JudikaturOGH

3Ob111/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der Betroffenen G*, geboren am * 1971, *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 29. April 2022, GZ 2 R 135/21x 289, mit dem der Rekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Horn vom 25. Oktober 2021, GZ 7 P 16/13s 211, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Ende des Jahres 2018 leitete das Erstgericht das Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für die Betroffene ein.

[2] Mit Beschluss vom 25. Oktober 2021 bestellte das Erstgericht für die Betroffene einen neuen Rechtsbeistand im Erwachsenenschutzverfahren. Dieser Beschluss wurde der Betroffenen nach der Aktenlage am 2. November 2021 persönlich zugestellt.

[3] Das Rekursgericht wies den von der Betroffenen am 17. November 2021 beim Erstgericht überreichten Rekurs, in dem sie eine Zustellung des angefochtenen Beschlusses (erst) am 3. November 2021 behauptete, als verspätet zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

[4] In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Betroffene zusammengefasst geltend, die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses sei nicht am 2. November, sondern vielmehr erst am 3. November 2021 erfolgt, und die Unterschrift auf dem Zustellnachweis stamme nicht von ihr.

Rechtliche Beurteilung

[5] Über dieses Rechtsmittel kann derzeit noch nicht entschieden werden.

[6] 1. Gemäß § 6 Abs 2 iVm § 65 Abs 3 AußStrG müssen sich die Parteien unter anderem im Verfahren über die Erwachsenenvertretung im Revisionsrekursverfahren durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen. Der außerordentliche Revisionsrekurs wurde von der Betroffenen ohne Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars eingebracht und weist somit einen Formmangel auf. Die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens ist nur dann entbehrlich und der Formmangel ohne Bedeutung, wenn das Rechtsmittel als solches absolut unzulässig ist (vgl RS0005946). Dies ist hier nicht der Fall. Das Erstgericht wird daher ein Verbesserungsverfahren (§ 10 Abs 4 AußStrG) durchzuführen haben.

[7] 2. Die Zustellvorschriften sind zwingendes Recht; ihre Einhaltung hat das Gericht von Amts wegen zu überprüfen (RS0036440). Rechtsmittelausführungen, die Umstände betreffen, die jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen sind, verstoßen nicht gegen das Neuerungsverbot (vgl RS0108589 [T1], RS0006957 [T3]). Der Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde mit den dieser zukommenden Wirkungen und macht zunächst vollen Beweis darüber, dass der darin beurkundete Zustellvorgang eingehalten wurde. Der Gegenbeweis ist allerdings zulässig (RS0040471; vgl auch RS0006957). Bringt eine Partei – wie hier die Betroffene – Umstände vor, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorgangs aufkommen lassen, so ist dieser zu überprüfen. Dass sich das Verfahren bereits im Revisionsrekursstadium befindet, ändert daran nichts; das Neuerungsverbot steht dem nicht entgegen (6 Ob 93/09h mwN).

[8] Für den Fall der fristgerechten Befolgung des zu erteilenden Verbesserungsauftrags wird das Erstgericht daher zweckdienliche Erhebungen, insbesondere durch Einvernahme der Betroffenen und des Zustellers, zum Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses vom 25. Oktober 2021 an die Betroffene vorzunehmen haben.

[9] Anschließend werden die Akten neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.

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