11Os58/22x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen * M* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten * M* und * D*, sowie die Berufungen dieser Angeklagten und der Staatsanwaltschaft betreffend diese beiden Angeklagten und den Angeklagten * S* gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 25. Jänner 2022, GZ 328 Hv 23/21g 182, sowie die Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des * D* gegen einen diesen Angeklagten betreffenden Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in den die Angeklagten M*, D* und S* betreffenden Schuldsprüchen und demzufolge in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Ausspruch des Verfalls und der D* betreffende Beschluss gemäß § 494a StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.
Mit ihren Rechtsmitteln werden die Angeklagten M* und D* ebenso wie die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil – das auch den Freispruch einer Mitangeklagten und einen Freispruch (US 6) sowie einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des S* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG enthält (V) – wurden M* und D* jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (IV und I) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 und 3 SMG (richtig auch bei M* [vgl jedoch US 4] II) schuldig erkannt.
[2] Danach haben – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – in S* „als Mitglied einer kriminellen Vereinigung“
I) D* von zumindest Oktober 2019 bis August 2020 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls übersteigenden Menge „erzeugt bzw dazu beigetragen, indem er das Haus anderen Personen überließ, die dort eine professionell ausgestattete Cannabisplantage errichteten, rund 1.400 Cannabispflanzen großzogen, deren Blüten und Fruchtstände ernteten und dabei zumindest 90 Gramm Delta 9 THC und 1.300 Gramm THCA erzeugten“;
II) M* und D* von August 2020 bis 9. Februar 2021 „nach der zu I) geschilderten Ernte die in § 27 Abs 1 Z 2 SMG genannten Pflanzen, und zwar Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer das 15 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift, und zwar zumindest 112,8 Gramm Delta 9 THC und 1.482 Gramm THCA, mit dem Vorsatz angebaut, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, bzw * D* dazu beigetragen, indem er den direkten Betreibern dieser Plantage das Einfamilienhaus überließ, die mit seinem Wissen und seiner Billigung in diesem nach der zu I) genannten Ernte weitere 1.296 Cannabispflanzen anbauten, wobei * M* in dem Haus wohnte und sich täglich um die dort befindlichen Cannabispflanzen kümmerte“;
IV) M* von zumindest Oktober 2019 bis August 2020 vorschriftswidrig Suchtgift „in einer das 25 fache der Grenzmenge jedenfalls übersteigenden Menge, und zwar Cannabis mit den Wirkstoffen Delta 9 THC und THCA erzeugt, indem er an mindestens einer professionell ausgestatteten Cannabisplantage durch Gießen der Pflanzen und Regeln der Raumtemperatur und der Luftfeuchtigkeit mitwirkte“;
V) S* gemeinsam mit D* und M* und weiteren bisher unbekannt gebliebenen Tätern von zumindest Oktober 2019 bis September 2020 [im bewussten und gewollten Zusammenwirken] „vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge jedenfalls übersteigenden Menge erzeugt, und zwar Blüten und Fruchtstände von Cannabispflanzen mit den Wirkstoffen Delta 9 THC und THCA, beinhaltend zumindest 1.300 Gramm THCA (das ist ca das 32 fache der Grenzmenge) und 90 Gramm Delta 9 THC (das ist ca das 4,5 fache der Grenzmenge), indem er an mehreren Cannabisplantagen mit jeweils zwischen 900 und 1.400 Pflanzen mitwirkte, indem er die Pflanzen nach der Blüte aberntete und beim Trocknen der Blüten mitwirkte.“
[3] Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M* und die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D*.
Rechtliche Beurteilung
[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem angefochtenen Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit zum Nachteil der Beschwerdeführer sowie des Angeklagten S* (vgl RIS Justiz RS0114232) anhaftet, die von Amts wegen wahrzunehmen war :
[5] H insichtlich des Schuldspruchs zu I, IV und V ist angesichts der festgestellten „mehreren Pflanzzyklen“ und des Tatzeitraums (US 10) von einer Tatbegehung durch mehrere (sukzessive) Teilakte auszugehen. Insoweit wären zur Zusammenrechnung der Suchtgiftquanten Feststellungen zu einem von vornherein auf die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichteten Vorsatz erforderlich gewesen (RIS Justiz RS0124018, RS0112225).
[6] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen hatte zur Kassation der genannten Schuldspruchteile zu führen.
[7] Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG setzt (unter anderem) einen auf die Vorschriftswidrigkeit des (hier) Erzeugens von Suchtgift und des Anbaus der in § 27 Abs 1 Z 2 SMG genannten Pflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung gerichteten Vorsatz (§ 7 Abs 1 iVm § 5 Abs 1 StGB) des Täters voraus (14 Os 14/22y Rz 12 mwN; Schwaighofer in WK 2 SMG § 28 Rz 5, § 27 Rz 5 f). Solche Sachverhaltsannahmen sind dem Urteil zum Schuldspruch zu II nicht zu entnehmen .
[8] Zufolge Aufhebung aller Schuldsprüche der Angeklagten M*, D* und S* , erübrigt sich ein Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden erstgenannten Angeklagten.
[9] Schließlich erklärte das Erstgericht gemäß „§ 20 Abs 1 StGB, § 443 StPO […] die sichergestellten 4.860,63 Euro (Versteigerungserlös für das Plantagenequipment) für verfallen“ (US 5). Dem Verfall unterliegen jedoch nur für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangte Vermögenswerte sowie etwaige Ersatzwerte oder Nutzungen dieser Vermögenswerte ( Fuchs/Tipold in WK 2 StGB § 20 Rz 13 ff [zur „Tatbeute“], Rz 28 ff [zum „Tatlohn“]; zum gegenstandsbezogenen Verfall vgl Fuchs/Tipold , WK StPO § 443 Rz 6 f). Gegenstände, die der Täter – wie hier nach dem Urteilssachverhalt die Angeklagten das „Plantagenequipment“ (US 9 ff) – zur Ausführung der Tat verwendet hat, werden dagegen vom Verfall nicht erfasst (Leukauf/Steininger /Stricker , StGB 4 § 20 Rz 1).
[10] Im Wesentlichen im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur waren daher aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der Angeklagten M* und D* das Urteil, das sonst unberührt zu bleiben hatte, und der D* betreffende Beschluss gemäß § 494a StPO wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Korneuburg zu verweisen. Hierauf waren die Angeklagten M* und D* sowie die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln zu verweisen.