JudikaturOGH

9ObA86/22w – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Joachimsthaler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Christian Lewol (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B* T*, vertreten durch Dr. Richard Benda und andere, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Land Steiermark, *, vertreten durch Draxler Rexeis Sozietät von Rechtsanwälten OG in Graz, wegen 31.850,53 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. August 2020, GZ 7 Ra 15/20k-19, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Dezember 2019, GZ 33 Cga 30/19s-11, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das Verfahren wird fortgesetzt.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.961,82 EUR (darin 326,97 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die in Serbien geborene Klägerin absolvierte von 1984 bis 1988 in einer Krankenpflegeschule in Serbien eine Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester. Seit 1991 wohnt sie in Österreich.

[2] Von 1. 10. 1992 bis 28. 10. 1998 arbeitete die Klägerin im A*heim *, einem Heim, in dem Senioren betreut und gepflegt werden, als Pflegehelferin. Dabei verrichtete sie folgende Tätigkeiten: Grundpflege von mobilen und immobilen Bewohnern; Basale Stimulation; Unterstützung bei der Mobilisation und Transfer von Bewohnern; Intimpflege inklusive Dauerkatheterpflege und Versorgung von harnableitenden Systemen; Durchführung von Prophylaxen (Decubitus, Pneumonie, Thrombose, Kontrakturen); Empathischer Umgang und Unterstützung von Menschen mit Parkinson, Demenz und MS; Versorgung von Bewohnern mit PEG-Sonde inklusive Verbandswechsel bei blander Einstichstelle und Verabreichung von Nahrung; Blutzucker- und Blutdruckkontrollen; Gabe von Insulin s.c.; Mithilfe bei der Essenseingabe und Medikamenteneinnahme sowie Pflege der Nasensonde. Diese Tätigkeiten wurden von der Klägerin vorab mit der diensthabenden Diplomkrankenschwester abgesprochen. Die Klägerin verrichtete dann diese Tätigkeiten nicht gemeinsam mit der Diplomkrankenschwester und auch nicht unter deren Aufsicht, sondern selbständig. Nach Beendigung der jeweiligen Tätigkeit berichtete die Klägerin der Diplomkrankenschwester von deren Verrichtung. Die Tätigkeiten der Klägerin im A*heim * gingen über die einer Pflegehelferin hinaus.

[3] Mit Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. 8. 1997 wurde das von der Republik Serbien am 23. 8. 1991 ausgestellte Diplom der Klägerin über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung als Krankenschwester unter bestimmten aufschiebenden Bedingungen (Absolvierung einer ergänzenden theoretischen Ausbildung in bestimmten Fächern an einer österreichischen Krankenpflegeschule samt Ergänzungsprüfungen, bestimmte Praktika in der Dauer von jeweils zwei Monaten; Nachweis der für die Erfüllung der Berufspflichten nötigen Kenntnisse der deutschen Sprache) einem österreichischen Diplom über die Berechtigung zur Ausübung des Berufs als diplomierte Krankenschwester als gleichwertig anerkannt. Nach Erfüllung dieser Bedingungen wurde der Klägerin in Österreich am 28. 12. 1998 die Berechtigung zur Ausübung des Berufs als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester erteilt.

[4] Jeweils als Diplomkrankenschwester arbeitete die Klägerin von 15. 3. 2000 bis 27. 2. 2002 beim R* und von 30. 12. 2002 bis 31. 3. 2007 im Sanatorium H*. Ihre Tätigkeiten bei diesen Einrichtungen waren im Wesentlichen dieselben wie im A*heim *. Im Sanatorium H* kam zur Pflege der Patienten auch noch deren Vorbereitung für Operationen und die Betreuung frisch operierter Patienten hinzu.

[5] Seit 2. 4. 2007 ist die Klägerin bei der Beklagten als Diplomkrankenschwester im LKH-Univ. Klinikum G* beschäftigt. Auf dieses privatrechtliche Dienstverhältnis ist das Gesetz über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L-DBR) anwendbar (§ 1 Abs 1 Stmk L-DBR).

