JudikaturOGH

20Ds2/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 30. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Waizer und Mag. Eigner als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kornauth als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 20. September 2021, AZ D 52/20, 7 Dv 25/21, TZ 32, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Mag. Stani , des Kammeranwalts Mag. Haumer , des B eschuldigten und dessen Verteidigers Univ. Prof. Dr. Murko zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Schuld wird nicht, jener wegen Strafe aber dahingehend Folge gegeben, dass eine Geldbuße von 4.000 Euro verhängt wird.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1, erster und zweiter Fall DSt) schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 5.000 Euro verurteilt.

[2] Danach hat er in einem Erwachsenenschutzverfahren eines Bezirksgerichts jedenfalls ab 19. Juni 2019 den in diesem Verfahren Betroffenen J* vertreten, obwohl er dessen Ehegattin, E* bereits gemäß Schreiben vom 30. Oktober 2018 gegen J* vertreten und Unterhaltsansprüche gegenüber dem Betroffenen geltend gemacht und im Namen von E* auch die Einleitung eines Gerichtsverfahrens gegen J* angekündigt hatte, um eine Verwertung der Ehewohnung zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.

[4] Entgegen der die Rechtsmittelausführung einleitenden Behauptung des Beschuldigten liegen dem Schuldspruch nicht zwei selbständige als Doppelvertretung beurteilte Taten zugrunde. Vielmehr ist der einzige Tatvorwurf die Vertretung des Betroffenen im Erwachsenenschutzverfahren, obwohl vorher dessen Ehegattin gegen den Betroffenen vertreten wurde . Die Details dazu dienen bloß der Verdeutlichung des Interessenkonflikts.

[5] Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 bekämpft der Beschuldigte Widersprüchlichkeit, Undeutlichkeit und Aktenwidrigkeit bezogen auf den Vorwurf einer Vertretung der Ehegattin des Betroffenen in Ankündigung der Einleitung eines Gerichtsverfahrens gegen diesen, um die Verwertung der Ehewohnung zu verhindern, mit dem Argument, dieser Vorwurf finde sich nicht im Sachverhalt und diese Feststellung sei als Ankündigung eines Vorgehens gegen die Erwachsenenvertreterin zu werten.

[6] Tatsachenfeststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge (Z 5) anfechtbar, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart entscheidend sind (RIS Justiz RS0117499). Die in Rede stehenden Disziplinarvergehen werden bereits durch die Vertretung des Betroffenen im Erwachsenenschutzverfahren trotz vorangegangener außergerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen durch dessen – damals getrennt lebenden – Ehegattin vollendet, sodass die dargestellte Mängelrüge (Z 5, erster, dritter und fünfter Fall) keine entscheidenden Tatsachen anspricht. Unabhängig davon ist zu berücksichtigen, dass eine allfällige Veräußerung der im Eigentum des Betroffenen stehenden Ehewohnung durch die Erwachsenenvertreterin von dieser in Vertretung des Betroffenen erfolgt wäre.

[7] Für die tatbestandliche Setzung disziplinären Verhaltens (Handeln oder Unterlassung) genügt Fahrlässigkeit zur Deliktsverwirklichung, sofern die materielle Norm bzw standesrechtliche Verhaltensvorschrift nicht ausnahmsweise Vorsatz erfordert ( Lehner in Engelhart et al , RAO 10 § 1 DSt Rz 7/1).

[8] Das Verbot der Doppelvertretung setzt weder gemäß § 10 Abs 1 RAO noch nach § 10 RL BA 2015 vorsätzliches Verhalten voraus. Da bereits die objektive Sorgfaltswidrigkeit eines Verhaltens dessen subjektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert ( Lehner in Engelhart et al , RAO 10 § 1 DSt Rz 7/3 mwN), geht die Kritik der Berufung (Z 5, erster und vierter Fall) an den Erwägungen des Disziplinarrates zur subjektiven Tatseite (ES 5 f) ins Leere.

