JudikaturOGH

9ObA80/22p – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Joachimsthaler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Christian Lewol (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei MMag. M* S*, vertreten durch Mag. Georg Zechbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bildungsdirektion Oberösterreich, 4040 Linz, Sonnensteinstraße 20) vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 1. Feststellung und 2. 14.763,91 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 8. Juni 2022, GZ 12 Ra 31/22y 34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Gemäß § 26 Abs 3 Satz 1 VBG 1948 in der hier anzuwendenden Fassung der 2. Dienstrechts Novelle 2019, BGBl I 2019/58, sind über die in § 26 Abs 2 angeführten Zeiten hinaus Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist gemäß Abs 3 Satz 2 Z 2 leg cit einschlägig, insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.

[2] 2.1. Auf Grundlage des § 46 Abs 3 VBG 1948 wurde die Verordnung der Bundesministerin für Bildung und Frauen über die Berücksichtigung von Berufspraxiszeiten für Vertragsbedienstete im Pädagogischen Dienst, BGBl II 2015/283 (in der Folge: Anrechnungsverordnung) erlassen. Auch diese sieht in § 1 Abs 1 zweiter Fall vor, dass einschlägige Berufstätigkeiten als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter gemäß § 26 Abs 3 VBG anrechenbar sind, insoweit durch die damit vermittelte fachliche Erfahrung ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.

[3] 2.2. § 4 Anrechnungsverordnung enthält Bestimmungen über die Anrechnung von Berufspraxiszeiten für Absolventinnen und Absolventen eines Lehramtsstudiums im Bereich der Allgemeinbildung (§ 38 Abs 2 und 7 VBG, § 3 Abs 2 und 7 LVG). Nach dessen Abs 2 sind für Lehrkräfte mit dem Fach des abgeschlossenen Lehramtsstudiums inhaltlich in engem Zusammenhang stehende einschlägige Berufspraxiszeiten (gegebenenfalls zusätzlich zu Zeiten gemäß Abs 1) bis zum Gesamtausmaß von sechs Jahren als Vordienstzeit anzurechnen. Als einschlägige Berufspraxiszeiten im Sinne des Abs 2 kommen nach Abs 3 ua die in § 3 Abs 4 Anrechnungsverordnung genannten in Betracht, nach dessen Z 1 für die Verwendung im Unterrichtsgegenstand Deutsch: Lektor/innentätigkeit bei einem Verlag, Bibliotheks und Dokumentationsdienst, Medien und Öffentlichkeitsarbeit und nach dessen Z 7 für die Verwendung im Unterrichtsgegenstand Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung: einschlägige Tätigkeit in einem Archiv oder Museum.

[4] 3. Die Frage der Anrechenbarkeit einer Vortätigkeit ist stets im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten zu beurteilen, sodass sie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO begründet (vgl RS0082096 [T6]). Eine solche zeigt auch die außerordentliche Revision des Klägers nicht auf.

[5] 4. Die übereinstimmende Rechtsauffassung der Vorinstanzen, die Vordienstzeiten des Klägers als Rechtsanwalt, Rechtsanwaltsanwärter und juristischer Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei hätten nach den Feststellungen im Vergleich zu jenem Personenkreis, auf den eine entsprechende Ausschreibung typischerweise zutreffen würde, keine erhebliche bessere Verwendbarkeit (vgl 8 ObA 26/18h) als Bundeslehrer an einem Bundesrealgymnasium, an dem der Kläger die Gegenstände Deutsch sowie Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung unterrichtet, erwarten lassen, ist nicht zu beanstanden. Eine krasse Verkennung der Rechtslage ist dem Berufungsgericht nicht vorzuwerfen. Welcher exakte Maßstab für die Prognose eines erheblich höheren Arbeitserfolges zugrunde zu legen ist, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden, weil das Berufungsgericht ohnedies die vom Revisionswerber geforderte Abwägung der für und gegen einen erheblich höheren Arbeitserfolg sprechenden Umstände in seiner rechtlichen Beurteilung vorgenommen hat.

[6] 5. Richtig ist, dass der Umstand, dass eine Tätigkeit nicht in der Anrechnungsverordnung angeführt ist, nicht ausschließt, dass diese Tätigkeit dennoch anzurechnen ist (9 ObA 47/19f [Pkt 3.1.]). Damit ist für den Standpunkt des Revisionswerbers aber nichts zu gewinnen, weil er seine pädagogischen und fachlichen Fähigkeiten als Lehrer grundsätzlich schon durch das abgeschlossene Lehramtsstudium für die Unterrichtsfächer Deutsch sowie Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung erworben hat und eine bessere Verwendbarkeit des Klägers als Lehrer für Deutsch sowie Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung durch seine juristischen Vortätigkeiten auch aus fachlicher Sicht nicht zu erwarten war.

[7] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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