[6] Die Beklagte rechnete der Klägerin zu Beginn des Dienstverhältnisses gemäß § 256 Stmk L-DBR idF LGBl 2003/29 die dreijährige Ausbildungszeit zur Diplomkrankenschwester in einer Krankenpflegeschule von 6. 12. 1995 bis 4. 12. 1998 (§ 256 Abs 2 Z 5 Stmk L-DBR idF LGBl 2003/29) und eineinhalb Jahre an Vordienstzeiten (§ 256 Abs 1 Z 2b Stmk L-DBR idF LGBl 2003/29), insgesamt daher 1.643 Tage an. Die Klägerin wurde in die Entlohnungsgruppe SII/Entlohnungsstufe 03 eingestuft, ihr Vorrückungsstichtag wurde mit 2. 10. 2002 festgesetzt. Die nächste Vorrückung war für den 1. 1. 2009 vorgesehen.

[7] Anlässlich der Novellierung des Stmk L-DBR durch LGBl 2011/74 stellte die Klägerin keinen Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags.

[8] Erst aufgrund der Novellierung des § 256a Stmk L-DBR (LGBl 2018/17) mit 1. 3. 2018 führte die Beklagte über Antrag der Klägerin eine neue Vordienstzeitenberechnung durch. Die Beklagte rechnete der Klägerin nunmehr die Vordienstzeiten nach Absolvierung des Diploms beim R* (903 Tage [lt Blg ./A von 15. 3. 2000 bis 3. 9. 2002, worin nach dem Vorbringen der Beklagten in ON 6 auch die Zeit des Mutterschutzes von 28. 2. 2002 bis 3. 9. 2002 berücksichtigt wurde]) und dem Sanatorium H* (1.553 Tage), insgesamt daher 2.456 Tage zur Gänze an. Berücksichtigt wurde auch die Zeit der Klägerin bei der Beklagten im aufrechten Dienstverhältnis von 2. 4. 2007 bis 31. 3. 2018 (4.017 Tage), insgesamt daher 17 Jahre, 8 Monate und 21 Tage (6.473 Tage). Ausbildungszeiten wurden nicht mehr angerechnet. Auch die Dienstzeiten der Klägerin, die sie als Pflegehelferin im A*heim * erbrachte, wurden von der Beklagten nicht angerechnet, weil sie nicht einschlägig wären. Der Vorrückungsstichtag der Klägerin wurde mit 11. 7. 2000 festgesetzt, die Einstufung erfolgte in die Entlohnungsgruppe SII/Entlohnungsstufe 09, der Zeitpunkt der nächsten Vorrückung wurde mit 1. 7. 2018 festgelegt.

[9] Wären der Klägerin bei ihrem Dienstantritt am 2. 4. 2007 sämtliche Vordienstzeiten (4.486 Tage) sowie ihre dreijährige Ausbildungszeit (1.059 Tage) von der Beklagten angerechnet worden, hätte sich der 18. 12. 1991 als Vorrückungsstichtag ergeben und die Klägerin wäre in die Entlohnungsgruppe/-stufe SII/3–7 mit der nächsten Vorrückung in die Stufe SII/3–8 am 1. 1. 2008, bei jeweils zweijähriger Vorrückung, einzustufen gewesen. In diesem Fall errechnet sich inklusive Juni 2011 eine Gehaltsdifferenz von 31.850,43 EUR; exklusive Juni 2011 eine solche von 31.536,93 EUR.

[10] Mit Mahnklage vom 6. 8. 2019 begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 31.850,53 EUR sA an Entgeltdifferenzen, die sich bei vollständiger Anrechnung ihrer dreijährigen Ausbildung in Serbien und aller einschlägigen Vordienstzeiten für den Zeitraum Juni 2011 bis Mai 2019 ergeben würden. Die von der Beklagten für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags herangezogenen Bestimmungen (§§ 256, 256a Stmk L-DBR) widersprächen den europarechtlichen Vorgaben, insbesondere Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung Nr 492/2011 (Wanderarbeitnehmerverordnung), weshalb sie in diesem Umfang nicht anzuwenden seien. Das unionsrechtswidrige innerstaatliche Recht sei nach der Rechtsprechung des EuGH auch dann nicht anzuwenden, wenn im konkreten Sachverhalt keine grenzüberschreitende Tätigkeit vorliege (C-514/12). Selbst nach Inkrafttreten des § 256a Stmk L-DBR habe die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin als Pflegehelferin von 1. 10. 1992 bis 28. 10. 1998 zu Unrecht nicht berücksichtigt, weil auch diese Tätigkeit einschlägig gewesen sei und inhaltlich jener Tätigkeit entsprochen hätte, die die Klägerin auch bei der Beklagten ausübe. Abgesehen davon verstoße auch das Abstellen auf die Einschlägigkeit der Vordienstzeiten nach der Rechtsprechung des EuGH (C 24/17) gegen den Grundsatz der Freizügigkeit. Auch eine Beschränkung der Anrechnung von Vordienstzeiten auf maximal zehn Jahre, wie in § 256a Stmk L-DBR vorgesehen, sei unzulässig.