[9] Entgegen der Rüge, der Disziplinarrat habe sich im Erkenntnis in keiner Weise mit der Verantwortung des Beschuldigten auseinandergesetzt (Z 5, zweiter Fall), ist auf die gedrängt dargestellte Verantwortung des Beschuldigten (ES 2) und deren Würdigung (ES 8) zu verweisen, worin unmissverständlich dargelegt wurde, aus welchen Gründen der Disziplinarrat der Verantwortung des Beschuldigten nicht folgte.

[10] Die Berufung bemängelt im Sinne einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5, vierter Fall) weiters, dass die Feststellungen, der Beschuldigte habe für die Ehegattin die Erhöhung des Unterhaltes auf 1.100 Euro sowie die Übermittlung von Aktenbestandteilen aus dem Erwachsenenschutzverfahren begehrt, er sei im Erwachsenenschutzverfahren für beide (!) Ehegatten eingeschritten und habe auch in Vertretung der Ehegattin des Betroffenen gerichtliche Schritte gegen die Verkaufsbemühungen hinsichtlich der Ehewohnung angekündigt, nicht ausreichend begründet wären, sich lediglich auf die bezughabend angeführten Beilagen stützten und die entgegenstehende Aussage des Beschuldigten nicht berücksichtigt worden wäre .

[11] Dem ist zu entgegnen, dass einem ehelichen Unterhaltsanspruch immer ein Anspruch des einen gegen den anderen Ehegatten zugrunde liegt. Ein Unterhaltsanspruch eines Ehepartners gegenüber einem Erwachsenenvertreter des anderen Ehegatten ist dem österreichischen Unterhaltsrecht fremd. Schon aus diesen rechtlichen Überlegungen musste auf die Einlassung des Beschuldigten nicht näher eingegangen werden. D ie Ankündigung rechtlicher Schritte gegen die Verwertung der Ehewohnung, die die Erwachsenenvertreterin in Vertretung des Betroffenen angekündigt habe, beziehen sich auf eine Vertretung der Ehegattin gegen den Betroffen und stützen sich auf eherechtliche Ansprüche, die sich nicht gegen die Erwachsenenvertreterin persönlich richten konnten. Gerade mit dieser Problematik hat sich der Disziplinarrat in der gebotenen gedrängten Form auseinandergesetzt (ES 8).

[12] Dem Beschuldigten als Rechtsanwalt mussten diese angesprochenen Grundsätze des ehelichen Unterhaltsrechts und des Eherechts jedenfalls bekannt sein, sodass die entsprechenden Feststellungen bezogen auf die subjektive Tatseite auch ausreichend begründet sind.

[13] Die Verpflichtung des Rechtsanwalts, sich von jeglicher Kollision weitgehendst freizuhalten, ist eine der Grundfesten anwaltlicher Tätigkeit ( Lehner in Engelhart et al , RAO 10 § 10 RAO Rz 6). Ob und wann eine Kollision vorliegt, ist sowohl begrifflich als auch aus Sicht der rechtspolitisch dahinter stehenden Zielsetzung weit zu interpretieren ( Lehner in Engelhart et al , RAO 10 § 10 RAO Rz 11). Das gilt sowohl für die in § 10 RAO bei der unechten (materiellen) Doppelvertretung genannten „zusammenhängenden Sache“ als auch bei der Frage der Gegenpartei: Sachen hängen im Sinne des § 10 RAO bereits dann zusammen, wenn ein Interessenskonflikt zweier Parteien vorliegt oder wenn sich dieser (objektiv betrachtet) abzeichnet ( Lehner in Engelhart et al , RAO 10 § 10 RAO Rz 11). Dabei genügt schon die bloße Gefahr einer Interessenkollision, um von einer „zusammenhängenden Sache“, also einer materiellen Doppelvertretung zu sprechen (RIS-Justiz RS0054995 [T29], RS0117715 [T3]). Die „Gegenpartei“ iSd § 10 RAO ist nicht nur auf die formal (prozess )beteiligten Parteien beschränkt, abzustellen ist vielmehr darauf, ob zwischen Personen widerstreitende Interessen bestehen oder ob die Gefahr droht, dass derartige widerstreitende Interessen bestehen könnten. Ist dies der Fall, handelt es sich um eine „Gegenpartei“ im Sinne des Gesetzes (RIS-Justiz RS0054995 [T26]).

