JudikaturOGH

11Os66/22y – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ristic, BA, als Schriftführerin in der Strafsache gegen * R* und * T* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. März 2022, GZ 12 Hv 77/21y 60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung beider Angeklagter i m Schuldspruchpunkt I./, demgemäß in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) und in der Verweisung der Privatbeteiligten * H* und D* auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landes gericht für Strafsachen Graz verw iesen.

Mit den weiteren auf Schuldspruchpunkt I./ bezogenen Nichtigkeitsbeschwerden und ihren Berufungen werden die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Soweit sie sich gegen Schuldspruchpunkt II./ wenden, w erden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen – auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene (prozessual verfehlte; vgl RIS Justiz RS0091051, RS0115553, RS0120128; Lendl , WK StPO § 259 Rz 1) Freisprüche der Angeklagten enthaltenden – Urteil wurden * R* und * T* jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB (I./) und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 16. August 2021 in G* – verkürzt wiedergegeben – im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter * H*

I./ mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Machete, eine Armbanduhr sowie eine Geldbörse mit 600 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem sie in seine Wohnung eindrangen, mit einer Stahlrute und einem Eisenrohr sowie mit den Fäusten auf ihn einschlugen und eintraten, wodurch er Prellungen, Hämatome, Abschürfungen und Rissquetschwunden am Kopf sowie eine Entzündung infolge des Eindringens von Krankheitskeimen in die vorfallskausale Hautunterblutung in den Weichteilen des rechten Handgelenks und Unterarms, die mehrere Revisionsoperationen notwendig machte, somit eine an sich schwere Verletzung sowie eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, erlitt, ihn beschimpften und ankündigten, wiederzukommen und ihn umzubringen, wenn er nicht zahle, die angeführten Gegenstände an sich nahmen und die Wohnung verließen;

II./ dadurch geschädigt, dass sie im Zuge der zu I./ geschilderten Tathandlung fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Wohnungs- und einen Autoschlüssel, dauernd aus dessen Gewahrsam entzogen, indem sie diese aus der Wohnung mitnahmen.

Dagegen richten sich vom Angeklagten R* auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO und vom Angeklagten T* auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Zum Schuldspruchpunkt I./:

[3] Nach den erstgerichtlichen Sachverhalts-annahmen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB planten die Angeklagten „sich das Geld für die Beschädigung der Felgen [am Auto des R*, die dieser H* zuschrieb] zu holen und … H* eine Abreibung zu verpassen“ (US 6) und handelten mit dem bedingten Vorsatz, dem Opfer durch den Einsatz von Gewalt fremde bewegliche Sachen wegzunehmen, und „in weiterer Folge auch mit dem bedingten Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern“ (US 8).

[4] Das Verbrechen des Raubes verlangt auf der inneren Tatseite zum einen den (sowohl den Personen- als auch den Vermögensangriff umfassenden) Tatvorsatz und zum anderen den erweiterten Vorsatz, sich oder einen Dritten durch Zueignung der (weggenommenen oder abgenötigten) Sache unrechtmäßig zu bereichern. Der Tatvorsatz wie auch der erweiterte Vorsatz müssen dabei bereits zum Zeitpunkt der Gewaltanwendung oder Drohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) vorliegen ( Kienapfel/Schmoller StudB BT II/2 § 142 Rz 52, 54; Stricker in WK 2 StGB § 128 Rz 137).

[5] Den oben angeführten Urteilsannahmen („in weiterer Folge“) ist aber nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen, ob die Angeklagten bereits zum Zeitpunkt der Gewaltanwendung mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz handelten. Demnach vermögen diese einen Schuldspruch nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB nicht zu tragen.

[6] Insoweit erweisen sich demnach die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten (teilweise nominell Z 9 lit a; dSn Z 10) im Ergebnis als berechtigt.

[7] Eines Eingehens auf die weitere Argumentation der Nichtigkeitsbeschwerden zum Schuldspruchpunkt I./ bedarf es daher nicht.