[11] Überdies sei die Nichtanrechnung der Vordienstzeiten, insbesondere jener im Pflegeheim, auch mittelbar (geschlechts-)diskriminierend (Art 2 lit b der RL 2004/113/EG), weil mehr Frauen von der Nichtanrechnung dieser Vordienstzeiten bei privaten Arbeitgebern betroffen seien als Männer. Die Nichtanrechnung sämtlicher Vordienstzeiten sei aber auch altersdiskriminierend, weil jüngere Arbeitskolleginnen, die ihre Tätigkeit bei der Beklagten begonnen hätten, bei gleicher fachlicher Qualifikation und Berufserfahrung im Verhältnis zur älteren Klägerin besser gestellt seien, weil sie bei Erreichen desselben Lebensalters mehr Vorrückungen aufweisen würden, als die Klägerin. Schließlich verstoße die Nichtanrechnung der Zeiten als Pflegehelferin im Pflegeheim auch gegen die Vorschriften des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, weil an gleiche Sachverhalte (hier facheinschlägige Tätigkeiten als Pflegehelferin) keine unterschiedlichen Rechtsfolgen geknüpft werden dürften.

[12] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete ein, dass die Klägerin von Beginn an richtig eingestuft worden sei. Die Vordienstzeitenanrechnung sei in Entsprechung der jeweils geltenden – dem Unionsrecht entsprechenden – Rechtslage erfolgt. Die Zeiten, die die Klägerin als Altenpflegerin im A*heim * erbracht habe, seien nicht zu berücksichtigen gewesen, zumal sie nicht einschlägig gewesen seien. Die Klägerin habe ihre Arbeit nur nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege durchführen können, weshalb sich der Verantwortungs- und Aufgabenbereich wesentlich von der Tätigkeit einer DGKP unterscheide. § 256a Stmk L-DBR sehe keine Anrechnung von Ausbildungszeiten mehr vor. Mit § 256a Stmk L-DBR seien alle Zeiten als anrechenbare Vordienstzeiten mit zehn Jahren begrenzt worden, dies unabhängig davon, bei welchem Dienstgeber diese erbracht worden seien. Eine zeitliche Höchstanrechnung für einschlägige Vordienstzeiten sei unionsrechtskonform. Da im Anlassfall kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliege, sei der Anwendungsbereich von Art 45 AEUV nicht eröffnet. Eine Unterscheidung von einschlägigen Vordienstzeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt worden seien, und sonstigen Zeiten in der Privatwirtschaft sei nach der Judikatur des VfGH nicht gleichheitswidrig. Soweit die Klägerin Ansprüche für Juni 2011 geltend mache, seien diese verjährt.