[14] Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge (Z 9 lit a) erfordert ein striktes Festhalten an den F eststellungen in ihrer Gesamtheit und eine auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilsachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei (vgl Lehner in Engelhart et al , RAO 10 § 49 DSt Rz 6/7 mwN). Die Rechtsrüge hingegen argumentiert erkenntnisfremd, der Beschuldigte habe aufgrund eines „einheitlichen gemeinsamen Mandates beider Ehegatten stets das gemeinsame Interesse seiner Klienten gegenüber der Erwachsenenvertreterin“ verfolgt. Dabei verfehlt sie den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

[15] Die Berufung kann trotz in die Breite getretener Argumentation nicht überzeugend darstellen, warum zufolge Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Jahr 2018 gegen den Betroffenen für dessen – damals getrennt lebende – Ehegattin und der späteren Vertretung auch des Betroffenen im Erwachsenenschutzverfahren nicht einmal die Gefahr eines Interessenskonfliktes bestand. Aus welchem Grund es sich beim Betroffenen und dessen Ehegattin nicht um „Gegenparteien“ im oben ausgeführten Sinn handeln soll, wird trotz weitwendiger Erklärungsversuche nicht klar. Die Behauptung eines von beiden Ehegatten erteilten Vertretungsauftrags zur Verfolgung von Unterhaltsansprüchen im „Interesse beider Klienten“ orientiert sich nicht an den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses (ES 4, 7).

[16] Auch die hinsichtlich eines vermeintlichen „zweiten im Erkenntnisspruch inkriminierten Vorwurfs der Vertretung beider Klienten im Zusammenhang mit der Wohnungsveräußerung“ erstatteten Ausführungen im Rechtsmittel treffen – wie bereits eingangs dargestellt – den tatsächlichen Inhalt des Schuldspruchs nicht.

[17] Die Argumentation in der Berufung, es dürfte bei der Beurteilung des Doppelvertretungsverbots durch den Disziplinarrat niemals eine gemeinsame Vertretung zweier Ehegatten stattfinden, geht am Schuldvorwurf gegen den Beschuldigten vorbei. Gerade aus der Vertretung der – damals getrennt lebenden – Ehegattin wegen Unterhaltsansprüchen und ehelicher Ansprüche an der Ehewohnung ergibt sich aus den weiter oben angeführten Gründen der Interessenskonflikt, da diese Ansprüche der Ehegattin sich immer nur gegen den Ehepartner (im gegenständlichen Fall den Betroffenen) richten können. Falls letzterer mit erhöhtem Unterhalt einverstanden gewesen wäre, bleibt nach dem – insofern insgesamt nicht schlüssigen – Rechtsmittelvorbringen im Dunkeln, warum die Erwachsenenvertreterin nicht hätte zustimmen können und wollen, ohne ihre Aufgaben der Vermögensverwaltung zu gefährden.

