JudikaturOGH

11Ns55/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ristic, BA als Schriftführerin in der Strafsache gegen * Z* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1, Abs 4 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung in dem zu AZ 11 U 4/21i des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien zwischen diesem und dem Bezirksgericht Fürstenfeld geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Für die Durchführung des Strafverfahrens AZ 11 U 4/21i des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien ist dieses Gericht zuständig.

Text

Gründe:

[1] Mit am 11. Jänner 2021 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu AZ 11 U 4/21i eingebrachtem Strafantrag vom 31. Dezember 2021 legte die Staatsanwaltschaft Wien (dem Erwachsenen) * Z* ein in Wien gesetztes, dem Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1, Abs 4 erster Fall StGB subsumiertes Verhalten zur Last (ON 5 iVm ON 1 S 2 in den Akten des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien). Am 12. Jänner 2021 beraumte die Einzelrichterin die Hauptverhandlung für den 27. April 2021 an ([unjournalisiert] ON 1 S 3).

Rechtliche Beurteilung

[2] Mit (dem Angeklagten am 27. Mai 2021 zugestelltem) Beschluss vom 14. Mai 2021, GZ 11 U 4/21i 12, stellte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien das Verfahren unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr vorläufig ein (§§ 199, 203 Abs 1 StPO).

[3] Mit am 15. April 2022 zu AZ 15 U 51/22h des Bezirksgerichts Fürstenfeld eingebrachtem Strafantrag legte die Staatsanwaltschaft Graz * Z* ein dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB subsumiertes Verhalten zur Last (ON 1.2, 1; ON 3, 1 in den Akten des Bezirksgerichts Fürstenfeld). Am 26. April 2022 beraumte der Einzelrichter des Bezirksgerichts Fürstenfeld die Hauptverhandlung für den 18. Mai 2022 an (ON 1 S 7).

[4] Zufolge einer Mitteilung durch die Staatsanwaltschaft Graz an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien betreffend den eingebrachten Strafantrag (ON 14 in den Akten des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien) fasste dieses Gericht am 19. April 2022 den – * Z* am 12. Mai 2022 zugestellten – Beschluss, das Verfahren AZ 11 U 4/21i gemäß § 205 Abs 2 Z 3 StPO fortzusetzen (ON 15 samt Zustellnachweis).

[5] Am 18. Mai 2022 – und somit vor Eintritt der Rechtskraft des Fortsetzungsbeschlusses (vgl § 209 Abs 3 zweiter Satz StPO) – verfügte die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien die Übermittlung der Akten AZ 11 U 4/21i an das Bezirksgericht Fürstenfeld „zu dg. AZ 15 U 51/22h mit der Bitte um Einbeziehung, da der Wohnsitz des Angeklagten in der Steiermark“ liege (ON 1 [unjournalisiert] letzte Seite in den Akten des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien).

[6] Ebenfalls am 18. Mai 2022 bot der Einzelrichter des Bezirksgerichts Fürstenfeld dem Angeklagten Z* gemäß §§ 199, 200 Abs 4 StPO die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung eines Geldbetrags von (einschließlich Pauschalkosten) 2.900 Euro binnen 14 Tagen an und vertagte die Hauptverhandlung (ON 6 S 2 f i n den Akten des Bezirksgerichts Fürstenfeld).

[7] Nachdem die Akten des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien am 27. Mai 2022 dort eingelangt waren, legte das Bezirksgericht Fürstenfeld mit „Beschluss“ vom 31. Mai 2022 beide U Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt (§ 38 StPO) in Bezug auf die Führung des Verfahrens AZ 11 U 4/21i des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vor.

[8] Nach der – auch im Verfahren vor dem Bezirksgericht geltenden ( Oshidari , WK-StPO § 37 Rz 7/1) – Bestimmung des § 37 Abs 3 StPO sind, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, (soweit hier relevant) ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist (somit bei subjektiver Konnexität), die Verfahren zu verbinden, wobei für die Zuständigkeit unter gleichrangigen Gerichten – dh wenn keine Anknüpfung nach § 37 Abs 2 erster Satz StPO stattfindet – das Zuvorkommen entscheidend ist (§ 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO; Oshidari , WK StPO § 37 Rz 9). Bei einer vorläufigen (diversionellen) Verfahrenseinstellung – und (analog) auch bei einer Mitteilung nach § 200 Abs 4 StPO (14 Ns 32/15i = RIS Justiz RS0126517 [T2]) – wird die Zuständigkeit des Zusammenhangs von § 37 Abs 2 letzter Satz StPO jedoch solange ausgeschlossen, als dieser Zustand fortdauert (12 Os 163/15k = RIS-Justiz RS0130629).

[9] Eine Zuständigkeit des Bezirksgerichts Fürstenfeld zur (gemeinsamen) Führung des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beschluss, mit dem das Strafverfahren AZ 11 U 4/21i des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien nachträglich fortgesetzt wurde, vor dem 18. Mai 2022 noch nicht in Rechtskraft erwachsen (und das Verfahren demnach weiterhin vorläufig eingestellt) war und seit diesem Zeitpunkt (selbst bei mittlerweile eingetretener Rechtskraft des Fortsetzungsbeschlusses) einer Verfahrensverbindung die Unterbreitung des Anbots nach § 200 Abs 4 StPO im Verfahren AZ 15 U 51/22h des Bezirksgerichts Fürstenfeld entgegensteht.

[10] Davon abgesehen wurde der beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingebrachte Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien früher, nämlich bereits am 12. Jänner 2021 rechtswirksam, sodass selbst im (hier nach dem Gesagten gerade nicht vorliegenden) Fall gleichzeitig anhängiger (noch nicht vorläufig diversionell eingestellter) Hauptverfahren dieses Gericht zur gemeinsamen Verfahrensführung berufen gewesen wäre (§ 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO).

[11] Dem subsidiären Anknüpfungspunkt des Wohnsitzes des (erwachsenen) Angeklagten (§ 36 Abs 3 zweiter Satz StPO) kommt – entgegen der Ansicht des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien – in Bezug auf die Zuständigkeit des Zusammenhangs bei sukzessiver Anklageerhebung (§ 37 Abs 3 StPO) von vornherein keine Bedeutung zu.

[12] Daher ist – wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte – das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zur Führung „seines“ Verfahrens, also zur Erledigung des bei diesem Bezirksgericht eingebrachten Strafantrags vom 31. Dezember 2021 zuständig.

Rückverweise