[13] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 31.536,93 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 313,50 EUR sA ab. Die für die Beurteilung des Anspruchs der Klägerin auf Vordienstzeitenanrechnung zum Zeitpunkt der Begründung des Dienstverhältnisses geltende Fassung des § 256 Stmk L-DBR idF LGBl 2003/29 verstoße gegen Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, weil sie nur bei Anstellungsverhältnissen zu inländischen Gebietskörperschaften oder der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft mbH eine Vollanrechnung der Vordienstzeiten vorgesehen habe, bei anderen (ausländischen) Vordienstzeiten jedoch eine Begrenzung enthalten habe. Die Klägerin habe zwar keine im EU-Ausland erworbenen Vordienstzeiten, sei aber von der diskriminierenden Vorschrift insofern betroffen, als ihr Anspruch auf Arbeitnehmerfreizügigkeit, nämlich im Ausland zu arbeiten und nach Rückkehr keine Nachteile in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten zu erleiden, beschränkt sei. Dass die Klägerin derzeit keine einschlägigen Beschäftigungszeiten im Ausland vorweisen könne, sei unbeachtlich, weil subjektive Gründe, weshalb sich ein Arbeitnehmer dafür oder dagegen entscheide, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, bei der Beurteilung des diskriminierenden Charakters einer nationalen Vorschrift nicht berücksichtigt werden könnten. Die Beklagte hätte daher bei Begründung des Dienstverhältnisses mit der Klägerin die diskriminierenden Anrechnungsbestimmungen nicht anwenden dürfen und der Klägerin für die Einstufung in das Gehaltsschema die im A*heim *, beim R* und im Sanatorium H* erbrachten Zeiten zur Gänze anrechnen müssen. Auch wenn die Frage der Einschlägigkeit der Vordienstzeiten nach § 256 Stmk L-DBR idF LGBl 2003/29 keine Rolle gespielt habe und darauf erst seit der Novellierung durch LGBl 2018/17 durch § 256a Stmk L-DBR Bedacht genommen werde, sei davon auszugehen, dass die Zeiten, die die Klägerin im Pflegeheim gearbeitet habe, auch einschlägig seien. Diese Zeiten seien zusätzlich zur Zeit der dreijährigen Ausbildung der Klägerin in Serbien anzurechnen. Davon ausgehend hätte sich bei Beginn des Dienstverhältnisses der Klägerin zur Beklagten der 18. 12. 1991 als Vorrückungsstichtag ergeben, weshalb das Klagebegehren grundsätzlich berechtigt sei. Der Entgeltanspruch für Juni 2011 in Höhe von 313,50 EUR sei jedoch verjährt.

[14] Das Berufungsgericht gab der gegen den klagestattgebenden Teil der Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Das Berufungsgericht vertrat den Rechtsstandpunkt, dass die Klägerin ihre Ansprüche nicht mit Erfolg auf die Verletzung von Unionsrecht stützen könne, weil § 256 Stmk L-DBR idF LGBl 2003/29 nicht gegen einen sekundärrechtlichen Rechtsakt verstoße und Art 45 AEUV als unionsrechtliches Primärrecht mangels eines aktuellen grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht anzuwenden sei. Die Anwendung des § 256 Stmk L-DBR idF LGBl 2003/29 führe aber auch nicht zu einer Diskriminierung aufgrund des Lebensalters oder des Geschlechts. Eine Bestimmung des nationalen Rechts, die nur gewisse Vordienstzeiten berücksichtige und andere Vordienstzeiten außer Acht lasse, könne zwar zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer anhand des Datums ihrer Einstellung bei dem betreffenden Unternehmen führen, doch beruhe diese nach der Judikatur des EuGH weder unmittelbar noch mittelbar auf dem Alter oder auf einem an das Alter anknüpfenden Ereignis. Davon, dass sich § 256 Stmk L-DBR idF LGBl 2003/29 auf einen signifikant höheren Anteil von Personen eines Geschlechts im Vergleich zu Personen des anderen Geschlechts ungünstig auswirke – so die Judikatur des EuGH für eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – könne hier keine Rede sein, weil diese Bestimmung nicht die Zeiten der Anrechnung im Beruf einer Pflegehelferin regle, sondern auf die Dienstverhältnisse sämtlicher Beamten und Vertragsbediensteten anzuwenden sei.

[15] Gegen die Unterscheidung des Gesetzgebers, bei der Anrechnung von Vordienstzeiten unter Bedachtnahme auf deren Einschlägigkeit zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt worden seien, einerseits und sonstigen Zeiten (in der Privatwirtschaft) andererseits, bestünden aufgrund des weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach der Entscheidung 8 ObA 34/17h habe sich das für die Beurteilung einer allenfalls unzulässigen Inländerdiskriminierung zuständige Gericht auch mit der unionsrechtlichen Vorfrage auseinanderzusetzen. Für eine Anrufung des VfGH bestehe aber keine unionsrechtliche Grundlage, weil diese Vorgangsweise die Vorabklärung einer hypothetischen unionsrechtlichen Fragestellung erfordere, zumal der Anwendungsbereich des Unionsrechts nicht eröffnet sei.

[16] Ein aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abzuleitender Anspruch der Klägerin komme hier schon deshalb nicht in Betracht, weil sie gar nicht behauptet habe, dass die Beklagte anderen Diplomkrankenschwestern Vordienstzeiten als Pflegehelferinnen in privaten Einrichtungen bei Ermittlung des Vorrückungsstichtags unbeschränkt angerechnet hätte.