[18] Wenn der Beschuldigte ausgehend „vom Vorliegen eines einheitlichen Mandats“ seine Pflicht zur Verschwiegenheit bestreitet, setzt er sich über die entgegenstehenden Feststellungen des Disziplinarrats hinweg. Dabei ist es nicht nachvollziehbar, warum ein gegen den einen Ehegatten bestehender Auskunftsanspruch dessen Rechtsanwalt von seiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem anderen Ehegatten entbinden sollte. Bezogen auf einen möglichen Verkauf der Ehewohnung des Betroffenen ist zwischen den aus dem Eherecht begründenden Ansprüchen der Ehegattin einerseits und Ansprüchen des Betroffenen, die Ehewohnung nicht verkaufen zu wollen, andererseits zu unterscheiden. Diesen Ansprüchen liegen völlig verschiedene Interessenslagen zugrunde, wobei sich das Interesse der Ehegattin im gegenständlichen Fall gegen den mit ihr in Ehe verbundenen Betroffenen richtet, woraus sich bereits die Interessenskollision ergibt. Von einem „einheitlichen Mandat“ gegenüber der Ehegattin und dem Betroffenen kann daher aufgrund der verschiedenen Interessenslagen nicht die Rede sein. So steht die Übernahme der Vertretung des Betroffenen im Erwachsenenschutzverfahren in Widerspruch mit der Vertretung dessen Ehegattin in Bezug auf ehelichen Unterhalt und Ehewohnung, sodass auf die gegensätzlichen Interessenlagen im Fall einer Scheidung oder im Todesfall des Betroffenen nicht näher einzugehen ist. Warum insgesamt keine Gefahr des Verstoßes gegen die Treue und Verschwiegenheitspflicht bestehen soll, vermag die Berufung trotz umfangreicher Versuche nicht überzeugend darzulegen.

[19] Der Argumentation des Beschuldigten in seiner Schuldberufung „im eigentlichen Sinn“, Vorsatz bei Verletzung des Doppelvertretungsverbotes sei nicht durch die Beweisergebnisse belegt, ist unter Hinweis auf die obigen Ausführungen entgegenzuhalten, dass bereits fahrlässiges Handeln zur Verwirklichung des Tatbestands ausreicht.

[20] Wenn im Rahmen der Schuldberufung Feststellungen begehrt werden, wonach der Beschuldigte nach seiner Überzeugung den Betroffenen und dessen Ehegattin von Beginn an gemeinsam gegen die bestellte Erwachsenenvertreterin vertreten habe und keine Konfliktsituation vorgelegen sei, ist auf die vom Disziplinarrat verwerteten unbedenklichen Urkunden (ES 3, 5), insbesondere das Schreiben des Beschuldigten vom 30. Oktober 2018 (Beilage ./25), worin in Vertretung der – damals getrennt lebenden – Ehegattin Unterhaltsansprüche gegen den Betroffenen geltend gemacht werden, auf den Schriftsatz vom 11. Juni 2019 (Beilage ./1), worin in Vertretung der Ehegattin auf deren im Eherecht begründeten Rechte an der Ehewohnung verwiesen wird, und auf den Schriftsatz vom 21. Juni 2019 (Beilage ./3), worin zwar in Vertretung des Betroffenen und dessen Ehegattin, jedoch wieder die eherechtlich begründeten Ansprüche der Ehegattin an der Ehewohnung angezogen werden, zu verweisen.

[21] Zusammengefasst gelingt es der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld nicht, Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken, der die Vertretung der Ehegattin – und nur dieser – gegen den Betroffenen aus dem außergerichtlichen Aufforderungsschreiben an die Erwachsenenvertreterin betreffend Unterhaltsanspruch der Ehegattin vom 30. Oktober 2018 in Gesamtschau mit dem weiteren Fortgang des Erwachsenenschutzverfahrens erschlossen hat (ES 2 f iVm ES 5, 8).

