JudikaturOGH

11Os76/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen * I* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 17. Mai 2022, GZ 18 Hv 12/22v 36, weiters über die Beschwerde des Angeklagten gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Verfallserkenntnis ebenso wie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde (soweit gegen diesen Schuldspruchteil gerichtet) hierauf verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit den Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte, dieser auch mit seiner Beschwerde, auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde der Angeklagte * I* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im Raum B* und andernorts

I./ von 30. August bis zumindest 8. Oktober 2021 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar insgesamt ca 500 Gramm Kokain (mit einem Reinsubstanzanteil von zumindest 66,62 %) durch Verkäufe und Übergaben an verschiedene Drogenabnehmer;

II./ von Ende September 2019 bis 10. Jänner 2022, wenn auch nur fahrlässig, Waffen, nämlich ein Nunchako und zwei Wurfsterne, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist.

Rechtliche Beurteilung

[3] Inhaltlich nur gegen den Schuldspruch zu I./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Soweit der Rechtsmittelantrag auf gänzliche Urteilsaufhebung abzielt, der Schuldspruch zu II./ inhaltlich jedoch nicht angefochten wurde, blieb die Nichtigkeitsbeschwerde mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO) und war demnach in diesem Umfang sofort zurückzuweisen.

[5] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem angefochtenen Urteil ein vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachter Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten anhaftet.

[6] Nach den Urteilsannahmen überließ der Angeklagte im vorgenannten Zeitraum anderen (sukzessive in Teilakten [arg: „durch Verkäufe und Übergaben an verschiedene Drogenabnehmer“]) insgesamt ca 500 Gramm Kokain (US 3).

[7] Die Zusammenfassung (sukzessiver) tatbestandsmäßiger Manipulationen von (wie demnach hier) mehreren, für sich allein die Grenzmenge des § 28a Abs 1 SMG nicht (sondern erst in Summe mit anderen) übersteigenden Suchtgiftquanten zu einer Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (oder § 28a Abs 2 Z 3 SMG) erfordert, dass die kontinuierliche Begehung und der daran geknüpfte Additionseffekt von Anfang an vom Vorsatz des Täters umfasst waren (11 Os  93/21t [insb Rz 21, 22]; Fabrizy , Suchtmittelrecht 6 § 28 SMG Rz 3 und § 28a Rz 2; RIS-Justiz RS0088096). Wird ein solcher Täterwille nicht als erwiesen angenommen, so könnten derartige Einzelakte jeweils das Vergehen nach § 27 Abs 1 achter Fall SMG begründen (RIS-Justiz RS0112225, RS0124018 [insb T2]; Schwaighofer in WK² SMG § 28 Rz 10, § 28a Rz 9, 23/1).

[8] Die Entscheidungsgründe enthalten Feststellungen zu einem auf das Überschreiten der in § 28a Abs 2 Z 3 SMG normierten Menge gerichteten Vorsatz des Angeklagten (US 3). Ob er anlässlich der jeweiligen Suchtgiftverkäufe von vornherein mit einer auf Addition der Suchtgiftmengen im zuvor beschriebenen Sinn gerichteten Willensausrichtung handelte, blieb hingegen ungeklärt.

[9] Da bereits dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10) die Aufhebung des Schuldspruchs I./ erfordert, erübrigt sich ein Eingehen auf die sich inhaltlich nur gegen diesen wendende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[10] Demgemäß war wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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