[17] Gemäß § 256a Abs 1 Z 3 lit c Stmk L-DBR seien für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SII/Gesundheitsberufe die Zeiten einer einschlägigen Verwendung in einem Dienstverhältnis, die bei einer vergleichbaren privaten stationären, extramuralen oder ambulanten Einrichtung im Inland oder in einem EU Mitgliedsstaat jeweils bis zum Ausmaß von zehn Jahren zurückgelegt worden seien, bei Ermittlung des Vorrückungsstichtags zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei eine gleichwertige Berufserfahrung von jeder anderen Art der Berufserfahrung, die für die Ausübung der Tätigkeit (bloß) nützlich sei, zu unterscheiden. Die Klägerin habe im A*heim * zwar in der Praxis Arbeiten verrichtet, die über die Aufgaben einer Pflegehelferin hinausgingen, aber sie habe erst ab 28. 12. 1998 die Befugnis erhalten, als Diplomkrankenschwester zu arbeiten. Die über die Aufgaben einer Pflegehelferin hinausgehenden Tätigkeiten im Pflegeheim habe die Klägerin daher nur unter der Verantwortung der diensthabenden Diplomkrankenschwester ausführen können. Auch wenn die Tätigkeiten der Klägerin im A*heim * für ihre spätere Beschäftigung als Diplomkrankenschwester bei der Beklagten nützlich gewesen seien, so seien sie doch nicht als gleichwertig zu qualifizieren und bei Ermittlung des Vorrückungsstichtags auch nicht als einschlägige Vordienstzeiten zu berücksichtigen.

[18] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgabe (erkennbar gemeint im Umfang der Klagsstattgabe durch das Erstgericht, weil die Abweisung des Mehrbegehrens durch das Erstgericht von der Klägerin im Berufungsverfahren unbekämpft blieb); hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Zudem regt die Klägerin die Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH an.

[19] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[20] I. Da der Oberste Gerichtshof Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 256 Abs 1 Z 2 lit b Stmk L DBR idF LGBl 2003/29 hegte, soweit vergleichbare Vordienstzeiten bei anderen Dienstgebern als einer inländischen Gebietskörperschaft, der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH oder vergleichbaren Einrichtungen erworben wurden, diese Zeiten aber, soweit sie drei Jahre übersteigen, nur bis zur Hälfte angerechnet werden, wurde mit Beschluss vom 25. 11. 2021, AZ 9 ObA 81/21h, ein entsprechender Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

[21] Mit Erkenntnis vom 1. 7. 2022, G 17/2022-10, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag ab. Die behaupteten Verstöße der angefochtenen Bestimmungen gegen Art 7 B VG bzw Art 2 StGG („Inländerdiskriminierung“) lägen nicht vor. Es läge grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn dieser bei der Anrechnung von Vordienstzeiten zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, einerseits und sonstigen Zeiten andererseits unterscheide. Diese unterschiedliche Gewichtung von Dienstzeiten bei Gebietskörperschaften und solchen bei anderen Einrichtungen sei hinsichtlich innerstaatlicher Sachverhalte und damit unabhängig davon, ob im Anwendungsbereich des Unionsrechts eine vollständige Gleichbehandlung dieser Zeiten geboten wäre, in Art 21 Abs 4 B VG angelegt. Ein Vergleich innerstaatlicher Sachverhalte mit unionsrechtlichen Sachverhalten unter dem Gesichtspunkt des Art 7 B VG bzw Art 2 StGG komme nicht in Betracht.

[22] Das Revisionsverfahren war nun fortzuführen.

[23] II. Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

[24] 1. Auf der Grundlage des § 256 Stmk L DBR idF LGBl 2003/29 kommt eine weitere Anrechnung der von der Klägerin geltend gemachten Vordienstzeiten nicht in Betracht.

