva auszugehen, sodass eine Rückstellung an das Rekursgericht unterbleiben kann (RS0007073 [T10]).

[7] 1.2.2 Im Hinblick auf den 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstand bedarf es aber auch keiner Ergänzung des Zulässigkeitsausspruchs, weil in einem solchen Fall gemäß § 62 Abs 5 AußStrG ohnehin stets ein außerordentliches Rechtsmittel möglich ist (RS0042510; 2 Ob 105/11x Pkt 2.). Dessen Zulässigkeit hängt aber vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab.

II. Zulässigkeit des als (außerordentlicher) Revisionsrekurs zu behandelnden „Rekurses“

[8] 1. Das Rechtsmittel ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

[9] 2. Die Rechtsmittelwerber bekämpfen die Rechtsansicht des Rekursgerichts, die Gerichtsstandsvereinbarung sei von den „betroffenen Parteien“ iSd Art 5 EuErbVO abgeschlossen worden, nicht, sondern legen diese ihren Rechtsmittelausführungen zu Grunde. Auf diese Rechtsfrage ist daher vom Obersten Gerichtshof bereits deshalb nicht einzugehen (RS0043352 [T26]; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 66 Rz 32).

[10] 3. Die von den Rechtsmittelwerberinnen behauptete Aufhebung der Gerichtsstandsvereinbarung hat das Rekursgericht nach deutschem Recht geprüft. Gegen die dieses Ergebnis tragende Begründung führt der Revisionsrekurs im Wesentlichen lediglich aus, es sei nicht ersichtlich, weshalb die prozessuale Seite der Gerichtsstandsvereinbarung dazu führe, deren Aufhebung nach deutschem und nicht etwa österreichischem Recht zu beurteilen, seien doch sowohl in Österreich als auch Deutschland Verfahrensschritte erfolgt. Diese Ausführungen beschränken sich damit aber im Ergebnis auf die Behauptung, das Rekursgericht habe die Rechtsfrage unrichtig gelöst, ohne die Gründe dafür darzulegen. Der bloße Hinweis auf faktisch bereits erfolgte Verfahrensschritte auch in Österreich liefert kein rechtliches Argument dafür, weshalb zur Beurteilung der Aufhebung der Gerichtsstandsvereinbarung nicht das Recht des forum prorogatum maßgeblich sein soll. Damit liegt aber keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vor, die eine Überprüfung der Rechtsansicht des Rekursgerichts, die Aufhebung der Gerichtsstandsvereinbarung sei im konkreten Fall nach deutschem Recht zu beurteilen, ermöglichte (RS0043654 [T15]).

[11] 4. Soweit der Revisionsrekurs behauptet, das Rekursgericht habe keine eigenständige Prüfung anhand der deutschen Rechtslage vorgenommen, trifft dies nicht zu. Vielmehr erachtete dieses die Rechtslage anhand der Auskünfte des deutschen Amtsgerichts für ausreichend geklärt und schloss sich dessen Rechtsansicht, eine Aufhebung der Gerichtsstandsvereinbarung sei nicht (mehr) möglich gewesen, an. Dass eine weitergehende Ermittlung deutschen Rechts zu einem anderen, für sie günstigeren Ergebnis geführt hätte und daher insoweit ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel besonderer Art vorläge, behaupten die Revisionsrekurswerberinnen aber nicht einmal (8 Ob 133/18v; vgl auch RS0040045 [T5]).

[12] 5. Insgesamt wird daher keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG geltend gemacht, sodass der Revisionsrekurs zurückzuweisen war.

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