Zum Schuldspruchpunkt II./:

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*:

[8] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert, das Erstgericht hätte eine Auseinandersetzung mit der Aussage des Zeugen H*, die Polizei hätte ihm 600 Euro ausgefolgt, er hätte einen solchen Betrag jedoch zusätzlich als Versicherungsleistung erhalten (ON 56 S 30 f), unterlassen, und bekämpft damit die tatrichterliche Annahme seiner Glaubhaftigkeit. Diese kann als erhebliche Tatsache unter dem Aspekt der Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen. Der Bezugspunkt besteht dabei aber nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern allein in den Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen (RIS Justiz RS0119422 [T4]). Solche spricht die Beschwerde jedoch nicht an, weshalb sie sich im Ergebnis in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erschöpft (vgl RIS Justiz RS0099419).

[9] Die weitere Rüge (Z 5 vierter Fall) verkennt, dass die Tatrichter die Feststellungen (auch) zur Mitnahme der Auto- und Wohnungsschlüssel auf die Aussagen der Zeugen * P* und H* in der Hauptverhandlung (ON 56 S 24 ff, S 31 ff; vgl RIS Justiz RS0107793 [T1]) gründeten (US 9, 11 und 14 f).

[10] Die kritisierte – demnach illustrative – Erwähnung dort (angeblich) nicht vorgetragener Aktenstücke, nämlich von Berichten der Kriminalpolizei (insb ON 6 S 5, 27, 37, 47 und 51) ist solcherart schon von vornherein nicht geeignet, Mangelhaftigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO zu begründen. Ein Vorbringen, dass die Tatrichter den vorgenannten Beweismitteln nicht schon für sich allein volle Überzeugungskraft zugebilligt hätten, enthält die Beschwerde nicht (vgl RIS Justiz RS0113209 und RS0113210, siehe auch RS0099507; Ratz , WK StPO § 281 Rz 455, 462).

[11] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet ihre Behauptung, ein Schlüssel könne nicht Objekt einer dauernden Sachentziehung sein (siehe aber 14 Os 35/11w; 14 Os 58/14g; 11 Os 46/16y; vgl auch RIS Justiz RS0093696; Salimi in WK 2 StGB § 127 Rz 54, § 135 Rz 12), nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565).

[12] Soweit die Beschwerde das Fehlen von Konstatierungen zur (bloß noch minimalen) Wiedererlangungschance in Bezug auf die entzogenen Sachen sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht reklamiert, übergeht sie die (disloziert) getroffenen Sachverhaltsannahmen, wonach „die Schlüssel nicht bei den Angeklagten im Rahmen der Hausdurchsuchung aufgefunden werden konnten“ (US 15), und orientiert sich damit prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 584). Mit Blick auf die tatrichterlichen Erwägungen, es sei nachvollziehbar, dass die Angeklagten die Schlüssel mitgenommen hätten, „um dem Opfer bei der weiteren Beschaffung oder auch einer allfälligen Verfolgung Umstände zu bereiten“, und es sei außerdem naheliegend, dass sie (auch) diese an einen unbekannten Ort verbracht hätten (US 15), kommt im Übrigen unmissverständlich zum Ausdruck, dass zum einen objektiv nicht mehr damit zu rechnen ist, der Berechtigte werde den Gewahrsam an den entzogenen Sachen zurückerlangen, und sich zum anderen auch der bedingte Vorsatz des Angeklagten (US 8) auf diesen Umstand bezog (RIS Justiz RS0117228; Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T*:

[13] Soweit die Beschwerde behauptet, für die Mitnahme der Schlüssel könne mit Blick auf deren Wertlosigkeit für die Angeklagten keine plausible Veranlassung und kein Motiv erblickt werden, und hätte sich das Erstgericht mit „der Veranlassung oder Erklärung für die dauernde Sachentziehung […] nicht befasst“ (ON 69 S 5, 8), bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[14] Mit dem pauschalen Einwand, bezogen auf die von den Angeklagten mitgenommenen Schlüssel hätte das Erstgericht „die entscheidenden Beweismittel“ und vor allem „erhebliche und gravierende Widersprüche“ in den Angaben der Tatzeugen nicht gewürdigt (ON 56 S 6 und 8), wird ein Begründungsmangel nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (RIS Justiz RS0118316 [T5]).

[15] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, es ergäbe sich in Bezug auf die Schlüssel kein Substrat für die Annahme einer dauernden Sachentziehung, und wäre es „unergründet geblieben“, weshalb die Angeklagten eine derartige Handlung setzen sollten, orientiert sie sich nicht an den gegenteiligen Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts (US 6 und 8), und verfehlt damit den Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

[16] Demgemäß war in weitgehender Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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