[25] 2. Die nicht nur für Vertragsbedienstete im Gesundheitswesen (vgl § 190 Stmk L DBR idF LGBl 2003/29), sondern auch für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas I und II (vgl § 280 Abs 1 Stmk L DBR idF LGBl 2003/29) und für die Beamten und Vertragsbediensteten, die der Übergangsbestimmung des § 245 Stmk L DBR idF LGBl 2003/29 unterfallen, in Geltung gestandene Regelung des § 256 Stmk L DBR idF LGBl 2003/29 führte weder zu einer (unmittelbaren oder mittelbaren) Diskriminierung der Klägerin aufgrund des Geschlechts, noch aufgrund des Alters. Die nicht vollständige Anrechnung von bei privaten Dienstgebern erbrachten Vordienstzeiten richtet sich nach dieser Gesetzeslage unterschiedslos an Männer und Frauen. Dass davon überwiegend Frauen betroffen wären, ist nicht zu erkennen. Stichtagsregelungen, wodurch für bestimmte Arbeitnehmer ab einem bestimmten Eintrittstag günstigere Vorschriften geschaffen werden (hier im Vergleich zur Klägerin durch § 256a Stmk L DBR idF LGBl 2018/17) sind nach der Rechtsprechung des EuGH nicht altersdiskriminierend (vgl 9 ObA 86/20t Rz 10 unter Hinweis auf EuGH 14. 2. 2019, Rs C 154/18, Horgan , Keegen/Irland vgl auch 8 ObA 23/22y).

[26] 3. Nach § 256a Abs 1 Z 3 lit c Stmk L DBR idF LGBl 2018/17 wären der Klägerin ihre Vordienstzeiten als Pflegehelferin im A*heim * mit Wirksamkeit vom 1. 3. 2018 dann anzurechnen, wenn diese Zeit als „einschlägige Verwendung“ zu ihrer Tätigkeit als Diplomkrankenschwester bei der Beklagten zu qualifizieren wäre. Dies ist jedoch, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, nicht der Fall.

[27] Die von der Klägerin verrichteten (im Wesentlichen typischen) Tätigkeiten einer Pflegehelferin (nunmehr Pflegeassistentin nach § 84 Abs 1 GuKG) unterscheiden sich von der Tätigkeit einer diplomierten Krankenschwester (nunmehr diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin nach § 11 Abs 1 GuKG) nicht nur durch die umfassendere theoretische und praktische Ausbildung, sondern wird der gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege insbesondere durch die hohe Verantwortung für die Pflege (§ 12 GuKG), die eigenverantwortliche Erhebung des Pflegebedarfs sowie Beurteilung der Pflegeabhängigkeit, die Diagnostik, Planung, Organisation, Durchführung, Kontrolle und Evaluation aller pflegerischen Maßnahmen (Pflegeprozess) in allen Versorgungsformen und Versorgungsstufen, die Prävention, Gesundheitsförderung und Gesundheitsberatung im Rahmen der Pflege sowie die Pflegeforschung (§ 14 GuKG) ausgezeichnet. Dazu kommen die eigenverantwortliche Durchführung medizinisch-diagnostischer und medizinisch-therapeutischer Maßnahmen und Tätigkeiten nach ärztlicher Anordnung (§ 15 GuKG), die Berechtigung zur Weiterverordnung von Medizinprodukten (§ 15a GuKG) und Kompetenzen im multiprofessionellen Versorgungsteam (§ 16 GuKG). Pflegeassistenzberufe dienen hingegen der Unterstützung von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege sowie von Ärzten (§ 82 Abs 1 GuKG). Der Tätigkeitsbereich der Pflegeassistenz umfasst im Wesentlichen die Mitwirkung an und Durchführung der ihnen von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege übertragenen Pflegemaßnahmen sowie die Mitwirkung bei Diagnostik und Therapie (§ 83 Abs 1 GuKG). Die Durchführung von Pflegemaßnahmen darf nur nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege erfolgen (§ 83 GuKG).

[28] Mag nun die Klägerin gewisse pflegerische Tätigkeiten auch „selbständig“ erbracht haben, so wurden doch die von ihr zu verrichtenden Tätigkeiten zuvor mit der diensthabenden Diplomkrankenschwester abgesprochen. Eine einschlägige, nach Ansicht der Revision mit der Tätigkeit einer Diplomkrankenschwester vergleichbare Tätigkeit, die der Klägerin die Erbringung einer Dienstleistung als Diplomkrankenschwester ab Beginn des Dienstverhältnisses ermöglichte, sodass sich der Gegenwert der Dienstleistung dadurch für die Beklagte erhöhte, liegt nach Ansicht des Senats nicht vor.

[29] 4. Unionsrechtliche Fragen, die vom EuGH zu lösen wären, sind nicht zu erkennen. Insbesondere bedarf es nicht der Einholung einer Vorabentscheidung zur Auslegung des „Art 11“ der RL 2000/78/EG.

[30] Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.

[31] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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