8Ob94/22i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* B*, vertreten durch Dr. Kurt Bayr und Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K* P*, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 70.059,81 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Juni 2022, GZ 4 R 88/22f 28, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
[1] Mit der am 24. 8. 2020 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten Schadenersatz für die Folgen ihres am 14. 3. 2016 erlittenen Schiunfalls. Der Beklagte, Mitarbeiter eines Sportgeschäfts, habe die Bindung ihrer am Unfallstag verwendeten Skier grob unfachgemäß montiert, wodurch ein Teil der Bindung ausgebrochen und die Klägerin dadurch zu Sturz gekommen sei.
[2] Beide Vorinstanzen erachteten den vom Beklagten erhobenen Einwand der Verjährung des Klagebegehrens für berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die gegen die Berufungsentscheidung erhobene außerordentliche Revision der Klägerin spricht keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO an.
[4] 1. Aktenwidrigkeit haftet einer Entscheidung nur dann an, wenn die für die richterliche Willensbildung bestimmenden Verfahrenserklärungen oder Beweisergebnisse in der Begründung der Entscheidung in Abweichung vom Inhalt der Niederschriften, Eingaben oder Beilagen dargestellt wurden (RIS Justiz RS0043397). Ein solcher Mangel wird in der Revision entgegen der gewählten Bezeichnung des Revisionsgrundes nicht dargestellt.
[5] Das in der Revision zitierte vorangegangene Verfahren der Klägerin gegen den Arbeitgeber des Beklagten, an dem dieser weder als Partei noch als Nebenintervenient beteiligt war, entfaltet im vorliegenden Prozess keinerlei Bindungswirkung. Die Verweise der Revision auf Vorbringen und Passagen einer Urteilsbegründung in jenem Verfahren gehen damit ins Leere.
[6] 2. Die Frage des Eintritts der kurzen Verjährung ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0034327 [T23] ua).
[7] Die Revisionsausführungen zum Kenntnisstand der Klägerin darüber, welche Person die Bindung auf den Unfallskiern montiert hat, übergehen deren eigenes Vorbringen, wonach sie diese Skier ohne Bindung gezielt dem Beklagten wegen seiner bekannten besonderen Fachkenntnis zur Montage übergeben habe und auch er es gewesen sei, der ihr die Skier im fertigen Zustand, zusammen mit einer handgeschriebenen Grußbotschaft, zurückgestellt habe.
[8] Dass sich an diesem bereits vor dem Unfall – und daher auch im Unfallszeitpunkt – bestehenden Wissensstand der Klägerin nachträglich insoweit konkret etwas geändert hat, insbesondere dass zusätzliche Hinweise auf eine Verantwortung des Beklagten für die Bindungsmontage hinzugetreten wären, die sie zur gegenständlichen Klage bewogen haben, wurde nicht behauptet.
[9] Davon ausgehend ist aber die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass die Informationen, die letztlich zur Erhebung der vorliegenden Klage Anlass gaben, der Klägerin bereits unmittelbar nach dem Unfall zur Verfügung standen, nicht zu beanstanden.
[10] 3. Wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RS0034327). In diesem Sinne wäre es der Klägerin möglich und auch naheliegend gewesen, den Beklagten, dessen Arbeitsplatz am Standort des von der Familie der Klägerin betriebenen Hotels etabliert ist, in dem sie auch selbst arbeitete, nach dem Unfall einfach zu fragen, ob er die Skibindung selbst montiert hat.
[11] 4. Der Umstand, dass sich die Klägerin in dem zunächst gegen den Arbeitgeber des Beklagten geführten, mit Klagsabweisung beendeten Verfahren noch nicht konkret auf seine Person bezogen hatte, sondern nur auf „Mitarbeiter“ dieses Unternehmens, die die unsachgemäße Montage zu verantworten hätten, ändert daran nichts.
[12] 5. Auf Sittenwidrigkeit des Verjährungseinwands hat sich die Klägerin in erster Instanz so nicht berufen. Ihre diesbezüglichen Einlassungen in der Revision verstoßen daher gegen das Neuerungsverbot. Davon abgesehen wären taugliche Gründe für den Einwand den Revisionsausführungen auch nicht entnehmbar.
[13] 6. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.