[22] Die im Rahmen der Schuldberufung behauptete mangelnde Strafwürdigkeit der Tat gemäß § 3 DSt (der Sache nach Z 9 lit b) zielt auf ein bloß geringfügiges Verschulden des Beschuldigten. Maßgebend für die Beurteilung eines „geringfügigen Verschuldens“ sind der Handlungsunwert und ein allfälliger Gesinnungsunwert, wobei die Schuld absolut und im Vergleich zu typischen Fällen der Deliktsverwirklichung geringfügig sein muss; dies ist dann der Fall, wenn die Schuld erheblich hinter jener typischer Fälle solcher Verstöße zurückbleibt. Dafür genügt es nicht, dass bloß kein schweres Verschulden vorliegt ( Lehner in Engelhart et al , RAO 10 , § 3 DSt Rz 5 mwN). Der disziplinäre Tatbestand der Treupflichtverletzung stellt grundsätzlich ein schweres Disziplinardelikt dar. Für seine Ahndung sind sowohl spezial- als auch generalpräventive Gründe maßgebend. Gerade durch eine Verletzung der Treuepflicht wird das Vertrauen der rechtssuchenden Bevölkerung in die Tätigkeit des Anwaltsstandes erschüttert, zumindest aber erheblich beeinträchtigt, sodass ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl Lehner in Engelhart et al , RAO 10 , § 1 DSt Rz 43/1). Nur dann, wenn das Verschulden in concreto erheblich hinter dem typischer Fälle zurückbleibt, kann es als geringfügig eingestuft werden, wofür es gegenständlich keine Anhaltspunkte gibt. Daher ist § 3 DSt nicht anzuwenden.

[23] Im Rahmen der Schuldberufung wird die V ernehmung von Zeugen, die nicht bereits vor dem Disziplinarrat beantragt und vernommen wurden, beantragt. Gemäß § 49 zweiter Satz DSt ist das Vorbringen neuer Beweismittel grundsätzlich zulässig, allerdings dann eingeschränkt, wenn dem Berufungswerber die neuen Beweismittel spätestens mit Abschluss des Beweisverfahrens erster Instanz bekannt waren oder bekannt sein mussten. Ein auf den Nichtgebrauch dieser neuen Beweismittel gerichteter Sorgfaltsverstoß, der über ein Versehen bloß minderen Grades hinausgeht, schadet. Dabei erfordert das Vorbringen von Neuerungen im Rechtsmittel konkrete Angaben zur Erfüllung dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen ( Lehner in Engelhart et al , RAO 10 § 49 DSt Rz 7 mwN). Eine Darlegung, warum dem Beschuldigten eine entsprechende Antragstellung im Verfahren vor dem Disziplinarrat nicht möglich gewesen sei, fehlt der Berufung. Mangelnde Kenntnis des „Sachverhaltsstands zum Zeitpunkt des Schlusses des Beweisverfahrens“ ist kein mindergradiges Verschulden .

[24] Der Berufung wegen Schuld war in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, aber entgegen der (neuerlich weitwendigen) Äußerung des Beschuldigten dazu der Erfolg zu versagen.

[25] Eine Disziplinarstrafe ist nach § 16 DSt immer aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bemessen, wobei Tatunrecht und darauf gegründete Täterschuld ausschlaggebend sind, dabei gelten die maßgebenden Grundsätze der §§ 32 ff StGB. Mildernd ist fallbezogen der bisher ordentliche Wandel, erschwerend das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen .

[26] B ei der Bemessung einer Geldstrafe ist auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen. Im Gegenstand stehen durchschnittliche Einkommens und Vermögensverhältnisse Sorgepflichten für drei minderjährige Kinder entgegen.

[27] Wenngleich aus spezial- und generalpräventiven Gründen eine merkbare Strafe zu verhängen ist, erfordern die Sorgepflichten eine Herabsetzung der Geldbuße.

[28] Ein schriftlicher Verweis als die geringste zu verhängende Strafe soll nur bei ganz geringen disziplinären Vergehen und geringer Schuld verhängt werden. Eine Treuepflichtverletzung durch einen Rechtsanwalt ist so schwerwiegend, dass ein bloßer Verweis nicht in Frage kommt ( Lehner in Engelhart et al , RAO 10 § 16 DSt Rz 5 f).

[29] Der Berufung des Beschuldigten wegen Strafe war daher nur im spruchgemäßen Ausmaß Folge zu geben.

[30] Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.

Rückverweise