JudikaturOGH

12Ns43/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 Abs 1 StGB (aF) und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 28 Hv 20/15g des Landesgerichts Innsbruck, über die Anzeige der Ausgeschlossenheit des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs *, der Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs * und * und des Hofrats des Obersten Gerichtshofs * gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs *, Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs * und * und Hofrat des Obersten Gerichtshofs * sind von der Entscheidung über den gegen das Oberlandesgericht Innsbruck gerichteten Fristsetzungsantrag des Verurteilten * S* vom 20. Juni 2022 in Ansehung des Verfahrens AZ 28 Hv 20/15g des Landesgerichts Innsbruck nicht ausgeschlossen.

Text

Gründe:

[1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 11 Fss 1/22v über den im Spruch genannten Fristsetzungsantrag zu entscheiden. Die im Spruch Genannten sind Mitglieder des zuständigen 11. Senats.

[2] Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs * zeigte die Ausgeschlossenheit der erwähnten Senatsmitglieder an, weil sie bereits im Verfahren des Landesgerichts Innsbruck AZ 28 Hv 20/15g über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe des * S* zu befinden gehabt hätten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Nach § 43 Abs 4 StPO ist ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist. Da im vorliegenden Fall jedoch nicht über einen solchen, sondern über einen Fristsetzungsantrag, welcher bloß die angebliche Säumigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zum Gegenstand hat, zu entscheiden ist, liegt nach dem Wortlaut des § 43 Abs 4 StPO Ausgeschlossenheit nicht vor.

[4] Die Beurteilung der Frage, ob Richter ausgeschlossen sind, erfordert nicht nur mit Blick auf das Spannungsverhältnis zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B VG) und zum Prinzip der festen Geschäftsverteilung (Art 87 Abs 3 B VG), sondern auch und vor allem unter dem Aspekt des Zugangs zum Recht eine Auslegung dieser Norm unter Berücksichtigung von Organisation und Funktion des Gerichts. Die Bestimmungen über die Ausgeschlossenheit und die Befangenheit stellen auf äußere Umstände ab, die zum einen durch ausdrückliche Aufzählung (§ 43 Abs 1 Z 1 und Z 2, Abs 2 bis 4, § 47 Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO), zum anderen mittels Generalklausel (§ 43 Abs 1 Z 3, § 47 Abs 1 Z 3 StPO) determiniert werden. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber die Ausgeschlossenheit abschließend regeln wollte; die Bestimmungen der §§ 43 ff StPO sind, weil dieser Wille des Gesetzgebers eine Gesetzeslücke jedoch nicht ausschließt, grundsätzlich analogiefähig. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der genannten Bestimmungen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben ist aber hiebei ein äußerst strenger Maßstab anzulegen (zum Ganzen Lässig , WK-StPO Vorbem zu §§ 43–47 Rz 5). Eine durch Analogie zu schließende Lücke ist bei der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation nicht auszumachen.

[5] Im Übrigen sind vorliegend auch keine Fragen zu beantworten, die jenen ähneln, mit denen die Richter in der selben Sache bereits befasst waren (vgl 12 Ns 67/15x; Lässig , WK StPO § 43 Rz 31a).

[6] Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs *, Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs * und * und Hofrat des Obersten Gerichtshofs * sind daher von der Entscheidung über den vorliegenden Fristsetzungsantrag nicht ausgeschlossen ( vgl auch jüngst 12 Ns 13/19m).

Rückverweise